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Alexander Doll – Der Banker im Bahntower

Um das Unerwartete über Alexander Doll etwas zu relativieren, könnte man ihn als einen Freund „tanzbarer Musik mit ausgeprägtem elektronischen Charakter“ beschreiben. Auf den Punkt formuliert würde die Zeile allerdings lauten, „Vom Berghain in den Bahntower“. Der neue Finanzvorstand des Staatskonzerns Deutsche Bahn ist Fan der Technomusik, deren bekannteste Kultstätte in Berlin der Berghain-Klub ist.

Oper, Bergsteigen, Golf oder Marathon gelten als akzeptierte Freizeitstandards für Spitzenmanager – sind aber wenig überraschend. Das eine oder andere davon macht eigentlich jeder Vorstand, der etwas auf sich hält. Doll fällt da aus dem Rahmen, wie schon sein gesamter Berufsweg eher ungewöhnlich ist.

Im Zeitraffer lautet der: vom Philosophiestudium zum Finanzchef eines 40 Milliarden Euro-Mobilitätskonzerns. Dazwischen allerdings liegen viele Stationen, wie Studium der Betriebswirtschaft und Jobs als Investmentbanker für Barclays, Lazard und UBS. Insofern passt der bevorzugte Musikstil durchaus zum Karriereweg.

Doppelvorstand auf Zeit

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Als Banker hatte Doll, der seit Jahresbeginn das Finanzressort im Vorstand der Deutschen Bahn verantwortet, schon zahlreiche Berührungspunkte mit seinem heutigen Arbeitgeber. Bei der Platzierung der ersten Finanzierungsanleihen in den 1990er-Jahren, kurz nach der Bahnreform. Beim später abgeblasenen Börsengang des Staatskonzerns oder aber beim Zukauf der Auslandstochter Arriva.

Die muss Doll möglicherweise wieder ins Schaufenster stellen, falls der Aufsichtsrat und der Eigentümer Bund sich dazu durchringen sollten, die etwa vier Milliarden Euro wertvolle Beteiligung zwecks Schuldenabbaus zu verkaufen. Die Entscheidung darüber soll im Frühjahr fallen. Und es wäre wohl die erste Maßnahme, die dann die Handschrift des 48 Jahre alte Managers tragen würde.

Doll kam im April 2018 zunächst als Güterverkehrsvorstand zur Bahn und übernahm zum Jahresauftakt das Finanzressort von Bahn-Chef Richard Lutz zusätzlich. Für eine Übergangszeit ist er nun Doppelvorstand. Im Laufe des Jahres dürfte Doll die Cargo-Bahn wieder abgeben, oberster Chef einer der größten Speditionen Europas, der DB Schenker AG, wird er aber wohl bleiben. Auch Schenker könnte eines Tages auf die Verkaufsliste kommen, sollte die Finanznot der Bahn allzu groß werden.

Letztere zu managen wird die große Herausforderung Dolls sein. Weniger, weil das Unternehmen nicht profitabel wäre. Im Gegenteil, die Deutsche Bahn dürfte die wirtschaftlichste Staatseisenbahn Europas sein. Die Netto-Umsatzrendite von fünf bis sechs Prozent ist zwar bescheiden. Aber zwei Milliarden Euro Betriebsergebnis können sich durchaus sehen lassen. Und abgesehen von einem Ausrutscher 2015 wegen Abschreibungen fährt die Bahn seit mehr als zehn Jahren mit Gewinn.

Doch die Profitabilität ist Segen und Fluch zugleich. Die Rendite ging zulasten der Qualität. Seit Jahren ist die Bahn unterfinanziert, der Sanierungsstau im Netz gewaltig, die Fahrzeugflotte veraltet. Pünktlich fahren nur noch drei Viertel aller Fernzüge. Die Bahn muss deshalb große – auch finanzielle – Anstrengungen unternehmen, um wieder mehr Qualität zu bieten.

