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Weltweite Proteste gegen Rassismus gefährden Trumps Wiederwahl

Der Druck auf Trump wächst: Menschen auf der ganzen Welt solidarisieren sich mit den US-Protesten. Bei Anhängern der Republikaner verliert der Präsident an Rückhalt.

Die Gewalt ist abgeebbt, die Empörung bleibt: In der US-Hauptstadt Washington, in zahlreichen anderen Städten der USA und auch im Rest der Welt demonstrierten am Wochenende Hunderttausende gegen rassistische Praktiken der Polizei – Deutschland blieb da keine Ausnahme.

Anders als in den ersten Nächten nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai blieben die Proteste in den USA weitgehend friedlich.

Lediglich in Portland und Seattle an der US-Westküste kam es in der Nacht auf Sonntag zu Ausschreitungen, die Polizei verhaftete dort rund 50 Demonstranten. In San Francisco legten Demonstranten den Verkehr auf der Golden Gate Bridge lahm.

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Bei den Protesten in Washington herrschte am Samstag trotz des traurigen Anlasses nahezu Volksfeststimmung. Viele der rund zehntausend Demonstranten hatten ihre Kinder mitgebracht, andere verteilten bei heißem Sommerwetter kostenloses Wasser und Corona-Schutzmasken.

Die Demonstranten folgten keinem geordneten Protestzug. Stattdessen versammelten sie sich in Gruppen mal am US-Parlamentsgebäude, dem Capitol, mal am Lincoln Memorial – dem wichtigsten Mahnmal gegen Rassismus, Sklaverei und Gewalt in den USA. Und natürlich am Weißen Haus, dem Regierungssitz von US-Präsident Donald Trump.

Für den begann der Sonntag um 6.48 Uhr Ortszeit mit dem ersten Tweet des Tages. „Law & Order!“, tippte Trump in sein Smartphone und wiederholte damit eine Aussage, die er bereits kurz nach Floyds Tod getwittert hatte. Trump versucht, aus den Protesten politisches Kapital zu schlagen, indem er einerseits Floyds Tod zwar bedauert, andererseits aber die Furcht vieler Wähler vor Chaos und Kriminalität schürt.

Doch diese Strategie scheint bislang nur bei den Republikanern zu verfangen, die ohnehin für Trump stimmen. Nicht jedoch bei den Wechselwählern in der Mitte, deren Stimmen Trump braucht, um sich in der Präsidentschaftswahl am 3. November eine zweite Amtszeit zu sichern. In einer Onlinebefragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigten sich nur 32 Prozent der US-Bürger zufrieden mit Trumps Handhabung der Proteste, 49 Prozent sind unzufrieden.

Selbst unter den Anhängern der Republikaner findet Trumps Haltung in dieser Frage nur 64 Prozent Zustimmung, deutlich weniger als bei anderen Themen. Insgesamt zeigt sich in Umfragen, dass eine Mehrheit der US-Bürger die friedlichen Demonstranten unterstützt.

Am Sonntag stimmte Ex-Außenminister Colin Powell in den Chor kritischer Stimmen ein. Trump entferne sich von der Verfassung und werde „gefährlich für unsere Demokratie, gefährlich für unser Land“, sagte Powell dem Sender CNN. Der Republikaner kündigte an, bei der Präsidentschaftswahl im November für Trumps demokratischen Herausforderer Joe Biden zu stimmen.

Krawall in Berlin

Mit den US-Protesten solidarisch zeigten sich auch die Kundgebungen in europäischen Metropolen. In Paris gingen die Menschen trotz eines Demonstrationsverbots auf die Straße. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Pariser Polizei etliche Proteste untersagt. In London wurden 14 Polizisten verletzt, als Demonstranten mit Flaschen warfen.

In Deutschland zeigten am Wochenende Zehntausende in rund 25 Städten ihre Unterstützung für die „Black Lives Matter“-Bewegung. In Berlin setzten sich die Teilnehmer einer Kundgebung auf dem Alexanderplatz auf den Boden und schwiegen für genau acht Minuten und 46 Sekunden. So lange hatte ein Polizist Floyd sein Knie in den Nacken gedrückt, bis dieser erst das Bewusstsein verlor und dann verstarb.

Insgesamt demonstrierten in Berlin am Samstag 15.000 Teilnehmer weitgehend friedlich gegen Rassismus. Am Ende wurden jedoch Polizisten und Passanten aus einer größeren Gruppe heraus mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Polizei nahm 93 Menschen fest, 28 Polizeibeamte wurden leicht verletzt.

