Volatile Märkte: Bärenmarktrally oder Trendwende?
Auf den schlechtesten Jahresstart seit 50 Jahren folgt die stärkste Börsenwoche seit 2020. Verändert der Markt jetzt seinen Charakter?
Der Absturz ins Bodenlose kam ohne Vorwarnung. Um sage und schreibe 43 Prozent stürzte der Social Media-Pionier Snap in der vergangenen Woche von einen auf den anderen Handelstag ab, nachdem CEO Evan Spiegel bekannt geben musste, im laufenden Quartal nicht die eigenen Umsatzerwartungen halten zu können. Wie groß die Verfehlung ausfällt, sagte Spiegel nicht, doch allein die außerplanmäßige Warnung genügte Anlegern, um beim einstigen 100 Milliarden-Dollar-Konzern für den größten Kurssturz seit dem Börsenlisting vor fünf Jahren zu sorgen.
Die Anteilsscheine des Stories-Erfinders notieren heute damit tiefer als zum IPO, obwohl sich einerseits die Umsätze in den vergangenen fünf Jahren verelffacht haben und die Aktie ohnehin schon seit den erst im vergangenen Herbst aufgestellten Allzeithochs 75 Prozent an Wert verloren hatte.
Bärenmarkt-Panik erreicht Höhepunkt
Der historische Kurssturz von Snap reihte sich in eine lange Reihe von dramatischen Einbrüchen von einstigen Börsenstars in den vergangenen Wochen und Monaten ein. Ein paar Wochen zuvor hatte sich die Aktie des Fintechs Upstart bei Bekanntgabe der Quartalsbilanz mehr als halbiert, während zuvor Tech-Weltkonzerne wie Meta, Paypal und Netflix mehr als 20 Prozent nach Bekanntgabe ihrer Zahlenwerke abgestürzt waren.
Last week:
* Bear on the cover of Barron's
* Freak out tweet from Ackman (similar to Mar 2020)
* Soros said "civilization may not survive"
* Dalio said "cash is trash... but equities are trashier"
Stocks also had one of their best weeks ever. Lot of bad news priced in here.— Ryan Detrick, CMT (@RyanDetrick) May 28, 2022
Es ist der Stoff, aus dem Bärenmarkte sind. Zusätzlich zu den Abstürzen der Techstars hatte sich das Marktsentiment in den vergangenen Wochen immer tiefer in Moll gefärbt.
Some believe that higher short term rates are bad for stocks. I disagree. The value of a long-term financial asset is the present value of the future cash flows it will generate over its life. The more back-ended the cash flows from the asset, the more sensitive the asset is
— Bill Ackman (@BillAckman) May 24, 2022
Star-Hedgefondsmanager Bill Ackman startete auf Twitter wegen der hohen Inflation und der zögerlichen Haltung der US-Notenbank einen Abgesang auf den Kapitalmärkten, während in dem viel beachteten Anlegermagazin Barron’s die Börsenbären ihre Krallen zeigten.
The S&P 500 briefly entered bear-market territory—leaving no place to hide. In this issue: pic.twitter.com/Xi5D9mH3bR
— Barron's (@barronsonline) May 21, 2022
Erleichterungsrally nach positiven Bilanzen
Doch trotz des Snap-Schocks drehte die Stimmung in der vergangenen Woche. Tatsächlich gab es auch neue Unternehmensbilanzen, die Anleger positiv überraschen konnten. Alibaba, der schwer abgestürzte E-Commerce-Pionier aus dem Reich der Mitte, setzte 32,2 Milliarden Dollar um und konnte damit die Markterwartungen deutlich schlagen, obwohl der einst wertvollste Konzern Chinas damit den schwächsten Erlöszuwachs in der Geschichte verbuchte.
$BABA Q4 earnings
Revenue: $32.19B, estimated $29.94B
EPS: $1.25, estimated $1.10— Market Rebellion (@MarketRebels) May 26, 2022
Noch kritischer beachtet wurde die neuste Geschäftsbilanz von Nvidia. Der wertvollste Chiphersteller der Welt, der zeitweise Meta als fünftwertvollsten Techkonzern der USA überholt hatte, verbuchte Umsätze in Höhe von 8,28 Milliarden Dollar, die um 46 Prozent über dem Vorjahr und damit deutlich über den Analystenschätzungen lagen. Starinvestorin Cathie Wood nahm das Zahlenwerk von Nvidia zum Anlass, um in den abgestürzten Chiphersteller erneut einzusteigen.
“The fundamentals of the quarter itself were terrific,” Argus Research Director of Research Jim Kelleher says on $NVDA earnings amid supply chain woes. “It’s a complex supply chain and they're impacted… No one is immune from this situation.” pic.twitter.com/rqlNtWKSyH
— Yahoo Finance (@YahooFinance) May 25, 2022
Startet nun eine nachhaltige Erholung?
Das Investment könnte Signalwirkung besitzen. Nach einem erbarmungslosen, sechs Monate langen Abverkauf von Technologieaktien griffen Schnäppchenjäger Ende vergangener Woche beherzt zu und bescherten sowohl der Techbörse Nasdaq als auch den großen US-Indizes S&P 500 und Dow Jones die größten Kurszuwächse auf Wochensicht seit Ende 2020.
„Es könnte sein, dass wir in diesem Jahr bei vielen/den meisten Aktien einige Tiefststände erreicht haben“, sieht Hedgefondsmanager Cody Willard die Talsohle in diesem Jahr möglicherweise erreicht. Gleichzeitig müssten sich Anleger in Geduld üben, bevor die Kurse wieder in Richtung früherer Hochs anziehen würden.
It could be that we put in some bottoms in many/most stocks here this year, but it takes a few years for a broader bull market to develop. Picking great stocks at good valuations and navigating the ups and downs flow is what will work in that environment. pic.twitter.com/4vql1HLHo9
— Trading with Cody (@TradingWithCody) May 27, 2022
„Es dauert aber einige Jahre, bis sich ein breiterer Bullenmarkt entwickelt“, twitterte Willard. Nach einem halben Jahr in der Hölle für Techaktien könnte damit nach Einschätzung des Hedgefondsmanagers die Stunde der Stockpicker schlagen. „Die Auswahl großartiger Aktien zu guten Bewertungen und das Navigieren durch die Höhen und Tiefen ist das, was in diesem Umfeld funktionieren wird.“