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Was wir wissen - und was nicht

Mindestens vier Tote und zahlreiche Verletzte: Der Anschlag in London erschüttert Europa. Am Tag danach sind noch zahlreiche Fragen offen. Ein Überblick über gesicherte Informationen und Vermutungen.

Dieser Artikel gibt die Lage bis zum Donnerstagmittag wieder. Einen aktuellen Überblick über die Ereignisse finden Sie hier.

Der 22. März 2017 wurde für London binnen Sekunden zum Albtraum. Um 14.40 Uhr Ortszeit wurde Realität, was die Bürger der britischen Hauptstadt schon lange gefürchtet hatten. Zwei Attacken im Herzen des Londoner Regierungsviertels kosteten vier Menschen das Leben, darunter der mutmaßlichen Attentäter. Rund 40 Menschen wurden verletzt. Das war ein "kranker und verkommener Anschlag", erklärte die britische Premierministerin Theresa May noch am Abend.

Und so viel ist gewiss: "Die Folgen dieses Tages werden noch lange nachwirken", schildert WirtschaftsWoche-Korrespondentin Yvonne Esterházy ihre Eindrücke aus London. Die Unsicherheit ist groß - und viele Frage sind noch offen. Die aktuellen Entwicklungen können Sie in diesem Text verfolgen.

Ein Überblick über gesicherte Informationen und Vermutungen:

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Was wir sicher wissen

- Der Täter: Scotland Yard geht von einem Einzeltäter aus, der „vom internationalen Terrorismus inspiriert wurde“. Die Polizei meint nach Angaben eines Sprechers zu wissen, wer der Angreifer war, machte aber bislang keine Angaben zur Identität. Für den Anschlag benutzte er ein Auto, bewaffnet war er laut Scotland Yard mit „zwei langen Messern“.

- Die Tat: Die Polizei nahm Ermittlungen wegen Terrorverdachts auf. Nach Angaben der Polizei raste der Täter mit einem Auto in Passanten auf der Westminster-Brücke. Er sprang aus dem Wagen, nachdem er mit dem grauen Hyundai i40 in den Zaun des Parlamentsgebäudes gekracht war, drang auf das Gelände des Parlaments vor und stach einen unbewaffneten Polizisten nieder. Anschließend wurde er von einem anderen Beamten erschossen.

- Die Opfer: Es gab mindestens vier Tote, darunter ist der Attentäter. Die Todesopfer sind zwei Passanten sowie der niedergestochene Polizist - ein 48-jähriger Beamter, laut Scotland Yard „Ehemann und Vater“. Rund 40 Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt, einige trugen „katastrophale Verletzungen“ davon. Die Verletzten, darunter auch Schüler, seien „verschiedener Nationalität“. Nach offiziellen Angaben sind mindestens drei französische Schüler unter den Verletzten und zwei rumänische Staatsbürger. Unter den Schwerverletzten sind auch zwei Polizisten.

Was wir nicht (genau) wissen

- Hintergrund der Tat: Der Angriff wird von der Polizei als Terrorattacke behandelt. Nach Einschätzungen von Terrorismus-Experten deutet alles auf einen islamistischen Hintergrund hin. Die Polizei spricht bislang davon, dass der Täter vom „internationalen Terrorismus inspiriert wurde“.

- Identität des Täters: Die Polizei hat bisher keinen Namen genannt, auch wenn sie nach Angaben eines Sprechers zu wissen meint, wer der Täter ist. Auch zur Nationalität des Attentäters machte sie bislang keine Angaben. Fraglich ist, ob der Mann den Behörden bereits einschlägig bekannt war.

- Mögliche Mittäter: Scotland Yard vermutet, dass es sich um einen Einzeltäter gehandelt hat, schließt aber Mitwisser oder Mittäter nicht aus. Im Fokus der Ermittlungen stehen laut dem Sprecher „Motivation, Vorbereitungen und seine Komplizen“. Am Donnerstag hat die Polizei jedoch sieben Verdächtige bei Razzien festgenommen. Die Durchsuchungen stünden im Zusammenhang mit der Attacke vom Vortag, teilte die Londoner Polizei mit.

- Verbindung: Ob der Attentäter eine Verbindung zu internationalen Terrororganisationen wie den Islamischer Staat (IS) hatte, ist völlig offen. „War er nur inspiriert oder gab es eine engere Verbindung?“, fragt der Terrorismusexperte Peter Neumann. Hierüber könne nur ein „Statement“ des IS Auskunft geben oder ein „Video“ - falls ein solches im Internet auftaucht.

- Vorgehen der Polizei: Zu ihrer Ermittlungsarbeit macht die Polizei aus taktischen Gründen keine Angaben zu dem Täter. Sie ermittelt aber mit Hochdruck. Bei den Razzien am Donnerstagmorgen seien sechs Adressen durchsucht worden. Medien hatten zuvor von einer Durchsuchung eines Gebäudes in Birmingham berichtet. Weitere Einzelheiten waren nicht bekannt.

