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Zeiss-Chef hört 2020 auf – und erklärt seine Erfolgsformel für den Optikkonzern

Nach 19 Jahren im Vorstand verlässt Michael Kaschke den Optikkonzern. Im Interview lässt der Manager seine Karriere Revue passieren.

Der Optik- und Halbleiterkonzern Carl Zeiss sieht sich gut für die Konjunkturabschwächung gerüstet. „Es läuft mit dem zehnten Rekordjahr in Folge richtig gut“, sagt Vorstandschef Michael Kaschke im Interview mit dem Handelsblatt kurz vor Ablauf des Geschäftsjahres. „Unser Portfolio ist in sich weniger anfällig als bei vielen anderen Unternehmen.“ Selbst in der Finanzkrise sei die Medizintechnik noch um sechs Prozent gewachsen.

Kaschke hat in seiner Amtszeit den Stiftungskonzern auf vier gleichstarke Säulen gestellt. Medizintechnik, Halbleitertechnik, Messtechnik und Konsumgüter (unter anderem Brillengläser) erzielten im Vorjahr knapp sechs Milliarden Euro Umsatz und mehr als eine halbe Milliarde Euro Gewinn. Im Interview macht Kaschke erstmals öffentlich, dass er nächstes Jahr die Führung abgeben wird.

„Ich bin mit dem, was ich bei Zeiss bewirken durfte und konnte, zufrieden. Ich werde im kommenden Jahr als CEO aufhören. Das steht intern schon fest und ist der richtige Zeitpunkt“, sagte Kaschke. Zu seiner Nachfolge äußerte er sich noch nicht. Mit ihm geht im Jahr 30 nach der Wende der wohl in Deutschland erfolgreichste Industriemanager mit ostdeutschen Wurzeln. Kaschke ist zudem Aufsichtsrat bei Bosch, Henkel und der Telekom.

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Als Erfolgsrezept nennt Kaschke Kooperation auch in der Entwicklung. „Heute geht es gar nicht mehr, dass man sich in der Wirtschaft nicht als Teil eines globalen Netzwerkes versteht“, betont der Zeiss-Chef. „Unsere Entwicklung wäre sonst in China nicht möglich gewesen. China wird in diesem Jahr mit den USA als unserem bisher größten Auslandsmarkt gleichziehen.“

30 Jahre nach der Wende hadert Kaschke etwas mit dem in Ostdeutschland insgesamt durch die Wiedervereinigung Erreichten: „Aber zumindest zeigt das Beispiel Zeiss in Jena, dass trotz großer Einschnitte vielleicht auch an anderen Stellen etwas mehr möglich gewesen wäre.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Kaschke, Sie haben es nach weit oben in der deutschen Industrie geschafft, führen mit Zeiss ein High-Tech-Unternehmen mit über sechs Milliarden Euro Umsatz und 30.000 Beschäftigten. Zudem ist Ihre Expertise als Aufsichtsrat bei den Unternehmen Bosch, Henkel und Deutsche Telekom gefragt, ebenso wie im Wissenschaftsrat 30 Jahre nach der Wende. Bitte ein kurzes persönliches Resümee aus Ihrer speziellen Sicht?
Ich war 32 Jahre alt, als die Wende kam, hatte meinen naturwissenschaftlichen Abschluss gerade fertig und konnte durchstarten.

Flugzeuge, die eine Bruchlandung verhindern wollen, starten durch.
Na, dann passt das Bild ja. Ich konnte dank einer exzellenten naturwissenschaftlichen Ausbildung, die ich meinen Eltern und meinen Professoren in Jena zu verdanken habe, durchstarten. Es war wichtig, nicht zu verharren und abzuwarten, sondern rauszugehen und Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Das ist aber nicht jedem gelungen.
Für eine Generation, die damals zwanzig Jahre älter als ich war, war das sicher wesentlich schwieriger. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum es mancher nicht geschafft hat. Und für die Generation zehn Jahre jünger spielt die Herkunft zum Glück ja keine Rolle mehr.

