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Zurück zur Normalität? Die Notenbanken bereiten sich auf die Zeit nach Corona vor

Nach dem Ausbruch der Pandemie haben alle Notenbanken die Geldpolitik gelockert. Nun befasst sich der Markt damit, wer zuerst umsteuert. Mehrere Währungshüter geben bereits Signale.

Fast nichts ist für Notenbanker schwieriger als ein Kurswechsel. Diese leidvolle Erfahrung hat der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke 2013 gemacht. Damals hatten sich die Märkte an eine immer weitere Lockerung der Geldpolitik gewöhnt. Als Bernanke dann überraschend einen anderen Ton anschlug und ein Auslaufen der Anleihekäufe in den USA in Aussicht stellte, löste er schwere Turbolenzen an den Märkten aus.

Das sogenannte „Taper Tantrum“ – eine Art Wutanfall der Märkte – wirkt bis heute nach. Auch in der Corona-Pandemie haben die Notenbanken die Wirtschaft massiv gestützt. Sie senkten die Zinsen, kaufen in großem Umfang Anleihen oder helfen den Banken mit immer günstigeren Krediten. Auch jetzt ist absehbar, dass sie nicht ewig an dieser Politik festhalten können. Die Türkei hat bereits die Zinsen erhöht, gilt aber als Ausnahmefall. Bald jedoch könnten andere Länder folgen.

Angesichts der besseren wirtschaftlichen Aussichten und zunehmender Warnungen vor einer steigenden Inflation stellt sich die Frage: Wer strafft zuerst die Geldpolitik? Die Antwort wird nicht nur die globalen Kapitalströme stark beeinflussen, sondern auch den Devisenmarkt. Denn Zinsunterschiede zwischen verschiedenen Währungsräumen gelten als einer der wichtigsten Treiber der Wechselkurse.

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Zuletzt sind vor allem die langfristigen Anleiherenditen in den USA deutlich gestiegen. Grund ist das geplante neue Konjunkturpaket in Höhe von 1,9 Billionen Dollar, das Ängste vor einer Überhitzung der US-Wirtschaft und steigender Inflation schürt.

Commerzbank-Devisenexpertin Esther Reichelt sieht bei einer Straffung der Geldpolitik aber nicht die US-Notenbank Fed oder die Europäische Zentralbank (EZB) an vorderster Stelle. „Vorreiter der geldpolitischen Wende werden wahrscheinlich Tschechien und Norwegen sein,“ sagt sie. „In beiden Ländern bereiten die Notenbanken einen Kurswechsel bereits kommunikativ vor.“ Auch einzelne Schwellenländer könnten aus ihrer Sicht schneller umschwenken.

Fed will Kurs beibehalten – Marktzinsen steigen trotzdem

In den USA dagegen gibt es eine zunehmende Diskrepanz zwischen kurz- und langfristigen Zinsen. Erstere kontrolliert die Fed direkt über ihren Leitzins. Hier hat sie signalisiert, dass sie noch lange an ihrer extrem lockeren Geldpolitik festhalten will. Im September hat sie ihre Strategie angepasst und will künftig nach längeren Phasen niedriger Preissteigerungen eine Inflation von über zwei Prozent tolerieren, das heißt, womöglich noch länger als zuvor die Zinsen niedrig lassen.

Bevor eine Zinserhöhung auf die Tagesordnung kommt, würde sie höchstwahrscheinlich zunächst ihre Anleihekäufe in Höhe von monatlich 120 Milliarden Dollar beenden. Selbst an diesen Käufen will sie aber noch länger festhalten. Einzelne Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der Fed rechnen laut der Prognose von Dezember mit einer ersten Zinserhöhung im Jahr 2023 – die meisten gehen aber davon aus, dass sich auch dann noch nichts an den Zinsen ändert.

Anders ist die Lage bei den langfristigen Zinsen, die von den Renditen am Anleihemarkt abhängen. In den vergangenen Wochen hat es einen regelrechten Ausverkauf am US-Anleihemarkt gegeben. Im Gegenzug sind die Renditen langläufiger Anleihen deutlich gestiegen. Am Mittwoch notierte die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen knapp unter 1,3 Prozent – und damit auf dem höchsten Stand seit Februar 2020. Im Dezember lag sie noch bei unter einem Prozent. Die Renditen sind so stark gestiegen, obwohl die Fed ihre Anleihekäufe beibehalten will.