KONTEXT

Pressestimmen zu den Anschlägen von London

The Independent

„In den vergangenen Monaten ist die Rhetorik der religiösen und ethnischen Spaltung weltweit lauter geworden - angesichts der jüngsten Verluste der IS-Terrormiliz auf dem Schlachtfeld ist das vielleicht paradox. Die Bemerkungen von US-Präsident Trump über Muslime und sein Versuch, einen Einreisestopp gegen sie zu verhängen, haben die Spannungen verschärft. Der diplomatische Streit der Türkei mit Deutschland und den Niederlanden führte dahin, dass der türkische Präsident Erdogan von einem „heiligen Krieg“ in Europa redet. Hass facht Terrorismus an, doch er wird auch in wachsendem Maße zu einer politischen Währung. Diese jüngste Gräueltat darf nicht zur Rechtfertigung weiterer rhetorischer Exzesse dienen.

Wie immer besteht die richtige Reaktion auf Terroranschläge darin, zuerst an die Opfer zu denken, die dabei getötet oder verletzt wurden, zu trauern und all jene zu unterstützen, die von dieser sinnlosen Gewalt getroffen wurden. Doch mehr noch als das müssen wir als Gesellschaft mit dem normalen Leben weitermachen, einander Stärke geben und vereint gegen Extremismus in allen seinen Formen vorgehen.“

NZZ

„Was wird Großbritannien aus diesem traumatischen Ereignis machen? Die Betroffenheit und die Solidarität sind groß, doch ebenso groß ist die Entschlossenheit, das Leben im gewohnten Rahmen fortzusetzen. Die britische Gesellschaft wird sich durch solche Gewaltakte nicht verunsichern lassen. Dafür ist das Selbstverständnis als traditionelles Bollwerk für Freiheit, Demokratie und Wehrhaftigkeit in der Bevölkerung viel zu stark verankert.

Ein weiterer Gedanke ist tröstlich: Anschläge wie dieser könnten jeden Tag an zahllosen Orten des Landes durchgeführt werden. Dass es nicht viel häufiger passiert, belegt, dass die Sicherheitskräfte und Nachrichtendienste bei der Terrorbekämpfung gut arbeiten. Denn dass Großbritannien mit seinem Selbstverständnis als westliche Großmacht und nach den jüngsten Kriegseinsätzen im Nahen Osten eine prominente Zielscheibe für islamistische Anschläge ist, ist unbestritten.“

De Standaard

„Die Gesellschaft kann nicht jedes Risiko ausschließen. Es gibt kein Sicherheitssystem, das nicht - und sei es auch nur für einen Augenblick - von einem Terroristen überwunden werden kann, der bereit ist, bei seinem Anschlag zu sterben. Damit zu leben müssen wir nicht mehr lernen, das haben wir inzwischen akzeptieren und einkalkulieren müssen. (...)

Auf den ersten Blick scheinen die Terroristen im Vorteil zu sein. Nichts ist leichter, als den gewohnten Gang der Dinge mit blinder Gewalt zu stören. Aber es hat sich mittlerweile auch gezeigt, dass sich nichts schneller verschleißt, als so ein Anschlag auf den Alltag. Das soll nicht das Leid der Überlebenden und ihres Umfelds relativieren. Ihr Leben ist für alle Zeit erschüttert, oft gar zerstört. Das Mitgefühl mit ihnen wird nicht geschmälert durch den festen Willen der Gesellschaft, weiterzumachen und sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.“

Guardian

„Das direkte Ziel dieses Angriffs vor dem Parlament war das Herz der britischen Demokratie. Vielleicht war sogar beabsichtigt, die Premierministerin persönlich zu treffen. Der Tag mit der Fragestunde der Premierministerin im Unterhaus ist der einzige, an dem ihr öffentliches Auftreten allen lange bekannt ist. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass dieser Angriff - ähnlich wie jener in Berlin kurz vor Weihnachten - einfach ein Versuch war, ein europäisches Machtzentrum zu treffen. (...) Dieser neue Angriff war lange erwartet worden. Er ist kein Akt des Krieges. Wir dürfen nicht zulassen, dass er uns auseinandertreibt. Das Ziel des Terrors ist es, Hass und Spaltung zu verbreiten. Der erste Schutz davor muss unsere Solidarität sein.“

