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Varoufakis greift an – und könnte seinem alten Freund Tsipras gefährlich werden

Sie sahen sich als politisches Traumpaar: Griechenlands Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis. Aber inzwischen ist die Freundschaft der beiden beendet. Jetzt bekämpfen sich die Männer bis aufs Messer. Tsipras ringt verbissen um den Machterhalt. Für den Premier war die Europawahl eine kalte Dusche. Mit mehr als neun Prozentpunkten Rückstand landete sein Linksbündnis Syriza hinter der oppositionellen Konservativen abgeschlagen auf dem zweiten Platz.

Für Varoufakis, der zur Europawahl mit seiner Partei MeRA25 angetreten war, begann am Wahlabend eine Zitterpartie. Noch 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale lag seine Partei bei 3,01 Prozent Stimmenanteil. Das hätte für einen Sitz im Europaparlament gereicht. Als Varoufakis am Dienstag aufwachte, waren es nur noch 2,99 Prozent. Damit scheiterte MeRA25 knapp an der in Griechenland geltenden Dreiprozenthürde. Nur 390 Stimmen fehlten. Aber der 58-jährige Varoufakis begreift das Ergebnis nicht als Niederlage, sondern als Ansporn.

Umso mehr legt er sich jetzt für die vorgezogene Parlamentswahl ins Zeug, bei der die Griechen am 7. Juli über ihre neue Regierung entscheiden sollen. 169.287 Stimmen erhielt MeRA25, der griechische Ableger von Varoufakis‘ europaweiter Bewegung DiEM25, bei der Europawahl. In drei Wochen könnten es deutlich mehr sein. In einer am Donnerstag publizierten Umfrage kommt die Partei auf 3,5 Prozent, in einer anderen Erhebung sogar auf 4,5 Prozent. Das könnte für rund zehn Mandate reichen. Dort werde er „den Kampf gegen die neue revanchistische Oligarchie“ aufnehmen, verspricht Varoufakis.

Varoufakis‘ Wahlkampfzentrale befindet sich in einem etwas heruntergekommenen Bürogebäude unweit des Athener Omoniaplatzes. MeRA25 steht für „Front des realistischen europäischen Ungehorsams“. Die Partei beschreibt sich als „europaweite, grenzüberschreitende Bewegung von Demokraten“. Sie will Grüne sowie radikale und liberale Linke zusammenbringen, „um die vom Zerfall bedrohte EU zu reparieren“ und zu einer „Gemeinschaft des Wohlstands, des Friedens und der Solidarität für alle Europäer zu machen“.

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Woher seine Wähler kommen, ist für Wahlforscher kein Geheimnis: Es sind vor allem enttäuschte Tsipras-Anhänger. In den jüngsten Umfragen liegt die konservativ-liberale Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) acht bis zehn Prozentpunkte vor Syriza. Varoufakis könnte dafür sorgen, dass Tsipras‘ Niederlage noch deutlicher ausfällt und sich der bereits abzeichnende Desintegrationsprozess bei Syriza beschleunigt – dann nämlich, wenn sich Politiker vom linken Syriza-Flügel seiner Bewegung anschließen.

Viele Regierungsabgeordnete haben keine Aussicht, wiedergewählt zu werden. Sie könnten versuchen, bei MeRA25 eine neue politische Heimat zu finden. Splitterparteien links von Syriza gab es auch in der Vergangenheit. Der große Unterschied ist diesmal: MeRA25 ist eine pro-europäische Partei. Und sie hat in Varoufakis einen eloquenten Anführer, dem ständige Aufmerksamkeit sicher ist.

„Drogendealer aus Manchester“

Im Ausland mögen viele den einstigen Finanzminister belächeln, aber für ernüchterte Syriza-Wähler ist er eine attraktive Alternative. Darin liegt die eigentliche Gefahr, die von Varoufakis ausgeht. Tsipras hatte den Ökonomieprofessor, der sich selbst als „erratischen Marxisten“ beschreibt, nach seinem Wahlsieg im Januar 2015 als Finanzminister ins Kabinett geholt. Sein Auftrag war, die verhasste Troika aus Athen zu vertreiben und das Land aus den Fesseln des Sparprogramms zu befreien.

