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Die Kanzlerin lobt den tschechischen Schattenmann

Bei Merkels Prag-Besuch deutet Tschechiens Ministerpräsident Petr Necas den Schulterschluss mit Berlin an. Die Kanzlerin trifft auch ihren früheren Chemieprofessor aus DDR-Zeiten wieder.

Sie war wütend. Im Zug. Als es wieder einmal viele Stunden dauerte, um von Berlin nach Prag zu kommen. „Beruhige dich, sagte mein Lehrer, wir nehmen doch an einem Experiment teil: dem Sozialismus. Wir müssen nur noch ein wenig warten, bis es zu Ende ist.“ In der Prager Karlsuniversität hat sich Kanzlerin Angela Merkel mit dieser Anekdote, in der sie und ihr tschechischer Professor für physikalische Chemie, Rudolf Zahradnik, die Hauptrolle spielen, als eine „von hier“ geoutet.

Das bringt ihr die Sympathie der Studenten in der großen Aula. Und ein paar Schmunzler – als ob Züge im Kapitalismus stets pünktlich unterwegs wären.

Doch auf Züge ist Merkel nicht mehr angewiesen. 35 Minuten dauert der Flug in die tschechische Hauptstadt und kaum fünf Stunden der Aufenthalt. Das reicht für einen Hauch Frühlingsluft, das nötigste politische Geschäft und ein paar europapolitische Gedanken vor Studenten der juristischen Fakultät.

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Dem Staatspräsidenten Václav Klaus widmet sie am wenigsten von ihrer Zeit. Den Europazauderer sieht Merkel als Problem, das die verfassungsmäßige Ordnung ohnehin löst – nächstes Jahr im Februar wird neu gewählt, und Klaus kann sich nicht selbst nachfolgen.

Es könnte für viele noch ein langes Jahr werden, hat Klaus freilich schon gedroht. Unter anderem für Ministerpräsident Petr Necas. Denn Klaus will nichts unterschreiben, was sein Land näher an die EU heranführt. So auch nicht den Fiskalpakt; einen Plan, den Tschechien neben Großbritannien nicht mitgehen will. Vordergründig zumindest.

Merkel lacht und nickt ihrem Gesprächspartner Necas während der Pressekonferenz eifrig zu, als der seine Sicht der Lage so zusammenfasst: „Wir sind ein Schattensignatar des Fiskalpaktes.“ Innenpolitisch hat sich Necas damit weit aus dem Fenster gelehnt, das weiß auch seine Gesprächspartnerin und lobt den Schattenmann, weil sein Land alles unternimmt, die Maßgaben des Pakts einzuhalten. Das Staatsdefizit ist unter 50 Prozent, und die Neuverschuldung soll 2013 unter drei Prozent sinken.

„Wir wissen, dass sich die tschechische Regierung das offenhält“, sagt Merkel in Bezug auf eine mögliche Unterschrift Tschechiens unter den Fiskalpakt.

Ihr Besuch dient der Erinnerung an 20 Jahre Partnerschaftsabkommen zwischen den Ländern und der Unterstützung für die Europafreunde in Prag. Necas’ Worte hat sie da mit Beruhigung vernommen. Er spricht vor den Studenten am Nachmittag davon, dass er nicht verstehen könne, warum man die Mitgliedschaft und den Bestand der Union überhaupt noch infrage stelle – was Klaus und viele seiner Landsleute tun. „Die EU bleibt eine Gemeinschaft, in der wir unsere Zukunft haben.“

Was aus dieser Gemeinschaft werden soll, umreißt Merkel nach dem kleinen historischen Exkurs in ihre bahnfahrende Vergangenheit. „Wie sieht es in 20, 30 Jahren aus?“, fragt sie in die Runde. Ihre Stimme klingt engagiert, so wie sie mit einer gewissen Leidenschaft schon die Errungenschaft der EU als Freiheitsgarantin gepriesen hat.

„Wir werden Schritt für Schritt Kompetenzen vergemeinschaften. Aber nur das nach Europa geben, was in Europa besser gemacht werden kann.“

In der Kommission sieht Merkel „eine europäische Regierung“, dem eine zweite Kammer, der europäische Rat der Staats- und Regierungschefs beigeordnet ist. Das Europa-Parlament versteht sie als Kontrollorgan wie auch den Europäischen Gerichtshof.

Vor allem erwartet sie einen grundlegenden Wandel im Denken über Europa: „Wir werden eine europäische Öffentlichkeit haben.“ Ginge es nach Merkel, würden europäische Debatten schon heute die ersten Seiten der Zeitungen einnehmen – nicht nur, wenn die Angst um den Euro die Schlagzeilenmacher umtreibt.

Solche beinahe emotionalen Zugänge zum „neuen“ Europa sind bei Merkel selten zu erleben. „Wir müssen gemeinsam kämpfen“, sagt sie diesmal. Die EU habe die „Aufgabe der Selbstbehauptung der europäischen Werte“. 1,3 Milliarden Chinesen und 1,1 Milliarden Inder jagen Merkel einen gehörigen Respekt ein. Das haben die Studenten wohl verstanden. Viele folgen den Ausführungen der deutschen Regierungschefin im Originalton.

Deutsch ist immer noch eine häufig gesprochene Sprache. Sogar für die Sicherheitsbeamten an der Tür zur Aula scheint es selbstverständlich zu sein, den Mitgliedern aus Merkels Delegation auf Deutsch den Weg zu weisen. Von den Ressentiments, die Besuche deutscher Politiker in Tschechien früher begleiteten, ist diesmal nichts zu spüren. Merkel mag über die Vergangenheit sprechen, doch es ist ihre eigene, ganz persönliche. Eine, die verbindet, nicht trennt.

Da kann sie ungestraft auch leicht Brüskierendes formulieren: Neben Europa- ist Energiepolitik ein Hauptthema des Besuchs. Die Tschechen fürchten, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland dazu führt, dass die Weiterleitung des überschüssigen deutschen Stroms über ihr Land zu einem Blackout führt.

Merkel bietet Zusammenarbeit an, sie will wie der tschechische Regierungschef einen europäischen Energieplan und keine Abschottung der Netze. Aber man müsse auch bereden, ob etwa „Stromleitungen in Tschechien behandelt werden wie deutsche.“ Doch ein wenig Okkupation? Ach was. Petr Necas überhört es gütig.