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Nach Übernahme und „Tal der Tränen“: So will der neue Eierlikör-Chef das Startup Rübbelberg auf Kurs bringen

Blundstone Osterberger war früher Teilhaber einer Destillerie. Ende 2023 kaufte er den Gründern das Eierlikör-Startup Rübbelberg ab. - Copyright: Rübbelberg/ Collage: Dominik Schmitt
Blundstone Osterberger war früher Teilhaber einer Destillerie. Ende 2023 kaufte er den Gründern das Eierlikör-Startup Rübbelberg ab. - Copyright: Rübbelberg/ Collage: Dominik Schmitt

Die einen liebe ihn, die anderen nicht. Für Blundstone Osterberger schmeckt Eierlikör wie ein „trinkbares Vanille-Eis mit Schuss“. Früher durfte der Unternehmer, der in Wien aufwuchs, häufiger bei seiner Oma am Glas nippen. Lecker. So richtig begeistert habe ihn als Teenager dann eine Talkshow, die damals im österreichischen Fernsehen lief. „Frucade oder Eierlikör?“, fragte Moderator Hermes Phettberg seine Gäste dort immer nach der Begrüßung. „Ich fand das mega witzig“, erinnert sich Osterberger.

Heute besitzt Blundstone Osterberger sein eigenes Eierlikör-Startup. Er verkauft Eierlikör in Bio-Qualität wohlgemerkt. Was ihn von den meisten Startup-CEOs in der Szene unterscheidet: Osterberger hat Rübbelberg nicht selbst gegründet. Das haben die Berliner Sebastian Tigges, Christopher Leidinger und Philipp Nagel im Jahr 2018 gemacht. Ihnen hat der Wiener das Startup Ende des vergangenen Jahres für einen sechsstelligen Betrag abgekauft. Allerdings nicht, weil die Zahlen besonders gut aussahen. Eher steckt Rübbelberg in einer Phase, in der es nicht so rund läuft. Denn die Nachfrage ist zuletzt zurückgegangen. Doch Osterberger hat den Glauben an das dottergelbe Gesöff nicht verloren und plant, „Eierlikör als zeitloses Lifestyle-Getränk zu positionieren“.

Der Unternehmer hat viele Ideen, wie er die Marke Rübbelberg wieder aufbauen kann. Er kommt schließlich aus dem Marketing-Bereich. Stolz präsentiert er Fotos einer neuen Kampagne: Eierlikör eingebettet in eine Szene am Pool. Menschen mittleren Alters prosten sich in der Nachmittagssonne mit Cocktail-Schalen zu, am Glasrand hängt eine Limetten-Scheibe. Der Chef spricht von einer „sommerlich verträumten“ Atmosphäre. „Das ist eben ein Problem, dass Eierlikör ein super saisonal orientiertes Produkt ist und am besten noch als Geschenk gekauft wird“, sagt der Unternehmer. Gerade zu Ostern und Weihnachten hat die Spirituose Hochkonjunktur. „Wir sind der Meinung, dass wir das Produkt mehr in den Frühling, Sommer und Herbst reinbekommen.“

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Der Mann brennt für das eigenwillige Getränk. Muss er auch, denn vor ihm und seiner Firma liegt noch eine Menge Arbeit. Nach der Gründung hatte sich die Marke zunächst ganz gut entwickelt. Rübbelberg habe „im guten unteren sechsstelligen Bereich“ verkauft. Als die Marke medial bekannter wurde, half das, in den „hochwertigem Einzelhandel“ zu kommen. Heute ist der Bio-Eierlikör im Berliner Luxus-Kaufhaus KaDeWe und Bio-Supermärkten wie Denn’s gelistet.

Gründer verkauften Startup, um sich beruflich neu zu orientieren

Doch obwohl sich Rübbelberg schnell im Markt etablierte und ordentlich verkaufte, hätte Osterberger zufolge keiner der drei Gründer von dem Eierlikör-Business richtig leben können. „Das Ganze hat sich mehr oder weniger selbst getragen und Mitarbeiter bezahlt,“ schildert er.  Der offizielle Grund, warum sich die Gründer entschieden, ihr Startup 2023 zu verkaufen, sei dann aber eine berufliche Neu-Orientierung gewesen: Sebastian Tigges, zuvor als Anwalt tätig, ist inzwischen mehr als Influencer unterwegs. Mit seiner Frau, dem Model Marie Nasemann, nimmt er einen eigenen Podcast auf. Mitgründer Leidinger führt seit 2019 eine eigene Branding-Agentur, die mitunter Marken-Relaunches für Startups wie Solaris, Nucao oder Circus Kitchen durchgeführt hat. Und Philipp Nagel heuerte als Rechtsbeistand beim Mobility-Startup Via an.