Der Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands IIF, Robin Brooks, erklärt dies auf Twitter damit, dass die USA zur Finanzierung des geplanten neuen Konjunkturpakets deutlich mehr Anleihen ausgeben müssen. Um die zusätzlichen Papiere zu platzieren, wäre es entweder nötig, dass die Fed noch mehr Anleihen kauft oder die Renditen steigen. Aktuell gehen Investoren offenbar davon aus, dass die Fed ihre Käufe nicht ausweitet.

Auch wenn also die Anleiherenditen in den USA steigen, ist die Fed noch weit von einem Kurswechsel entfernt. Das Gleiche gilt für die Europäische Zentralbank (EZB), die erst Ende vergangenen Jahres ihre bestehenden Anleihekäufe bis März 2022 verlängert hat. Vor einem Zinsschritt würde sie wie auch die Fed zunächst ihre Anleihekäufe herunterfahren. Experten wie Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M.M.Warburg, gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen mindestens bis Dezember 2022 auf dem bisherigen Niveau belässt.

Höheres Inflationspotenzial in Tschechien

Ganz anders sieht die Lage in Tschechien aus. „Wir sind mit einer sehr dynamischen Wirtschaft in die Krise eingetreten, die sogar Anzeichen einer Überhitzung zeigte“, sagte der tschechische Notenbankchef Rusnok kürzlich. Das Inflationspotenzial Tschechiens sei „unvergleichlich höher als im Euro-Raum“. Für dieses Jahr stellte er bis zu zwei Zinserhöhungen in Aussicht. In Tschechien herrschte vor Beginn der Pandemie Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel. Dadurch sind die Löhne dort stärker gestiegen.

Damit weicht die tschechische Notenbank deutlich von anderen osteuropäischen Ländern wie Polen und Ungarn ab, die die Geldpolitik zuletzt weiter gelockert haben. Dies war jedoch bereits in der Vergangenheit häufiger so. „Die tschechische Notenbank hat den Ruf, dass sie zu den Verfechtern einer straffen Geldpolitik zählt“, sagt Commerzbank-Expertin Reichelt.

Auch die Devisenexpertin der DZ Bank, Sandra Striffler, rechnet mit einer baldigen Zinserhöhung. „Unserer Einschätzung zufolge dürfte die tschechische Notenbank in diesem Jahr den Leitzins im Verlauf des zweiten Halbjahres um 25 Basispunkte anheben“, schreibt sie in einer Analyse. Erhole sich die tschechische Wirtschaft stärker als bislang erwartet, sei eine weitere Straffung der Geldpolitik gegen Ende des Jahres möglich.

Diese Erwartungen spiegeln sich zum Teil bereits im Kurs der tschechischen Krone. Seit ihrem Tief im April vergangenen Jahres hat sie bereits um über sieben Prozent gegenüber dem Euro aufgewertet, obwohl auch der Euro im selben Zeitraum gegenüber den meisten anderen Währungen deutlich zugelegt hat. Die tschechische Krone notiert aktuell knapp unter der Marke von 26 Kronen je Euro.

Ähnlich wie in Tschechien befasst sich auch in Norwegen die Notenbank mit einer Zinserhöhung. Im Dezember hat sie in ihre Prognose dazu nach vorn gezogen und rechnet nun bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 mit dem ersten Zinsschritt. Laut Notenbankchef Olsen könnte er aber sogar noch früher erfolgen. Manche Analysten rechnen damit bereits Ende dieses Jahres.

Norwegen profitiert derzeit vom steigenden Ölpreis. Für eine schnelle Zinserhöhung sprechen der deutlich bessere wirtschaftliche Ausblick und die vergleichsweise hohe Inflation. Der Anstieg des Verbraucherpreisindexes lag im Dezember zwar nur bei 1,4 Prozent, aber das von der Notenbank bevorzugte Inflationsmaß (bereinigt um Energie- und Steuereffekte) bei rund drei Prozent. Dagegen spricht, dass die norwegische Krone bereits stark aufgewertet hat.

Seit ihrem Tief im März hat sie rund 19 Prozent gegenüber dem Euro an Wert gewonnen. Bei einer frühen Zinserhöhung wäre eine weitere Aufwertung der Krone zu erwarten. Dies birgt wirtschaftliche Risiken, weil dadurch Exporte aus Norwegen auf dem Weltmarkt teurer werden und damit weniger wettbewerbsfähig. Zudem dürfte die höhere Bewertung der Krone ohnehin schon die Inflation dort dämpfen, weil dadurch Importe billiger werden.