In München gingen etwa 20.000 Demonstranten auf die Straße. In Hamburg versammelten sich 14.000 Teilnehmer bei zwei fast zeitgleichen Kundgebungen. Die Hamburger Polizei hatte vor den Demonstrationen ihre Solidarität erklärt. „Wir sind an eurer Seite!“, twitterte sie. Doch auch hier kam es zu Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe Demonstranten und der Polizei.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisierte die Demonstrationen. „Der Kampf gegen Rassismus braucht unser gemeinsames Engagement. Jeden Tag“, twitterte Spahn am Samstag. „Doch dicht gedrängte Menschenmengen mitten in der Pandemie besorgen mich.“

Ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzten auch die Spieler in der Fußball-Bundesliga. Die Profis von Borussia Dortmund und Hertha BSC knieten vor dem Anpfiff um den Mittelkreis und schwiegen für einige Momente. Die Spieler des FC Bayern trugen Armbinden mit der Aufschrift „Black Lives Matter“. Der Mainzer Pierre Kunde Malong machte nach seinem Tor einen Kniefall als sichtbaren Protest gegen Rassismus. Auf Instagram schrieb er später: „Auf die Knie zu fallen, um die Bewegung für schwarze Menschenleben zu unterstützen, wird nicht aufhören, bis es weltweit größere Veränderungen gibt.“

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) lobte die friedlichen Anti-Rassismus-Demonstrationen als „ermutigendes“ Zeichen. „Es ist großartig, dass Hunderttausende Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt auf die Straße gehen, um gegen diesen sehr brutalen Rassismus, wie er sich gerade in den USA offenbart hat, zu protestieren“, sagte Oppermann dem Handelsblatt.

Auch in Deutschland gebe es das Problem: „Teilweise wird Rassismus von der AfD auch offen propagiert und von Rechtsextremisten als Ideologie vertreten.“ Daneben existiere aber auch „subtiler Rassismus“, etwa wenn bei Bewerbungen bestimmte Namen sofort „in eine Schublade gesteckt“ würden.

Oppermann lobte auch das Engagement der Sportler. „Die Spieler ergreifen die Initiative und solidarisieren sich. Da ist viel Zivilcourage dabei“, sagte Oppermann dem Handelsblatt. „Die Fußballprofis sind im Augenblick echte Vorbilder für unsere Gesellschaft.“ Die Regeln des Deutschen Fußball-Bundes besagten zwar, dass politische Meinungsäußerungen unterbleiben sollten, damit der Fußballplatz nicht zum Konfrontationsfeld der Politik werde. „Aber hier geht es nicht um parteipolitische Werbung, sondern um grundsätzliche Fragen der Menschenrechte“, erklärte Oppermann.

Beerdigung mit Biden

Um den Menschen, dessen Tod die weltweiten Proteste ausgelöst hatte, ging es am Samstag in der Nähe von Fayetteville im US-Bundesstaat North Carolina, dem Geburtsort von George Floyd. Um die Corona-Infektionsgefahr zu verringern, durfte die Trauernden nur in Zehnergruppen in die Kirche, in der Floyds Leichnam aufgebahrt war. In einem Gedenkgottesdienst erinnerte der Pastor an Floyd als einen „sanften Riesen“.

Floyd, der angeblich eine Schachtel Zigaretten mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt haben soll, war bei seiner Festnahme an seinem Wohnort Minneapolis erstickt. Während der Festnahme kämpfte Floyd mit den Worten „Ich kann nicht atmen“ um sein Leben.

„I can’t breathe“: Auf den Protesten in den USA wiederholten die Demonstranten in Sprechchören immer wieder Floyds letzte Worte. Diese stehen mittlerweile symbolisch für das Lebensgefühl vieler Afroamerikaner, die sich durch rassistische Vorurteile in ihren Lebenschancen eingeschränkt sehen.

Von Fayetteville wird Floyds Sarg nach Houston überführt, wo der Verstorbene lange Zeit gelebt hat und wo auch seine Mutter beerdigt ist. Neben ihrem Grab soll Floyd am Dienstag beigesetzt werden. Zum dortigen Trauergottesdienst hat sich auch Trumps Gegenkandidat Joe Biden angemeldet – nicht aber der Präsident selbst.