Sind Sie stolz auf Ihre Herkunft?
Ich bin in Greiz in Thüringen geboren, wo meine Mutter herstammt. Mein Vater kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg aus Sudetendeutschland in die Region. Während meiner Schulzeit haben wir in Dresden gewohnt. Die Stadt war für mich sehr prägend. Dresden war die einzige Großstadt im Osten, die damals kein Westfernsehen hatte. Internet gab es ja auch noch nicht. Für viele galt sie daher als etwas abgeschnitten. Das stimmte aber nicht, es gab im Gegenteil eine sehr aktive Kulturszene. Man musste aber aktiv sein, konnte nicht nur passiv konsumieren.

Und was kam dann?
Die zweite prägende Phase war dann das Studium in Jena mit der Tiefe in der Physik, aber ich habe dort auch Kurse in Anglistik und Kunstgeschichte belegt. Ich hatte ja mit der Optik in Jena das Glück, an Instituten mit Professoren zu arbeiten, die einen hervorragenden internationalen Ruf genossen. Das Ost-Kombinat Carl Zeiss Jena hatte auch so eine Bedeutung, dass es die besten Leute anzog. Die Symbiose von Zeiss und der Universität gab es auch schon in der DDR. Anders als heute, aber mit ähnlicher Wirkung.

Englischkenntnisse sollten sich ja dann auszahlen?
Ja, dann in der dritten wichtigen Phase für mich. Kurz nach der Wende wurde ich Anfang 1990 aufgrund meiner wissenschaftlichen Arbeit als „Invited Visiting Scientist“ in das IBM-Forschungs-Zentrum in Yorktown Heights bei New York eingeladen. Eine andere Sprache, ein fremdes Land und ich ging mit meiner Frau und zwei kleinen Kindern dort hin. Es war ein Aufbruch.

Wie empfanden Sie diesen Perspektivwechsel im Zeitraffer?
Es war ein Riesenvorteil. Ich konnte von Amerika auf Ost- und Westdeutschland schauen und war nicht mehr auf die interne Ost-West-Perspektive beschränkt. Das hat meiner Entwicklung sicher geholfen. Aus dieser Erfahrung heraus fordere ich auch heute oft von meinen Mitarbeitern, die Perspektive immer wieder mal zu wechseln.

Existenzängste hatten Sie nicht?
Mich trieb eher die Frage um, bleibe ich in der Wissenschaft oder gehe ich in die Industrie. Da war der Forschungscampus von IBM mit all seinen Nobelpreisträgern und der hervorragenden Ausstattung eine gute Wahl.

Und warum blieben Sie nicht bei IBM?
1992 wollten wir als Familie doch lieber zurück nach Deutschland.

Und warum nicht nach Jena?
Mein Einstieg war bei Zeiss in der zentralen Forschung, die damals in Oberkochen war. So bin ich schrittweise in die Wirtschaft gekommen. Nicht mit ganz festen Vorstellungen und Plänen, wie andere, die nach dem Studium sich ganz bewusst für eine Industriekarriere entscheiden.

Was meinen Sie damit?
Mitte der 90er-Jahre steckte Zeiss ja tief in der Krise. Und da hatten es die Forschungsabteilungen auch nicht mehr so einfach. Man musste seine Forschung genau begründen und darstellen, welche wirtschaftlichen Effekte sie fürs Unternehmen hat. Der Übergang von der Forscher- in die Managementlaufbahn war bei mir getrieben durch diese Erfahrung. Ich habe dann mit 36 Jahren berufsbegleitend ein MBA Studium gemacht, denn ich wollte ja verstehen, wie die wirtschaftliche Seite wirklich denkt.

Aber mit Jena mussten Sie sich dann doch wieder beschäftigen.
Ein Teil des ehemaligen Kombinates in Jena ist zum Stiftungsunternehmen Carl Zeiss in den Westen gekommen, der andere wurde zu Jenoptik. Die Teile, die zu Carl Zeiss kamen, mussten integriert werden. Ich durfte das für die Bereiche Geodäsie und später dann für die Medizintechnik führen.