Christopher Leidinger kannte Osterberger schon lange durch seine frühere Arbeit in Branding-Agenturen. Außerdem hat er Ahnung von der Herstellung von Spirituosen. Eine Zeit lang war Osterberger selbst Teilhaber einer Destillerie und produzierte mitunter Eierlikör im Private-Label-Bereich, also für bekannte Handelsunternehmen. „Ich war von Beginn an ein großer Fan des Projekts“, sagt der Wiener. Als die drei „Jungs“ mit Rezepten und Zutaten für Rübbelberg experimentierten, habe er oft probiert. Durchgesetzt hat sich bis heute eine Variante, die in der Konsistenz etwas flüssiger ist und mit Limette abgeschmeckt ist.

Statt nur zu Ostern und Weihnachten: Das Startup will seinen Eierlikör übers ganze Jahr vermarkten. - Copyright: Rübbelberg
Statt nur zu Ostern und Weihnachten: Das Startup will seinen Eierlikör übers ganze Jahr vermarkten. - Copyright: Rübbelberg

Den CEO-Posten wollte Osterberger aber nicht gleich übernehmen, als er 2022 gefragt wurde. Ein Jahr lang sei es hin und hergegangen. Die Gründer hätten mit verschiedenen Kaufinteressenten gesprochen. Was ihnen nicht gefiel: Die meisten potenziellen Käufer hatten vor, ihre Marke in ein größeres Unternehmen einzugliedern. Die persönliche Arbeit der Berliner drohte so, verloren zu gehen. Am Ende willigte Osterberger also in den Vertrag ein – nachdem sie sich, wie er sagt, von einer „typischen Berliner Startup-Bewertung“ auf einen „realistischen Preis“ geeinigt hätten. Die Gründer unterstützen ihn noch in „beratender Funktion“ und werden an den Gewinnen weiterhin beteiligt.

Bei den Zahlen will Osterberger nichts beschönigen: „Die Marke Rübbelberg ist im Jahr 2022 und auch noch 2023 durchs Tal der Tränen gegangen“, so der CEO. „Wir sind nicht in die Verlustzone gerutscht, aber waren definitiv nicht mehr in der Lage, alle Mitarbeiter zu halten.“ Gestiegene Preise für Bio-Eier – das Startup arbeitet mit etwa 15 Höfen aus Norddeutschland zusammen – sowie für Glas und Papier hätten sie zusätzlich belastet. „Das hat einen riesigen Druck auf die Marge erzeugt“, so der Neu-Eigentümer.

Handel mit Spirituosen nach Corona stark eingebrochen

Rübbelberg war im Tal der Tränen nicht allein, mehr hat eine ganze Branche gelitten. So sind die Umsatzzahlen im Bereich Spirituosen zuletzt zusammengeschrumpft. In der Pandemie erlebte der Spirituosen-Markt einen regelrechten Boom. Insgesamt wurden im Jahr 2020 rund 33 Millionen mehr Flaschen über den Einzelhandel verkauft, zeigt der Branchenbericht des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie (BSI). Der Umsatz stieg im Coronajahr auf 4,8 Milliarden Euro.

Zwar hat sich der Umsatz auf dem Niveau von 4,9 Milliarden Euro inzwischen eingependelt. Der Absatz von Spirituosen ist seit 2021 aber wieder deutlich zurückgegangen. Laut BSI wurden im Jahr 2022 rund 551 Millionen Flaschen Hochprozentiges über den Handel verkauft – damit 2,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei spielt mit rein, dass sich Konsumenten angesichts Inflation bei Luxus-Käufen mehr zurückhalten.