The Times

„Westminister Palace, das Herz der britischen Demokratie, ist angegriffen worden. Nicht mit einer ausgeklügelten Cyberoperation, sondern mit den plumpesten Waffen: einem rasenden Auto, das von einem Mann mit einem Messer gesteuert wurde. Die Spur der Toten und Verletzten reichte von der Westminster Bridge bis zu den Toren des Parlaments - als ein Zeichen, wie sehr die Kriege der Welt heutzutage unsere Art zu leben beeinträchtigen. (...) Obwohl man erst wenig über den Hintergrund des Angriffs in Westminister weiß, ist klar, dass er Merkmale der Aktion eines „einsamen Wolfs“ aufweist, wozu die zahlreichen Propagandakanäle der Terrororganisation IS ständig auffordern. Am Tag der Bastille im vergangen Jahr hat ein Lastwagenfahrer in Nizza 86 Menschen getötet. Einige Monate später wurde in Berlin ein gestohlener Lkw in einen Weihnachtsmarkt gesteuert, wobei 12 Menschen getötet und 56 weitere verletzt wurden. Das Niederwalzen von Unschuldigen hatte gestern zwar ein geringeres Ausmaß, aber die Absicht war klar: Ein nationales Symbol sollte getroffen werden, um Verachtung für demokratische Traditionen zu zeigen.“

Lidove noviny

Zum Terroranschlag in London schreibt die konservative Zeitung „Lidove noviny“ aus Tschechien:

„Wir wissen noch nicht, was den Täter von London bewegt hat. Möglicherweise war er Mitglied einer Terrororganisation. Oder es war jemand, der sich radikalisiert hat. Oder ein Mensch, der durchgedreht ist. In jedem Fall war es ein Terrorakt - im ursprünglichen Wortsinn, Angst zu verbreiten. (...) Es gibt kein schnelles und wirksames Rezept dagegen. Vielleicht würde es für den Anfang genügen, wenn man aufhören würde, den Populismus als Symbol für alles Böse zu brandmarken. Sicherlich ist Hysterie eine irrationale, unheilvolle und gefährliche Sache. Doch sie wird weniger von den Populisten, als vielmehr von Gefahren wie dieser ausgelöst, die immer bedrohlicher werden.“

Républicain Lorrain

Zum Terroranschlag in London schreibt die französische Regionalzeitung „Le Républicain Lorrain“ (Metz):

„Der Krieg der Symbole fordert wirkliche Opfer. Gestern hat ein Terrorist in London vorsätzlich Leben ausgelöscht. (Sein) einziges Ziel war, eine Botschaft zu senden: Auch wenn wir geschwächt sind, können wir immer noch das Herz eurer westlichen Hauptstädte angreifen.

Es ist kein Zufall, dass diese schaurige Zeichen genau ein Jahr nach der Tragödie von Brüssel kommt. Es ist ebenfalls kein Zufall, dass der Tag mit dem Treffen der internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat zusammenfällt. (...)

Auch wenn die Koalition Daech (anderer Name für Islamischer Staat) zurückweichen lässt, wird sie rissig. Weder Mossul noch Rakka sind bisher gefallen. In Gedanken sind die regionalen Mächte bereits mit der Aufteilung der Ruinen beschäftigt.“

Corriere della Sera

Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ beschäftigt sich mit dem mutmaßlichen Terroranschlag:

„Das Herz von London ist verwundet. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Kriegsakte nach dem Muster des fundamentalistischen Islams vermehrt, die wir nicht sehen wollten. (...) Wir haben versucht, nicht darüber nachzudenken, die Besorgtheit davonzujagen, wir wollten nicht Gefangene der Angst werden. Aber das Attentat von London erinnert uns daran, dass unsere Hoffnungen hohl sind. Dass die Attacken weitergehen, dass der Fluss des Blutes nicht auszudörren ist. (...) Wir laufen Gefahr, uns an den Terror zu gewöhnen und ihn als Teil unseres Lebens zu begreifen, der dazu gehört und nicht ausgemerzt werden kann. (...) Mit London aber, das am Parlament getroffen wurde, ist es noch schwieriger, so zu tun, als wäre nichts gewesen, und als würde man nicht merken, dass dieser einseitige Krieg, ausgelöst durch den religiösen Fanatismus, niemals enden wird. Es ist ein unterschwelliger Krieg, der nicht aufhören wird, Trauer und Schrecken zu sähen.“

El País

Zum Terroranschlag in London schreibt die linksliberale Madrider Zeitung „El País“:

„Der Anschlag auf das Westminster-Parlament ist eine klare Mahnung, dass niemand vor Terroranschlägen gefeit ist (...) Wir stehen vor einem eindeutigen Beweis, dass in dieser globalisierten Welt weder eine Insellage noch die Isolation zusätzlichen Schutz vor Terror bieten. Großbritannien macht zur Zeit einen komplexen und in verschiedener Hinsicht auch traumatischen Prozess der Neubestimmung durch, der sowohl die nationale Identität als auch die internationalen Allianzen betrifft. Der Schock des Terrorismus sollte uns nun alle daran erinnern, dass ungeachtet aller Differenzen in Bezug auf den Brexit, die sehr tiefgreifend und nicht leicht zu überwinden sind, wir einen einzigen Raum der Freiheit, des Wohlstands und der Sicherheit teilen und wir alle die Pflicht haben, diesen zu bewahren.“