Damit steckten Sie mittendrin in einem wichtigen Kapitel der deutsch-deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Ja, sicherlich. Entscheidend war, dass man die Bereiche aus Jena nicht als verlängerte Werkbank gesehen hat, sondern als vollwertige Unternehmensteile mit Forschung und Geschäftsverantwortung in Jena. Diese Entscheidung erforderte viel Mut, es gab ja keine Blaupause für eine solche Aufgabe, und ich ziehe den Hut vor meinen Vorgängern im Amt für diese Entscheidungen.

Das muss Sie ja persönlich gefreut haben?
Da geht es nicht um mich. Es war wichtig, dass in Jena investiert wurde und auch durch Abspaltungen in Jena viele kleinere Firmen entstehen konnten. Im Kontext mit der Universität ist so ein funktionierendes Cluster entstanden, das von vielen als Leuchtturm des Ostens betrachtet wird.

Lothar Späth, der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, war da ja nicht ganz unbeteiligt als Jenoptik-Chef?
Er war sehr wichtig, weil er als ehemaliger Politiker immer auch über das Unternehmen Jenoptik hinausgedacht hat.

Gab es auch Kooperationen mit der Jenoptik?
Für mich war es immer im Berufsleben wichtig, Partner zu finden, mit denen man etwas bewegen kann. So haben wir zum Beispiel 2001 mit dem damaligen Finanzchef der Jenoptik, Alexander von Witzleben, die Einbringung unseres Medizintechnikgeschäftes in die börsennotierte Asclepion Meditec verhandelt. So entstand die mehrheitlich zu Zeiss gehörende Carl Zeiss Meditec AG. Wir kreierten damit den ersten Reverse-IPO in Deutschland.

Mit welchen Folgen?
Direkt nach dem Platzen der Neuen-Markt-Blase 2001 ging ja nicht viel an der Börse und wir haben dennoch diesen kreativen Schritt gemacht. Die Carl Zeiss Meditec AG hatte nach Erstnotierung 2002 einen Börsenwert von 280 Millionen Euro.

Und heute?
Jetzt sind wir bei über neun Milliarden Euro, eine phantastische Wertsteigerung. Carl Zeiss Meditec ist eine der wirklich erfolgreichen Börsenstories in Deutschland der letzten zehn bis 15 Jahre. Und es war schon etwas verwegen damals, mit der Medizintechnik an die Börse zu gehen, denn es war vor der Stiftungsreform von Zeiss.

Ohne ins Detail zu gehen, wie wichtig war die Stiftungsreform 2004?
Enorm, ohne sie wäre Zeiss nicht das Unternehmen, das wir heute sind. Auch hier gilt meine Hochachtung all denen, die dieses Riesenprojekt angestoßen und umgesetzt haben. Wir haben dadurch Freiräume bekommen, die wir konsequent genutzt haben. Wir sind ja eine Gruppe mit vier in etwa gleichgroßen Unternehmensteilen mit jeweils um die 1,5 Milliarden Euro Umsatz, die mittelständisch geführt, nah am Markt agieren, in zum Teil sehr unterschiedlichen Bereichen, aber mit vielen Synergien und vor allem einer gemeinsamen, starken Marke.

Wie wichtig ist die einheitliche Marke?
Sehr, das musste ich auch erst lernen. In den vergangenen zehn Jahren habe ich mich intensiv mit Markenführung beschäftigt.

Für Sie als Physiker ja nicht gerade ein Heimspiel. Sie haben mal gesagt, als Physiker nähert man sich dem Unternehmen anders. Was heißt das?
Der Physiker startet immer mit einer genauen Problemanalyse und -beschreibung, so wird man im Studium konditioniert. Und ich bin überzeugt, dass 50 Prozent der Lösung eines Problems bereits in der richtigen Beschreibung des Problems liegt. Anders herum, wenn sie das Problem nicht richtig beschreiben, werden sie auch nicht die richtige Lösung finden.

