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Was der zweite Lockdown für die Prostitution bedeutet

Das Erotik-Gewerbe muss erneut geschlossen bleiben. Viele Bordelle bangen um ihre Existenz – und die Frauen werden in informelle Strukturen gedrängt.

Der zweite Lockdown, sagt Kerstin, sei eine Katastrophe. Eigentlich arbeitet sie in Bayern als Prostituierte – doch seit die Ministerpräsidenten erneut harte Maßnahmen zur Coronabekämpfung durchgesetzt haben, darf sie ihren Beruf mal wieder nicht ausüben.

Kerstin hat eigentlich einen anderen Namen, ist 55 Jahre alt und verheiratet. Jetzt, während der Pandemie, muss sie schauen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren kann. „Ich habe Glück, dass mein Mann einen Job hat“, sagt Kerstin und gibt dennoch zu: „Ab und an besuche ich ein paar Stammkunden daheim.“

Die Coronapandemie hat die Sexarbeit besonders hart getroffen. Nachdem Mitte März alle Bordelle geschlossen wurden, mussten sich die Betreiber ihren Weg aus dem Shutdown einzeln erklagen – in manchen Bundesländern blieben sie ganz geschlossen. Durch das erneute Verbot driftet die Branche jetzt zurück in informelle Strukturen – die sich immer mehr verfestigen.

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Stephanie Klee vom Bundesverband sexuelle Dienstleistungen (BSD) sieht die Prostitution in einer Reihe mit der Gastronomie und den Hotelbetrieben: „Wir reihen uns in den Kanon der Gewerbe ein, die eigentlich gute Hygienekonzepte vorlegen können“, sagt Klee.

Der Vorwurf, den einige Bundestagsabgeordnete im Frühjahr äußerten, dass die Prostitution das Coronavirus massenweise weiterverteilen würde, sei laut Klee nicht haltbar: „Unsere Branche ist kein Superspreader“, sagt sie.

Bundesländer urteilen unterschiedlich

Die Hygienekonzepte hätten gut funktioniert, findet Klee, denn entgegen einigen Vorurteilen über ihre Dienstleistung „finden keine Ansammlungen statt, und beide Personen können Maske tragen“, erklärt sie. Auch die Angst, dass sich Kunden aus Scham nicht in die Kontaktlisten eintragen würden, habe sich nicht bestätigt.

Dennoch gab es nach dem ersten Lockdown im Frühjahr für die Sexarbeit nie das generelle „Go“ für die Wiedereröffnung. Die Situation blieb je nach Bundesland sehr unterschiedlich: Während der Berliner Senat schon im August erotische Dienstleistungen wieder erlaubte, mussten Bordellbetreiber andernorts den Weg über die Gerichte gehen. Für Nordrhein-Westfalen etwa kippte das Oberverwaltungsgericht Münster das Verbot sexueller Dienstleistungen erst im September. In Hessen und Mecklenburg-Vorpommern blieb Prostitution durchgehend verboten.

Viele Laufhäuser haben die Zeit nicht überlebt. Das Großbordell „Pascha“ in Köln etwa musste im September Insolvenz anmelden. Mitte Oktober durfte es unter strengen Hygienevorschriften wieder öffnen, nur um jetzt wieder schließen zu müssen.

Auch Laura, die in Speyer und Karlsruhe zwei Bordelle betreibt, beschreibt ihre Situation als verheerend. „Wir wissen noch nicht, ob wir die Existenz retten können“, sagt sie. Festangestellte Mitarbeiter hätte sie erst in Kurzarbeit schicken und dann kündigen müssen.

„Das hat unsere ganze Unternehmensstruktur kaputt gemacht“, sagt Laura. Deshalb musste sie als Inhaberin in den letzten sechs Wochen, in denen der Betrieb möglich war, das Haus leiten und gleichzeitig selbst putzen. Hinzu kommt ein großer Schuldenberg, den sie durch KfW-Kredite aufgebaut hat und den sie im Frühling kommenden Jahres eigentlich zurückzahlen müsste.

Prostitution wieder illegal?

Weil Bordelle wie das von Laura geschlossen haben, weichen viele Frauen auf private Treffen aus, um sich zumindest einen Teil ihrer Einnahmequellen zu sichern. Wenn sich die Sexarbeiterin Kerstin privat mit einigen ihrer Kunden trifft, achtet sie nach eigenen Angaben darauf, die Hygienevorschriften einzuhalten. Aber: „In einer bestehenden Infrastruktur geht das natürlich leichter“, sagt Kerstin.

Die Treffen in privaten Räumen oder Hotelzimmern sind aus Infektions-, aber auch Sicherheitsaspekten heraus viel schwieriger zu kontrollieren. Juanita Henning, die Sexarbeiterinnen im Frankfurter Bahnhofsviertel berät, sagt: „Den Frauen wird die Möglichkeit genommen, auf sicherere Arbeitsplätze mit bestehenden Hygienemaßnahmen zurückzugreifen.“

Corona könnte auch langfristig dazu führen, dass sich die Prostitution wieder zurück in den schwer kontrollierbaren illegalen Sektor verschiebt: „Je länger die Frauen so arbeiten müssen, desto stärker bilden sich informelle Strukturen heraus“, sagt Henning.

Alle hoffen darauf, dass die Einschränkungen wirklich, wie derzeit geplant, Ende November wieder aufgehoben werden. Ähnlich wie anderen Gewerben machen auch der Erotikbranche vor allem die Unklarheit und das Hin und Her von Öffnung und Schließung zu schaffen. „Das Schlimmste ist, dass eine klare Perspektive fehlt“, sagt Verbandsleiterin Stephanie Klee.

Anders als bei anderen Gewerben allerdings schwebt über allem zusätzlich die Angst, dass die Situation dazu genutzt werden könnte, Prostitution wieder zu verbieten. Bordellbetreiberin Laura formuliert deshalb einen Appell an die Politik: „Nehmen Sie nicht in Kauf, dass diese Branche wieder ins Illegale abrutscht.“