Aber im Kreis der Euro-Finanzminister hatte der exzentrische Grieche von Anfang an keinen leichten Stand. Varoufakis provozierte. Anfang Februar 2015 kam er zum Antrittsbesuch nach London. Vor der Tür von Downing Street 11 erwartete ihn Schatzkanzler George Osborne im dunkelgrauen Maßanzug. Varoufakis trug Schnürstiefel, ein knallblaues Hemd, das über die Hose hing, und eine knielange Lederjacke. Die eine Hand tief in der Jackentasche vergraben, streckte er die andere Osborne zum Gruß entgegen.

Eine britische Zeitung fühlte sich an einen „Drogendealer aus Manchester“ erinnert. Teilnehmer der Eurogruppe beschrieben den Griechen als „Spieler“, „Amateur“ und „Zeitverschwender“. Er habe sie mit endlosen Belehrungen genervt, sei „gereizt“ und „streitsüchtig“ aufgetreten. Ende Juni 2015 war das Spiel aus. Varoufakis und Tsipras hatten mit ihrer Konfrontationsstrategie gegenüber den Gläubigern das Land an den Abgrund des Staatsbankrotts geführt.

Varoufakis musste gehen, Tsipras kapitulierte vor den Geldgebern und unterschrieb ein noch härteres Spar- und Reformprogramm, um dringend benötigte Hilfsgelder locker zu machen. Klaus Regling, Chef des Euro-Stabilitätsfonds ESM, schätzt, dass Varoufakis‘ Verhandlungsstrategie Griechenland mindestens 100 Milliarden Euro gekostet hat.

Heute giftet Varoufakis gegen seinen einstigen Mentor Tsipras. „Alexis ist ein Schauspieler, der die Bühne betritt und ganz in seiner Rolle aufgeht – der Rolle des Lügners“, sagte Varoufakis. Um eine überzeugende Vorstellung zu bieten, müsse Tsipras „daran glauben, dass seine Rolle real ist und dass wahr ist, was er sagt“. Mit seiner Politik habe das Linksbündnis Syriza „den Teppich für die Nea Dimokratia ausgerollt, die den Spekulanten aushändigen wird, was noch nicht liquidiert wurde“, so Varoufakis.

„Tsipras leugnet die Realität“

Fast täglich attackieren sich die beiden Politiker in den Medien. Tsipras beschuldigt Varoufakis, er habe sich in der Eurogruppe vom damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble über den Tisch ziehen lassen. Scharfzüngig kontert Varoufakis: „Statt Reue zu zeigen und den langen, schweren Weg der Buße zu gehen, leugnet Tsipras die Realität, betrügt das Volk und sich selbst.“ Jedes Kreuz für Syriza auf dem Wahlzettel am 7. Juli sei „eine verlorene Stimme“, erklärt Varoufakis, da Syriza ohnehin nicht mehr gewinnen könne.

Varoufakis sieht seinen Achtungserfolg bei der Europawahl als „eine kleine politische Revolution, die uns eine große Verpflichtung auferlegt“. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Chef der Splitterpartei nicht. In der gegenwärtigen Phase schließe er zwar eine Zusammenarbeit mit Syriza aus, sagt Varoufakis. Wenn die Tsipras-Partei aber ihre Positionen ändere, „stehen die Türen von MeRA25 offen“. Aber nicht nur für Syriza. Varoufakis sieht sich offenbar in einer Schlüsselrolle: Auch mit der konservativen Nea Dimokratia könne er zusammenarbeiten – natürlich nur zu seinen eigenen Bedingungen.

Varoufakis verspricht, gegen „Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus“ anzugehen, um einen Rückfall Europas in die 1930er Jahre zu verhindern. Auch den Kampf gegen die politische Vetternwirtschaft hat er sich auf seine Fahnen geschrieben. Das klingt allerdings nicht ganz überzeugend. So lässt Varoufakis seine Frau Danai Stratou bei der Parlamentswahl im Wahlkreis Piräus 1 kandidieren.

Mehr: Nach der schweren Niederlage bei der Europawahl kündigt der griechische Premier Neuwahlen an. Dass er sie gewinnen kann, ist unwahrscheinlich.