Und was heißt beschreiben?
Strukturieren, analysieren, modellieren. Das lernt man als Physiker sehr gut. Und das ist in Technologieunternehmen eine gute Methode für viele Fragestellungen. Man wirft uns Physikern oft – nicht ganz unberechtigt – vor, dass wir zu rational sind, zu analytisch. Deshalb war es für mich wichtig, Emotionen, Akzeptanz und Perzeption, die in der Markenführung und Mitarbeiterführung wichtig sind, mit der Analytik zu paaren. Aber das war und ist für ein ingenieurgetriebenes Unternehmen wie Zeiss auch insgesamt ein Lernprozess.

Sie haben vor einigen Jahren die Militärtechnik verkauft. War das wegen der weichen Faktoren?
Wir haben uns zu einem Unternehmen mit gutem Portfoliomanagement entwickelt. Wir waren in der Militärtechnik zu klein; hätten viel investieren müssen und vielleicht irgendwann auch Probleme mit unserer Marke bekommen. Insofern war die Trennung eine relativ klare Entscheidung für uns.

Sie investieren lieber in andere Dinge. Gut zehn Prozent vom Umsatz geben Sie für Forschung und Entwicklung aus, um technologisch vorne zu sein. Was sind denn Ihre drei heißesten Innovationen?
Sicherlich die EUV-Lithographie, die modernste Halbleiterchipfertigungstechnologie. Ohne diese mit „Extremem Ultravioletten Licht“ (EUV) arbeitenden Strukturierungstechnologie würde es die nächste Chipgeneration mit noch mehr Leistung und noch weniger Energieverbrauch nicht geben. Ebenso so spannend finde ich unsere Medizintechnik, mit der wir heute beispielsweise Augenkrankheiten behandeln können, die man vor zwanzig Jahren noch gar nicht erkennen und schon gar nicht behandeln konnte. Ganz aktuell sind natürlich auch unsere sogenannten Smart Glasses.

Das müssen Sie erklären.
Wir kommen ja aus der Optik und versuchen da grundlegende Technologien voranzutreiben. Dazu zählt die mikrostrukturierte Optik, bei der sie nicht mehr mit Linsen oder Spiegeln arbeiten, sondern Mikro- und Nanostrukturen auf die Oberfläche von Gläsern bringen und diese damit „sehend“ machen können oder sie als Projektionsflächen benutzen. Bei Smart Glasses wird die Glasscheibe dann wahlweise zur Kamera oder zum Sensor und Display, beides geht. Ich persönlich finde besonders die Sensorfunktion ganz spannend.

Wann ist so etwas marktreif?
In der reinen Technologie dauert so etwas zehn Jahre bis zum breiten Markterfolg. Aber wir stehen bei Smart Glasses erst am Anfang. In der Medizintechnik sind es wegen der klinischen Erprobung im Schnitt fünf Jahre mehr. Break-Through-Technologien wie EUV, die ganze Industrien verändern, brauchen fast 20 Jahre. Und ganz sicher kann man bei solchen Innovationen nie sein.

Dagegen würde die heutige Google-Brille alt aussehen.
Ja, aber ich bin da vorsichtig. Es gibt ja immer so Hype-Technologien, die dann die Erwartungen doch nicht erfüllen. Es kommt auch auf Timing und die Applikation an. Dennoch sehen wir da sehr viel Potenzial.

Wie viele Ihrer Produkte sind unter fünf Jahre alt?
Wir zählen nur die Produkte unter drei Jahren und das sind im Schnitt 40 Prozent. Allerdings ist es immer etwas schwierig einzuordnen, wenn nur die Software erneuert wird.

Wie hoch ist denn der Anteil der Softwareentwickler?
In Medizin- und Messtechnik geht es mittlerweile Richtung 50 Prozent.

Das ist aber schon ein Paradigmenwechsel.
Wir wollen ja kein Softwareunternehmen werden, aber wir wollen unsere technischen Systeme mit Mehrwert ausstatten, vernetzen und auf den vernetzten Systemen Softwareapplikationen und auch Services aufsetzen und anbieten. Das ist eine Evolution für das Unternehmen, keine Revolution.

Und so verhindern Sie, dass sich da keiner zwischen Sie und Ihren Kunden zwängt.
Der Ansatz ist wohl zwingend logisch und ein kernstrategisches Element für Zeiss in den nächsten Jahren. Meines Erachtens machen da viele Unternehmen noch zu wenig, besonders im Mittelstand.

