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Wirecard-Expansion in China: Die Skrupel der deutschen Botschaft

Während Kanzlerin Merkel sich 2019 in China für Wirecard einsetzte, versagte die deutsche Botschaft in Peking dem Konzern die Unterstützung. Das wirft Fragen auf.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die frühere Unternehmensführung wegen bandenmäßigen Betrugs. Foto: dpa
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die frühere Unternehmensführung wegen bandenmäßigen Betrugs. Foto: dpa

Eines kann man Wirecard nicht nachsagen: schlechte Verbindungen in die Politik. Noch im September 2019 setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei ihrem Staatsbesuch in China für den Konzern ein. Weniger als ein Jahr später, im Juni 2020, war der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München erledigt. Der größte Bilanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte war nicht mehr abzustreiten. In der Rückschau wirkt es erstaunlich, wie unkritisch die Bundesregierung war.

Es gab jedoch auch innerhalb der Regierung kritische Stimmen. So versagte die deutsche Botschaft in Peking dem Konzern die Unterstützung – weil ein Finanzreferent bei der Zeitungslektüre aufgepasst hatte.

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Wirecard hatte unter anderem vor, einen chinesischen Zahlungsdienstleister zu übernehmen und sich so den Zugriff auf wichtige chinesische Lizenzen zu sichern. Im Namen von Wirecard wandte sich darum das Beratungshaus Spitzberg Partners des früheren Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an die Botschaft und bat um Unterstützung des Vorhabens und der Expansion in China.

Solche Unterstützung wurde von der Bundesregierung immer wieder gewährt – in diesem Fall aber nicht. Der Finanzreferent warnte damals den Botschafter Clemens von Goetze, dass mit Wirecard etwas faul sein könnte, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen.

Am 14. November 2019 schrieb der Referent per E-Mail, dass der deutsche Botschafter eine solche Unterstützung aufgrund der Vorwürfe gegen Wirecard „zum jetzigen Zeitpunkt“ ablehne. Erst nach Widerlegung der Vorwürfe könne die Botschaft gegebenenfalls tätig werden.

Erfolgreiches Lobbying

Die Erkenntnisse des Referenten scheinen sich auf Presseberichte gestützt zu haben, es gibt keine Hinweise darauf, dass dem Auswärtigen Amt eigene Informationen zu Wirecard vorlagen.

Seit Januar 2019 hatte die britische Zeitung „Financial Times“ eine ganze Reihe an kritischen Artikeln zur Causa Wirecard verfasst und dem Konzern unter anderem Geldwäsche und betrügerische Bilanzierung vorgeworfen.

Laut „Spiegel“ rief schon im Februar ein Mitarbeiter des Wirtschaftsprüfungsunternehmens EY bei der Abschlussprüferaufsichtsstelle APAS an und gab offenbar Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Wirecard in Asien.

Im Prüfungsbericht für 2018, den EY im April 2019 fertigstellte, werden dem „Spiegel“-Bericht zufolge auf fünf Seiten Sachverhalte thematisiert, „die Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften darstellen oder erkennen lassen“.

Im Oktober 2019 hatte Wirecard selbst die Wirtschaftsgesellschaft KPMG mit einer unabhängigen Untersuchung der Vorgänge beauftragt.

Warum im Kanzleramt anders als im Auswärtigen Amt offenbar niemand stutzig wurde, warum sich Merkel bei Gesprächen in China anders als der Botschafter persönlich für Wirecard einsetzte – das werden Fragen für den Wirecard-Untersuchungsausschuss sein, den der Bundestag eingesetzt hat.

Das Auswärtige Amt unterstützt das Kanzleramt bei Auslandsreisen logistisch. Doch die Entscheidungen, wen die Kanzlerin trifft, welche Fragen sie anspricht, welche Firmeninteressen sie thematisiert, werden im Kanzleramt gefällt.

Im Fall Wirecard spielte Guttenberg eine wichtige Rolle. Guttenberg beriet den Dax-Konzern bei der Expansion nach China. Am 3. September 2019 traf er sich persönlich mit Merkel. Am selben Tag, drei Tage vor dem Abflug nach China, schrieb Guttenberg eine E-Mail an Lars-Hendrik Röller, den Leiter der Wirtschaftsabteilung des Kanzleramts.

Wie der „Spiegel“ berichtete, informierte Guttenberg Röller über den beabsichtigten Markteintritt von Wirecard in China und bat ihn um eine „Flankierung im Rahmen der China-Reise“ der Kanzlerin.

Nach Merkels Rückkehr aus China soll Röller Guttenberg geantwortet haben, dass das Thema bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen und weitere Flankierung zugesagt sei, wie eine Regierungssprecherin bestätigte. Die Übernahme des chinesischen Anbieters AllScore Payment gelang, wie Wirecard im November bekanntgab.

Kontakte zunächst verschwiegen

Der Linken-Finanzexperte Fabio De Masi, einer der Treiber für die Einrichtung des Untersuchungsausschusses, hält den Vorgang für höchst problematisch. „Es ist erstaunlich, dass der Finanzattaché der deutschen Botschaft in Peking besser über die mit Wirecard verbundenen Probleme Bescheid weiß als der wirtschaftspolitische Chefberater der Bundeskanzlerin, Herr Röller. Wenn Röller im Ausschuss nun behauptet, ihm sei die Schwere der Vorwürfe aus der ,Financial Times' nicht klar gewesen, ist das völlig unglaubwürdig.“

De Masi zufolge stellt sich nun die Frage, seit wann die Botschaft Bedenken gegenüber Wirecard gehegt habe – und ob sie diese auch nach Berlin weitergegeben habe. „Das Kanzleramt hätte sich vor der Dienstreise der Kanzlerin nach China und ihrer dortigen Werbetour für Wirecard kundig machen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, die schweren Vorwürfe gegen den Konzern waren im Kanzleramt bekannt.“

Auch die Informationspolitik der Regierung kritisiert De Masi als „permanente Salamitaktik“: „Ich bin sehr verärgert. Wir hatten die Bundesregierung bereits nach dem Lobbying von Guttenberg gefragt und nach der diplomatischen Korrespondenz. Die Kontakte zwischen Wirecard und der deutschen Botschaft in Peking wurden zunächst verschwiegen.“

Die Linke will auch Merkel im anstehenden Untersuchungsausschuss vorladen, allerdings am Ende des Prozesses, wenn mehr Klarheit geschaffen worden sei, und nur im Einvernehmen mit Liberalen und Grünen.