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Die Suche nach dem VW-Spitzel läuft – Neuer Höhepunkt im Wirtschaftskrimi mit Prevent

Interne Dokumente zeigen, dass VW sich schon lange vor der Eskalation des Konflikts mit dem Zulieferer auf einen Bruch vorbereitete. Prevent prüft nun rechtliche Schritte.

Die Abhöraffäre könnte rechtliche Folgen haben. Foto: dpa
Die Abhöraffäre könnte rechtliche Folgen haben. Foto: dpa

Dutzende Gerichtsverfahren, Privatdetektive und nun auch noch eine Spitzelaffäre: Die Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und Prevent hat sich zu einem Wirtschaftskrimi entwickelt. Das Magazin „Business Insider“ hat am Wochenende enthüllt, dass ein Spitzel vertrauliche Sitzungen einer Taskforce des Autokonzerns mitgeschnitten hat. In denen ging es vor allem um die Frage, wie die Wolfsburger die unliebsame Autozuliefergruppe loswerden können.

Die Abhöraffäre könnte rechtliche Folgen haben. Dem Spitzel oder dessen Auftraggeber drohen strafrechtliche Konsequenzen. Mögliche Vorwürfe: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes oder von Geschäftsgeheimnissen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat sich bereits eingeschaltet.

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Das ist bemerkenswert. Üblicherweise werden die infrage kommenden Delikte nur auf Antrag des Geschädigten – in dem Fall VW – verfolgt. Der Konzern prüft zwar eine Strafanzeige, gestellt hat er bisher aber keine.

Wer der Maulwurf ist, ist derweil noch unklar. Prevent jedenfalls behauptet, nichts von den Aufnahmen zu wissen. Der Zulieferer prüft wegen des Inhalts der Aufnahmen nun selbst rechtliche Schritte gegen Volkswagen. „Den Medienberichten zufolge stehen hier Verstöße gegen das Kartellrecht, mögliche Aktien-Insider-Transaktionen, Falschaussagen gegenüber Behörden und Gerichten sowie ein inakzeptabler Umgang mit vielen Zulieferern im Raum“, sagte ein Sprecher.

Ein Teilnehmer der damaligen VW-Taskforce teilte mit, dass sich die Suche für die Konzernrevision voraussichtlich als schwierig gestalten werde. An den Sitzungen hätten mehr als 20 Mitarbeiter teilgenommen. Außerdem lägen die Vorgänge schon Jahre zurück.

„Das ist eine echte Enttäuschung, dass es im Kreise der Kollegen einen Spitzel geben muss, der Prevent mit Informationen versorgt hat. Wem kann man überhaupt noch trauen? Wer macht so etwas? Ist das Geldnot gewesen?“, sagte ein VW-Insider.

Die Abhöraffäre ist der vorläufige Höhepunkt einer jahrelangen Fehde, in der es um Preiserhöhungen, Lieferstopps und die Frage geht, ob Autobauer oder ihre Zulieferer am längeren Hebel sitzen.

Die bosnische Unternehmerfamilie Hastor, Eigentümer der Prevent-Gruppe, wirft dem VW-Konzern vor, seine Marktmacht zu missbrauchen. Die Wolfsburger beschuldigen die Prevent-Gruppe hingegen, sie erpressen zu wollen. Interne Dokumente zeigen, dass Volkswagen schon 2011 fürchtete, dass es dazu kommen könnte – fünf Jahre bevor der Konflikt in Deutschland eskalierte.

Aus Partnern werden Feinde

Dabei verbindet VW und den heutigen Intimfeind eine lange Partnerschaft: Der Autobauer investierte um die Jahrtausendwende Millionen in ein Joint Venture, eine Fabrik in Sarajevo, in der Prevent VW-Modelle zusammenschraubte. Firmengründer Nijaz Hastor kaufte sich ein Haus in Wolfsburg, deutsche Diplomaten sprachen von einer „Liebesheirat“. Doch 2008 stellte VW die Montage in der Anlage ein. Das Verhältnis bekam erste Risse.

Weiter belastet wurde es durch den Generationenwechsel: Hastor übergab die Leitung sukzessive an seine Söhne Kenan und Damir, die sich fortan gegen den Preisdruck wehrten, Preiserhöhungen forderten und mit Lieferstopps drohten. Eines ihrer ersten Projekte: die Übernahme des Autoglas-Spezialisten Rioglass 2009.