Die EUV-Technologie ist aber auch ein besonderes Beispiel für Kooperation. Trumpf liefert die Laserlichtquelle, Zeiss die Optik mit Hightech-Spiegeln für den niederländischen Hersteller von Anlagen zur Chip-Belichtung ASML. „Es fühlt sich an, wie eine Firma“, sagte kürzlich Trumpf-Chef Peter Leibinger.
Das stimmt. Das ist ein besonders erfolgreiches Beispiel von europäischer Industriekooperation, die weltweit die Spitzenposition errungen hat. Und das auch ganz ohne Staatseinfluss und Dirigismus. Dabei war die Umsetzung der Technologie bis zum Erfolg hochriskant und hat auch länger gedauert als geplant. Die Speerspitzen der Innovation waren dabei die Optik und die EUV Lichtquelle. Die hochqualitative Abbildung mittels Röntgenstrahlen war absolutes technisches Neuland. Deshalb begannen die ersten Entwicklungen schon vor ungefähr 20 Jahren. Irgendwann waren die finanziellen Risiken für uns allein zu groß. Das war der Grund für die Minderheitsbeteiligung von ASML an unserem Tochterunternehmen Carl Zeiss SMT. Das hat dann noch einmal einen richtigen Schub und eine Beschleunigung gegeben. Dass wir all diese Herausforderungen gemeinsam zu dritt geschafft haben, das ging nur auf Basis von gegenseitigem Vertrauen, Verlässlichkeit und Durchhaltevermögen.

Es hat zwar fast drei Jahre länger gedauert als geplant, aber jetzt sind Sie als Mittelständler am Puls der Chipindustrie. Wie fühlt sich das an?
ASML ist der klare Marktführer mit seinen Anlagen, für die wir die wichtigsten optischen Komponenten exklusiv liefern. Alle großen Chiphersteller wie Intel, Samsung, TSMC, Hynix oder auch Infineon setzen inzwischen auf die Technologie von ASML und Zeiss. Wir sehen uns deshalb in dieser Technologie bis 2030 hervorragend positioniert.

Naja, Sie sind mit ASML quasi Monopolist bis auf einen kleinen japanischen Marktanteil. Haben Sie nicht Angst, dass Donald Trump das auch noch entdeckt?
Die USA haben ja selbst keine Halbleiter-Lithografie mehr. Insofern tun alle gut daran, die offenen Märkte, die wir heute in der Halbleitertechnologie haben, zu verteidigen. Der Fortschritt in der Welt hängt nun mal heute stark an der Digitalisierung. Ich persönlich halte Handelsbeschränkungen und Embargos jedweder Art für einen Irrweg.

Es bleibt ein Restrisiko für Zeiss?
Ja, aber wir haben unser Portfolio in den vergangenen Jahren sehr gut austariert und Wachstum und Profitabilität auf vier fast gleichstarken Säulen. Früher waren wir viel stärker von der Halbleitertechnologie abhängig. Derzeit läuft unser Vierzylinder ganz rund.

Und wie sichern Sie den Rundlauf ab?
Unter anderem mit einer konsequenten und im Unternehmen breit etablierten Strategieentwicklung. Dazu arbeiten wir seit zehn Jahren mit der Harvard Business School zusammen und waren zum wiederholten Male mit unseren Top 100 Führungskräften in Boston, um an Zeiss Business Themen wichtige Trends für unser Geschäft zu erkennen. Beispielsweise haben wir diskutiert, wie die Medizintechnik Effizienz im Gesundheitswesen erzeugen kann, gerade wenn es in alternden Bevölkerungen immer mehr Patienten geben wird. Wir haben auch die Chancen und Potenziale unserer Qualitätsmesstechnik für die Industrie 4.0 analysiert. Mit dieser Vorgehensweise wollen wir es schaffen, auch weiterhin in allen unseren Bereichen stärker als der Markt zu wachsen. Die richtigen Innovationen leitet man eben aus einer guten Analyse ab.

