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Wirecard baut Vorstand um – CEO Braun wird entmachtet statt abgesetzt

Der Zahlungsdienstleister zieht Konsequenzen aus dem Vertrauensverlust der Anleger. CEO Braun und Asien-Vorstand Marsalek werden operativ beschränkt. Ein Compliance-Chef soll aufräumen.

25.04.2019, Bayern, Aschheim: Markus Braun, Vorstandsvorsitzender von Wirecard, spricht auf der Bilanz-Pressekonferenz des Zahlungsdienstleisters. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa
25.04.2019, Bayern, Aschheim: Markus Braun, Vorstandsvorsitzender von Wirecard, spricht auf der Bilanz-Pressekonferenz des Zahlungsdienstleisters. Foto: Peter Kneffel/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa

Schneller als gedacht zieht Wirecard Konsequenzen aus dem Absturz des Aktienkurses in den vergangenen Tagen und der missglückten Vorlage des Prüfberichts von KPMG.

Der Vorstandsvorsitzende Markus Braun wird entmachtet: „Der CEO der Wirecard AG, Dr. Markus Braun, wird künftig den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die strategische Weiterentwicklung der Wirecard AG legen“, teilte der Konzern am Freitagabend mit. Kümmern soll sich Braun etwa um strategische Allianzen, die Geschäftsentwicklung und die Koordination. Ab gibt er dafür die Kommunikation mit den Investoren, seine Verantwortung für das Europa-Geschäft sowie Teile des Vertriebs.

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Dafür zieht ein neuer Compliance-Vorstand in das Steuerungsgremium ein. Ab dem ersten Juli wird der US-Amerikaner James Freis das neugeschaffene Ressort Recht, Vertragswesen und Compliance verantworten. Seit 2014 ist Freis Chief Compliance Officer der Deutschen Börse ohne Vorstandsrang. Zuvor war er bei der Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton in Washington tätig. Bis 2012 war Freis Chef des „Financial Crimes Enforcement Network“ des US-Finanzministeriums, und damit als Bundesbeamter zuständig für die Regulierung von Finanzinstitutionen.

Der in der vergangenen Woche vorgelegte Bericht der Sonderprüfung durch KPMG sollte eigentlich die seit 2019 schwelenden gravierenden Vorwürfe zu Bilanzmanipulation und anderen Vergehen entkräften. Stattdessen deckte er gravierende interne Schwächen des Konzerns auf.

Auch um diese zu beheben, kommen nun zwei weitere Vorstandsposten hinzu, die jedoch noch nicht besetzt sind: zum einen ein neuer Vertriebsvorstand, der alle Vertriebsaktivitäten bündelt, zum anderen ein neuer Organisationsvorstand (COO). Letzterer dürfte der neue starke Mann im Wirecard-Management werden.

Der COO soll künftig alle Tochtergesellschaften koordinieren und das operative Geschäft verantworten. Zerschlagen wird die bisherige Matrix-Struktur Wirecards, in der sich einzelne Vorstandsmitglieder um regionale Bereiche kümmerten. In Zukunft übernimmt der COO die Verantwortung für alle Kontinente: Amerika, Europa, Mittlerer Osten, Afrika sowie Asien. Außerdem verantwortet er das Personalwesen.

Entmachtung für Top-Manager

Damit einher geht die Entmachtung eines bisherigen Schlüsselmanagers. Der alte COO und Braun-Vertraute Jan Marsalek gibt die operative Verantwortung für den Vertrieb und das wichtige Asien-Geschäft ab. Künftig soll er sich um den Bereich Geschäftsentwicklung kümmern. Als Chief Business Development Officer verantwortet er neue Zusammenschlüsse, die Entwicklung von Finanzdienstleistungs-Produkten und Mehrwertleistungen.

Aufräumen muss er die in seinem Ressort hinterlassenen Baustellen. Marsalek bleibt weiter zuständig für die Koordination der Drittpartner und soll die vom neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Eichelmann vorangetriebene „Ausbreitung des Lizenzraums“ verantworten – also Wirecard durch eigene Lizenzen in fernen Ländern von den umstrittenen Drittpartnern unabhängig machen.

Der bisherige Finanzvorstand Alexander von Knoop, den Beobachter als integer, aber nicht immer durchsetzungsstark beschreiben, bleibt auf seinem Posten, gibt jedoch die Verantwortung für das Personalwesen und die Compliance ab. Als CFO kümmert er sich künftig um die Kommunikation mit den Investoren, unter denen er sich in Teilen einen guten Namen gemacht hat.

