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Viel später, flacher, kürzer: Zinskurve zeigt, wie stark Christine Lagarde die EZB in der Inflationswelle von der Fed abgesetzt hat

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Europäische Zentralbank im jüngsten Zinszyklus von der US-Fed abgesetzt. - Copyright: Picture Alliance
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Europäische Zentralbank im jüngsten Zinszyklus von der US-Fed abgesetzt. - Copyright: Picture Alliance

Normalerweise bewegen die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed ihre Zinsen weitgehend parallel, wenn nicht im Gleichschritt. Doch was war schon normal in diesem hysterischen Inflations- und Zinszyklus, der die Weltwirtschaft drei Jahre lang herumgewirbelt hat und nun in langen Wellen auszulaufen scheint. Der Blick auf die Leitzinsen in der Eurozone und den USA zeigt, wie stark sich die EZB von der Fed abgesetzt hat. Das Zinsgefälle zwischen den USA und Europa wächst.

Die EZB ist über den gesamten Zyklus defensiver gewesen als die Fed. Die EZB hat die Zinsen 2022 erst deutlich später erhöht. Sie hat die Zinsen bei weitem nicht so stark erhöht wie die Fed. Und sie hat die Zinsen nun auch früher wieder gesenkt. Zum ersten Mal seit 14 Jahren agierte die EZB vor der Fed. All dies macht diese Grafik mit den Verläufen der Leitzinsen der beiden Notenbanken deutlich.

Rückblende: Zu den verbreiteten Irrtümern zählt, dass die jüngste Inflationswelle erst durch Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelöst worden wäre. Dabei baute sie sich bereits ein Jahr vorher drohend auf. Es begann in der Corona-Krise mit ihren Einschränkungen in der Produktion, den globalen Lieferketten bis zum lokalen Handel und Dienstleistern. All dies schränkte das Angebot stark ein. Gleichzeitig versuchten Regierungen mit zahlreichen Finanzspritzen, Haushalten und Firmen über die Runden zu helfen. Viel Geld traf auf wenig Möglichkeiten es auszugeben. Die Preise stiegen. Die Grafik zeigt dies deutlich: Die Inflation begann bereits Anfang 2021 - und sie begann in den USA früher als in Europa.

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Die EZB hielt die Inflation noch Ende 2021 für vorübergehend und hielt an ihrer expansiven Geldpolitik fest. Dann ließ Russlands Überfall auf die Ukraine die Preise für Energie und Nahrungsmittel extrem steigen. Die Inflation geriet außer Kontrolle. Während die Bank of England ihren Leitzins bereits im Herbst 2021 und die Fed im Frühjahr 2022 anhoben, brauchte die EZB bis zum Juli 2022 für die Zinswende.

Sie machte dann zwar Tempo. In zehn Schritten hob die EZB die Leitzinsen um vier Prozentpunkte an. Manche Ökonomen wie der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, kritisieren im Rückblick, die EZB habe die Zinsen erst zu spät und dann zu stark erhöht. Im Vergleich zu den USA blieben die Zinserhöhungen in der Eurozone aber geringer. Die Fed hob ihre Leitzinsen sogar um mehr als fünf Prozentpunkte an. Jan Holthusen, Research-Chef der DZ Bank, sagt zwar auch, die EZB habe die Zinsen zu spät erhöht. Zu stark seien die Zinsschritte dann aber nicht gewesen.

Über den gesamten Zyklus blieben die Leitzinsen in der Eurozone deutlich unter den USA. Ihre Erhöhungen stoppten beide Notenbanken noch parallel im September 2023. Doch Anfang Juni leitete die EZB auch die Zinswende nach unten früher ein als die Fed. Zum ersten Mal seit 14 Jahren.

Wie ungewöhnlich das ist, arbeitete Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon heraus. Er hält es für wahrscheinlich, dass der Sonderweg der EZB lange anhält. Entweder kühlten sich Inflation, Konjunktur und Arbeitsmarkt in den USA so ab, dass auch die Fed die Zinsen senken wird. Oder aber, die EZB sei voreilig vorgeprescht, die Inflation bleibe hoch, Lagarde müsse auf weitere Zinssenkungen verzichten - oder die Zinsen schlimmstenfalls sogar wieder anheben.

Lagarde selbst begründet das unterschiedliche Vorgehen der beiden Notenbanken mit der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung in den USA und der Euro-Zone. Sie hat damit auch starke Argumente. Sie treffen zu einen die Gründe der Inflation selbst: In den USA wurde die Teuerung vor allem durch die anhaltend starke Nachfrage angeheizt, also eher klassisch durch eine starke Konjunktur im Inland. In Europa spielte dagegen der externe Schock durch die Energiepreise ab 2022 eine größere Rolle. Die USA waren als energiereiches Land davon kaum betroffen. Im Gegenteil profitierten sie durch steigende Gasexporte sogar.

Die externen Schocks sind auch einer der Gründe, warum in Europa stark steigende Preise mit einer schwachen Konjunktur zusammenfielen. Die explodierenden Energiepreise führten auch dazu, dass die Inflation in der Eurozone zunächst über die Teuerung in den USA hinausschoss, sich dann aber auch schneller wieder abkühlte.

Gleichzeitig ist die Konjunktur in den USA viel robuster als in der Eurozone. Das gilt vor allem für Deutschland, gleichzeitig die bei weitem größte Volkswirtschaft Europas und Schlusslicht beim Wachstum. Allerdings steigen auch in Europa aufgrund des Mangels an Arbeitskräften trotz der flauen Konjunktur die Löhne und Gehälter. Im Mai stieg die Inflationsrate in der Eurozone. Lagarde musste sich auch deshalb Kritik anhören, sie habe sich vorschnell auf eine Zinssenkung im Juni festgelegt.

In der Folge ist das Zinsgefälle zwischen den USA und Europa noch einmal gewachsen. Und da Fed-Chef Jerome Powell nicht den Eindruck erweckt, die Zinsen in den USA noch der Präsidentschaftswahl im November senken zu wollen, könnte dieses Zinsgefälle noch steiler werden. Wenn denn die EZB ihre Zinsen im Herbst weiter senken sollte. Das würde den US-Dollar für Geldanlagen noch attraktiver machen und Druck auf den Euro ausüben - wie auch auf die Währungen anderer Länder, die ihre Zinsen bereits gesenkt haben. Ein schwächerer Euro wiederum machte Importe in die Eurozone teurer.

Als Präsidentin der EZB hat Christine Lagarde die Europäische Zentralbank von der US-Fed abgesetzt. Nun gilt es als Solo-Tänzerin die richtige Balance zu halten.