Rübbelberg-Chef über Konkurrenz: "Spielfeld ist jetzt richtig voll"

Gleichzeitig hat auch der Wettbewerb im Likör-Segment stark zugenommen: Während ein Bio-Eierlikör mit dem Siegel „handmade in Berlin“ 2018 Osterberger zufolge noch einer „Pionier-Leistung“ glich, sei das „Spielfeld jetzt richtig voll“. Ihm zufolge habe es neben dem Branchenprimus Verpoorten, der inzwischen in fünfter Generation geführt wird und 90 Prozent des Marktes beherrscht, „vielleicht zwei andere“ Firmen gegeben. Heute ist die Google-Suche voll mit verschiedensten Eierlikör-Produkten: Neben der klassischen Variante, die in der Regel aus Ei-Dotter, Puderzucker, Sahne, Vanilleschote und Korn, mal auch aus Vodka besteht, preschen jetzt junge Anbieter mit neuen Kreationen vor.

Die Geschwister Ann-Katrin und Johann Dallmeyer, die 2016 in Bremen das Startup Nork gründeten, haben mit ihrer Marke „Franzi“ etwa einen Likör entwickelt, der nach zimtigen Franzbrötchen schmecken soll. Sie haben sich vorgenommen, „Korn wieder salonfähig zu machen“ und „die eingestaubte Spirituosenlandschaft aufzumischen“, schreiben sie auf ihrer Website. Ihr neustes Produkt: Spaghettieis-Likör mit Erdbeersoße.

Nach Bio kommt vegan: Junge Anbieter experimentieren mit Pflanzenmilch im Likör

Andere Hersteller mischen Orangenaroma, Mangos, Trüffel oder Schokolade dazu. Auch gibt es inzwischen Eierlikör ganz ohne Ei. Gründerin Anna Lessing aus Oldenburg hat 2022 eine vegane Alternative auf Basis von Hafer mit Vanille entwickelt. „Omas bester Likör“ heißt ihre Marke, die sie neben veganen Käsesorten – Camembert und Gorgonzola aus Cashewnüssen – in ihrem Startup Veeze anbietet. Auch die Berliner Manufaktur Grote & Co. Spirits hat 2023 einen veganen „Eyy-Likör“ gelauncht, der aus Bio-Kokosmilch und Sonnenblumenkern-Extrakt gemacht wird. Da der Markenname zu sehr an „Ei“ erinnert, musste das Startup den Likör aber nach einem Streit mit dem deutschen Spirituosen-Schutzverband vorerst aus dem Angebot nehmen. So oder so bahnt sich eine Trendwende an: Eierlikör verjüngt sich, wird aus dem Alte-Tanten-Licht gerückt und zum neuen Szene-Drink gekürt.

Zeit für Osterberger, hier nachzuziehen: Nach sechs Jahren am Markt will der Wiener die Produktpalette erweitern. Es gibt bisher, um genau zu sein, nur das eine Produkt: Premium-Bio-Eierlikör. Der halbe Liter kostet rund 30 Euro. Andere Anbieter sind günstiger, zum Beispiel der Bio-Likör von Liebelei, der genau zehn Euro kostet. Osterberger ist sich der „unglücklichen Lage“ bewusst und kann darüber lachen. „Wir wollen mit Qualität punkten“, bekräftigt er.

Schoko, Haselnuss, vegan oder Korn pur: Neu-Eigentümer Osterberger hat viele Ideen

„Wir sind gerade dabei, eine Schoko- und eine Haselnuss-Variante zu kreieren“, so Osterberger. Erste Proben habe er schon produziert. Sonst gehen die Überlegungen des Neu-Eigentümers noch in viele Richtungen: Von der Produktion „reiner“ Spirituosen in Bio-Qualität wie Korn oder Vodka über die Möglichkeit, weniger Hochprozentiges oder sogar alkoholfreie Drinks herzustellen. Letzteres ist, gerade wenn es um die Verarbeitung roher Eier geht, noch eine Herausforderung. In Deutschland ist ein Alkoholgehalt von mindestens 15 Prozent für Liköre gesetzlich vorgeschrieben. Auch vegane Produkte auf Pflanzenbasis schließt Osterberger für die Zukunft nicht aus. „Es gibt ein paar Wettbewerber, die machen das schon ganz gut“, beobachtet er. Findet aber auch: „Es muss zu Rübbelberg passen und bei den Kunden ankommen.“

In einem „schlechten Jahr“ produziere das Startup rund 100.000 Flaschen, in einem „guten“ ungefähr doppelt so viel. Für dieses Jahr erwartet der Unternehmer einen fünf- bis sechsstelligen Umsatz. Wenn das Traditionsunternehmen Verpoorten perspektivisch auch nur ein Prozent seiner Marktmacht an sein Startup abtreten würde, wäre das für Osterberger schon ein großer Erfolg.