„Neben diesen Anpassungen der Geschäftsverteilung wird der Vorstand auf Anregung des Aufsichtsrates die Verbesserung der operationalen Exzellenz der Wirecard AG vorantreiben“, heißt es in der Mitteilung vom Freitagabend. „Dazu werden Strukturen, Prozesse und insbesondere die internen Kontrollsysteme im Unternehmen überprüft.“ So habe Wirecard bereits ein Compliance-Projekt mit neun Schwerpunkten aufgesetzt.

Wirecard beabsichtige zudem, „auch in Märkten außerhalb Europas verstärkt eigene Lizenzen zu erwerben“ – „wo immer es betriebswirtschaftlich sinnvoll und von den lokalen Gegebenheiten her vertretbar ist“, so die Mitteilung.

Braun entschuldigt sich

„Das Geschäftsmodell der Wirecard AG ist nachhaltig und ertragsstark. Mit den getroffenen Beschlüssen stellen wir die Weichen für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft des Unternehmens“, erklärte Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann. „Auf Basis der nun vereinbarten organisatorischen und personellen Veränderungen spricht der Aufsichtsrat dem Vorstand und seinem Vorsitzenden das Vertrauen aus.“

Der schwer unter Beschuss geratene Konzernchef Markus Braun erklärte: „Mit dieser Reorganisation ist der Grundstein für die nächste Wachstumsphase der Wirecard AG gelegt, was mich außerordentlich erfreut. Ich entschuldige mich bei allen unseren Aktionären, Kunden, Partnern und Mitarbeitern für die Turbulenzen der vergangenen Wochen und Monate.“

Für den bisher machtvollen CEO und mit sieben Prozent größten Wirecard-Aktionär ist die öffentliche Entschuldigung laut Insidern ein klares Signal der Demut. Ein solches hätten langjährige Vertraute in 18 Jahren an Brauns Seite nicht erlebt.

Die bisherigen Vorstandsmitglieder geben sich laut Konzernkreisen erleichtert über die Neuaufstellung, auch nach der hohen Arbeitsbelastung der vergangenen Monate. Unterschiedlich interpretiert wird offenbar die Urheberschaft der Weichenstellungen: Bereits im vergangenen Jahr hatte das Management um Braun die Erweiterung des Vorstands um einen Compliance- und Vertriebsexperten geplant (das Handelsblatt berichtete). Diese Planung werde nun vor allem fortgeschrieben, so eine Stimme.

Das Umfeld des neuen Aufsichtsratschefs Thomas Eichelmann verweist hingegen auf die klaren Kompetenzbeschneidungen für bisherige Manager, die das Kontrollgremium mit der Neuaufstellung vornimmt. Diese Maßnahmen seien in den Tagen nach der Lektüre des KPMG-Berichts von Eichelmann geplant und durchgesetzt worden und gingen in erheblichem Maß über das bereits 2019 Geplante hinaus.

Offene Fragen

Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies der Frankfurter Goethe-Universität, sieht mit der Mitteilung vom Freitagabend noch nicht alle Personalfragen überzeugend geklärt. „Die Berufung von Herrn Freis ist ein gutes Signal, ebenso die Bestellung eines machtvollen, noch zu benennenden COOs.“

Dennoch gilt aus Sicht von Brühl: „Die Vorstände von Knoop und Marsalek tragen eine klare Verantwortung für die im Rahmen des KPMG-Reports identifizierten Schwachstellen des Konzerns.“ Zu ihrer Zukunft blieben nach der heutigen Mitteilung Fragen offen. „Es erscheint ungeklärt, welche Funktion etwa ein Herr Marsalek in der künftigen vollbesetzten Vorstandsriege einnehmen soll, da seine bisherigen Funktionen größtenteils entweder beim noch zu berufenden COO oder dem weiter amtierenden CEO angesiedelt sein werden.“

Im nachbörslichen Handel kam die anstehende Bewegung im Vorstand gut an: Die Wirecard-Aktie lag rund zehn Prozent im Plus.

Mit den Umbauten im Vorstand reagiert Wirecard auf den Unmut der Anleger. Der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München ist seit Langem gravierenden Vorwürfen über angebliche Bilanzfälschung und weitere Vergehen ausgesetzt.

Um die quälende Debatte zu beenden, hatte Wirecard im Oktober einen Sonder-Audit durch KPMG in Auftrag gegeben; sein Ergebnis wurde in der vergangenen Woche veröffentlicht. Die Prüfer fanden keine Belege für Bilanzmanipulationen, rügten die internen Strukturen und Prozesse des Konzerns aber in scharfen Worten. Die Aktie gab über ein Drittel nach.