Die Fed, die EZB, aber auch die Notenbanken in Norwegen und Tschechien haben einen wichtigen Vorteil: Sie genießen an den Märkten eine hohe Reputation. Ihnen ist über lange Zeit gelungen, die Inflation im Griff zu behalten und die Märkte stabil.

Dagegen hat sich in den Schwellenländern die Erfahrung des Taper Tantrums von 2013 ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Obwohl der Schock damals von den USA ausging, waren die Schwellenländer die wesentlichen Leidtragenden. Sie litten darunter, dass Investoren wegen der Aussicht auf steigende Zinsen in den USA quasi über Nacht ihr Kapital von dort abzogen.

Taper-Tantrum-Erfahrung beeinflusst Schwellenländer

Aus Sicht von Commerzbank-Expertin Esther Reichelt wirkt diese Erfahrung bis heute nach und beeinflusst ihre Geldpolitik. „Unter den Schwellenländern haben zumindest Brasilien, Mexiko und Südafrika die geldpolitische Wende auf dem Schirm“, sagt sie. Diese Länder hätten aus den Erfahrungen des Taper Tantrums gelernt und seien stark auf eine Stabilisierung der Inflation fixiert. „Wer zuerst handeln wird, ist aber schwer vorherzusehen.“

In Mexiko und Südafrika deuteten die Notenbanken zuletzt eher Zurückhaltung oder zunächst sogar weitere Zinssenkungen an. Als heißer Kandidat für eine Erhöhung gilt aber Brasilien. Das Land hat in der Corona-Pandemie die Wirtschaft so stark gestützt wie kaum ein anderes.

Laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds belaufen sich die Maßnahmen auf ein Volumen von etwa 18 Prozent der Wirtschaftsleistung. Brasiliens Wirtschaft hat sich daher im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern besser entwickelt. Im vergangenen Jahr ist sie trotz hoher Corona-Infektionszahlen weniger stark geschrumpft ist als zum Beispiel in Mexiko. Aktuell profitiert Brasilien von den deutlich gestiegenen Rohstoffpreisen und einer anziehenden Industrieproduktion.

Die Kombination aus stark gestiegenen Staatsausgaben und einer sehr lockeren Geldpolitik könnte aber schnell zu höherer Inflation führen. Anzeichen gibt es bereits. So lag die Preissteigerung in Brasilien zuletzt bei über vier Prozent. Ein wichtiger Treiber für die Inflation ist die Schwäche der brasilianischen Währung Real. Im vergangenen Jahr verlor sie etwa 35 Prozent ihres Werts gegenüber dem Dollar. Dadurch werden Importe dort teurer. Es dauert aber, bis sich das voll auf die Inflation durchschlägt.

Die brasilianische Notenbank hat aber bereits im Januar ihre bisherige geldpolitische Orientierung verworfen, was viele Analysten als Zeichen werten, dass sie die Leitzinsen von aktuell 2,0 Prozent bald erhöhen wird.

„Wir erwarten die erste Erhöhung im dritten Quartal und rechnen für Ende 2021 mit einem Zinsniveau von 3,5 Prozent“, heißt es in einer Analyse der britischen Großbank HSBC. Ihre Experten erwarten, dass das Zinsniveau dann bis Ende 2022 auf 4,5 Prozent steigt. Auch die Commerzbank geht davon aus, dass eine Zinserhöhung nach dem jüngsten Schritt der Notenbank „wahrscheinlicher geworden ist“.

Für den brasilianischen Real wäre eine Zinserhöhung tendenziell positiv. Viele Devisenexperten rechnen damit, dass er wieder an Wert gewinnt. Aktuell notiert er bei etwa 5,40 Real pro US-Dollar. HSBC erwartet zum Beispiel, dass er bis Jahresende steigt und ein Dollar dann nur noch 4,75 Real kostet. Es gibt jedoch auch skeptischere Stimmen. Die Commerzbank warnt vor Risiken durch die stark gestiegenen Staatsschulden und die Inflation. Dies mache den Real anfällig für Korrekturen.

In jedem Fall aber gehört Brasilien zu den Ländern, die zuerst die Zinsen erhöhen könnten. Noch ist offen, wer nach der Türkei den ersten Schritt wagt. Anders als nach der Finanzkrise wird die Fed aber nach aktuellem Stand wohl nicht zu den Vorreitern zählen.