Da sind wir wieder beim Physiker.
Na ja, ich kann eben nicht aus meiner Haut. Das ist meine Denkhaltung und die passt auch ganz gut zur Kultur des Unternehmens.

Also keine Entscheidungen aus dem Bauch.
So würde ich es nicht sagen. Die Trendanalyse entsteht ja nicht nur in der Strategieabteilung, sondern auch beim Kunden und im täglichen Leben. Ich gehe immer noch gerne zu Kunden und auf Fachmessen, um mir Anregungen zu holen. Zum Schluss braucht man bei aller Ratio auch etwas Bauchgefühl.

Woanders kippt der Markt etwa in der Autoindustrie. Beunruhigt Sie das?
Bei Zeiss läuft es mit dem zehnten Rekordjahr in Folge richtig gut. Ich will jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass wir immun sind. Aber unser Portfolio ist in sich weniger anfällig als bei vielen anderen Unternehmen. Selbst in der Finanzkrise ist die Medizintechnik noch um sechs Prozent gewachsen, da zum Beispiel Länder in Asien gerade in dieser Phase auch aktiv in die Gesundheitsversorgung investiert haben.

Klingt etwas nach Ausbeutung dieser Märkte.
Keineswegs. Nur dort einfach nur zu verkaufen, das geht schon längst nicht mehr. Man muss auch die anderen mehr am Kuchen teilhaben lassen. Beispielsweise, dass man Partnerschaften für die Entwicklung spezieller Geräte für den Bedarf vor Ort entwickelt. Das gilt insbesondere für Länder wie China und Indien.

Schaufelt sich die Globalisierung nicht gerade selbst ihr Grab?
Spätestens seit der Finanzkrise wissen wir, dass wir in der Globalisierung nicht auf einer Insel der Glückseeligen wohnen. Heute geht es gar nicht mehr, dass man sich in der Wirtschaft nicht als Teil eines globalen Netzwerkes versteht. Deshalb haben wir uns bei Zeiss längst geändert. Unsere Entwicklung wäre sonst in China nicht möglich gewesen. China wird in diesem Jahr mit den USA als unseren bisher größten Auslandsmarkt gleichziehen.

Und was hat sich in der Firmenkultur geändert?
Vor 20 Jahren galten wir als etwas verschlafenes Stiftungsunternehmen. Die Zeiten sind längst vorbei. Das reflektieren mir Kunden und viele junge Mitarbeiter. Das gibt mir Mut. Ich bin stolz, dass wir mit unserem Portfolio und mit einem guten, dynamischen und internationalen Team – mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter arbeiten außerhalb Deutschlands – eine deutlich höhere Beweglichkeit erreicht haben. Das merken wir auch an den vielen Bewerbungen, die wir bekommen. Unsere Attraktivität für junge Talente und Professionals ist gemessen an unserer Größe überdurchschnittlich hoch, wie wir auch bei den einschlägigen Rankings sehen können.

Hätte man vor 30 Jahren mehr Partnerschaftlichkeit bei der Wiedervereinigung gebraucht?
Schwer zu sagen. Aber zumindest zeigt das Beispiel Zeiss in Jena, dass trotz großer Einschnitte vielleicht auch an anderen Stellen etwas mehr möglich gewesen wäre.

Und wie sieht Ihre persönliche Planung aus?
Ich bin mit dem, was ich bei Zeiss bewirken durfte und konnte, zufrieden. Ich werde im kommenden Jahr wie geplant als CEO aufhören. Das steht intern schon fest und ist der richtige Zeitpunkt. Und um der Frage vorzubeugen, zum möglichen Nachfolger sage ich noch nichts.

Wann geht denn heute Ihr Flugzeug?
Ich denke gleich.

Dafür wirken Sie aber ziemlich ruhig.
Im Unternehmen gibt es schon einen Running Gag: Kaschke bekommt jedes Mal von der Lufthansa einen Blumenstrauß, wenn er pünktlich zum Flieger kommt.

Schon mal einen verpasst?
Sehr selten, ich glaube zweimal in den letzten 20 Jahren.
Guten Flug und vielen Dank für das Gespräch.