Bei Prevent heißt es, die Gruppe habe das Unternehmen auf Drängen des damaligen VW-Einkaufsvorstands Francisco Javier García Sanz übernommen. Die Wolfsburger hätten zugesichert, das Geschäft zu unterstützen – diese Absprache aber später gebrochen. VW weist den Vorwurf zurück. Für die jungen Hastors entpuppte sich das Engagement als Verlustgeschäft.

Dennoch kauften sie weitere angeschlagene Unternehmen. Eine VW-Präsentation zeigt, dass Prevent damit spätestens ab 2011 für Unruhe in Wolfsburg sorgte. In dem Dokument wird darauf hingewiesen, dass die Gruppe neben Rioglass auch den Kunststoffspezialisten Bergler und den Sitzschalen-Produzenten TWB übernommen habe – zwei für VW ebenfalls wichtige Zulieferer. Die Übernahmen markieren in der Präsentation den Beginn der „Prevent-Historie“.

Der VW-Konzern fürchtete, dass die Gruppe seine Abhängigkeit ausnutzen könnte, und arbeitete erstmals an einer Exitstrategie. Ein Volkswagen-Sprecher teilte auf Anfrage mit, dass es auch „vor den bekannten Gerichtsverfahren“ immer wieder Auseinandersetzungen gegeben habe. Streitpunkt seien aus Sicht der VW-Gruppe übervertragliche Forderungen gewesen, die Prevent mit „erheblichem Druck“ habe durchsetzen wollen.

Zwar sei letztlich immer eine Lösung gefunden worden, so der VW-Sprecher, doch seien auf diese Lösungen neue Forderungen gefolgt. Am 12. Juni 2013 wurde schließlich das Projekt „Elefant“ vorgestellt. Das Ziel: die „Aussteuerung“ des unliebsamen Geschäftspartners – laut „Business Insider“ spätestens bis zum Jahr 2020.

Nach Handelsblatt-Informationen wurde das Projekt jedoch schon nach wenigen Monaten aufgelöst, weil Sanz und Hastor senior ihre Sorgen in einem persönlichen Gespräch ausgeräumt hatten.

Mehrere Rechtsverfahren

Im Frühjahr 2015, zu diesem Zeitpunkt hatten die Hastor-Söhne das Geschäft übernommen, kam es dann doch so, wie Volkswagen es befürchtet hatte: Mehrere Prevent-Unternehmen stellten ihre Lieferungen ein. Zunächst kam es nur in Brasilien zu Werksstillständen und Produktionsausfällen, später auch in Deutschland. Weil dort die Prevent-Töchter Car Trim und ES Automobilguss sämtliche Lieferungen einstellten, standen in sechs deutschen VW-Fabriken die Bänder still, unter anderem die Golf-Produktion des Wolfsburger Stammwerks.

In der Volkswagen-Datenbank stehen mehr als 40.000 Zulieferer. Doch derart radikaler Widerstand war für den Autobauer damals neu. Um den Schaden zu begrenzen, einigten sich die Wolfsburger mit der Zuliefergruppe auf ein sogenanntes Eckpunktepapier, das die weitere Zusammenarbeit regeln sollte. Die Unternehmen, so hieß es damals offiziell, wollten die Zusammenarbeit wieder auf eine verlässliche Basis stellen.

Doch der Waffenstillstand hatte ein Ablaufdatum. Weil der VW-Konzern verhindern wollte, dass Prevent ihn noch einmal in die Knie zwingt, reaktivierte er die Pläne aus der Zeit des Projekts „Elefant“ und suchte sich Ersatzlieferanten. Die Wolfsburger riefen das „Projekt 1“ ins Leben – ebenjene Taskforce, deren Treffen mehr als ein Jahr lang abgehört wurden.

Über die Hintergründe der Spitzelaffäre kann nur spekuliert werden. Eine Rolle könnte der Stand in den vielen noch offenen Rechtsverfahren zwischen VW und Prevent spielen. Die Zuliefergruppe hat in den USA Klage eingereicht und fordert 750 Millionen Dollar Schadensersatz, weil VW angeblich Druck auf Zulieferer gemacht haben soll, Übernahmeavancen der Hastors eine Absage zu erteilen.

Die Gruppe wirft VW zudem vor, einer Berliner Firma den Auftrag erteilt zu haben, „Zielpersonen“ aus dem Prevent-Umfeld zu überwachen und teils deren Privatadresse in Erfahrung zu bringen. VW seinerseits will den Schaden aus dem Lieferstopp 2016 erstreiten und beziffert die Größenordnung auf mehr als 100 Millionen Euro.