Tausende Kilometer Gleise, Tausende Weichen, Hunderte Brücken müssen ausgetauscht oder instand gesetzt werden. Für mehr als sieben Milliarden Euro rollen neue Züge an. Doch die Finanzierung steht auf wackeligen Füßen. Das wird insbesondere dem ehemaligen Banker Doll auffallen, der das Unternehmen weniger nach Rendite als nach Cashflow steuern wird.

Denn schon heute ist die Bahn nicht mehr in der Lage, den Eigenfinanzierungsanteil an den wachsenden Investitionen zu stemmen. Deshalb steigen auch die Schulden. 20 Milliarden Euro galten bislang als Linie, die nicht überschritten werden darf. Einmal, weil der Eigentümer Bund das nicht will, zum anderen aber auch, weil das Rating gefährdet sein könnte. Noch ist die Bahn ein erstklassiger Schuldner, das kann sich aber schnell ändern. Doll muss jedes Jahr rund drei Milliarden Euro neu am Markt platzieren, da tun auch kleine Zinssteigerungen weh.

Eine Kunst wird es für ihn ohnehin sein, zwischen den wirtschaftlichen Interessen einer Aktiengesellschaft und den politischen Ambitionen der Politik zu jonglieren. Zumal die Regierungsparteien in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, dass Verkehrsmaximierung vor Rentabilität gehen soll.

Politischer Einfluss

Die Rentabilität des größten deutschen Staatskonzerns wird in den kommenden Jahren definitiv sinken, weil jetzt zum Beispiel der massive Personalabbau vergangener Jahre gestoppt wurde und deutlich über Bedarf eingestellt wird. Dafür steht dann aber nicht der Bund als Eigentümer bereit, um wie beim Ausbau des Schienennetzes oder für die Digitalisierung Geld aus der Steuerkasse zuzuschießen.

Unter diesen Umständen darauf zu achten, dass im Bahnkonzern jetzt nicht alle Dämme brechen – nach dem Motto: „ist sowieso egal“ – dürfte auch für Doll ein Spagat werden. Zum Glück sind ihm die oft schwer einzuschätzenden Wege und Vorlieben von Politikern nicht fremd. Ob Post-Börsengang oder Finanzierungsstudie für das umstrittene Fehmarnbelt-Tunnelprojekt nach Dänemark, mit dem Staat hatte Doll immer wieder beruflich zu tun.

Ein ehemaliger Kollege meint denn auch, Doll verstehe es deshalb gut, durch „Politik und Wirtschaft“ zu navigieren. Nur: Wenn der Staat nicht bereit ist, deutlich mehr Mittel zur Sanierung seines heruntergekommenen eigenen Unternehmens bereitzustellen, dann wird auch der Finanzchef der Deutschen Bahn kein Geld herbeizaubern können.

Jedenfalls würde ihm das nicht über Sparrunden und finanztechnische Optimierung gelingen. Zumal Bahn-Chef Lutz ganz klar Wachstum als Strategie für die nächsten Jahre ausgegeben hat: mehr Investitionen, mehr Personal, mehr Digitalisierung. Deshalb wird der Finanzchef Alexander Doll wohl auch versuchen, sich stärker ins operative Geschäft einzumischen als ein klassischer Buchhalter.

Der Staatskonzern muss dringend seine Organisation umbauen. Was oben beschlossen wird, kommt unten nämlich nicht an, beklagte Lutz jüngst in seinem Brandbrief an die Mitarbeiter der Bahn. „Prozessketten muss man vom Kunden denken“, wird Doll dazu sagen. Das kennt er aus den vielen Industrien, die er früher einmal beraten hat. Jetzt muss er selbst ran.

Und weil er das auch so wollte, entschied sich Doll vor einem Jahr binnen kürzester Zeit, ob er in den Bahntower einziehen oder die Anfrage des Unternehmens ablehnen soll. Zeit hat Doll ohnehin nicht mehr. Die prekäre Lage der Deutschen Bahn und der massive politische Druck auf das Management erzwingen Veränderungen. Solchen Handlungsdruck ist der frühere Banker gewohnt: Er sieht sich selbst als Veränderer.