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Umsturz in Stunde 13

Im Tauziehen um die Neuausrichtung des Bad Vilbeler Pharmaherstellers haben sich Opponenten von der Investmentgesellschaft Active Ownership Partners (AOC) nur teilweise durchgesetzt und trotzdem einen Umbruch eingeleitet. Die entscheidenden Ergebnisse der Hauptversammlung: Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Martin Abend wurde abgewählt, insgesamt fünf Vertreter der Kapitalseite ziehen neu in den neunköpfigen Aufsichtsrat ein. Carl Ferdinand Oetker, der einzige Kapitalvertreter, der bisher schon im Kontrollgremium von Stada saß, wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt. Und in dieser Rolle hatte er umgehend eine Botschaft parat, mit der beide Seiten leben können: „Wir sind uns einig, dass wir im Interesse des Unternehmens auf dem Weg der Erneuerung konsequent weiter voranschreiten wollen; und das im richtigen Maß und Tempo.“

Auch die AOC-Vertreter zeigten sich zufrieden: „Die Aktionäre von Stada haben sich heute eindeutig für eine Erneuerung der Aufsichtsratsspitze bei Stada und damit der Corporate Governance der Gesellschaft ausgesprochen“, erklärten die AOC-Mitgründer Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig. Auch die Tatsache, dass das vom Stada-Vorstand vorgeschlagene Vergütungssystem mit rund drei Viertel der Stimmen abgelehnt wurde, werten sie als klaren Erfolg. „Dies sind bedeutende Schritte für Stada.“

AOC hatte den Machtkampf um die Besetzung des Stada-Aufsichtsrats im Mai mit dem Verlangen angestoßen, das Gremium weitgehend neu zu besetzen. Am Ende brachten die Investoren aber nur einen eigenen Kandidaten durch, den früheren Novartis-Manager Eric Cornut, der anstelle Abends in den Aufsichtsrat gewählt wurde. Im übrigen wurden vier Kandidaten neu gewählt, die Stada selbst in Reaktion auf den AOC-Vorstoß selbst vorgeschlagen hatte: der frühere Amgen-Manager Rolf Hoffmann (57), Birgit Kudlek (49), zuletzt Chief Operating Officer bei Aenova, -Marketing Vorstand Tina Müller (47) sowie Gunnar Riemann (58), der früher die Environmental Science bei Bayer Crop Science geleitet hatte. Kudlek und Riemann setzten sich dabei in Kampfabstimmungen gegen Kandidaten von AOC durch. Hoffmann und Müller wurden auch von AOC unterstützt und daher als einzige mit klaren Mehrheiten von rund 99 Prozent gewählt.

Mehr als 13 Stunden dauert die denkwürdige Hauptversammlung. Sie war weniger turbulent als von vielen erwartet, mündete gegen Ende aber in einem komplizierten und teilweise umstrittenen Abstimmungs-Prozedere. Zwischenzeitlich stand zu befürchten, dass gar nicht alle Tagesordnungspunkte bis Mitternacht abgehandelt werden könnten. Erst nach 23 Uhr stand schließlich die letzte und spannendste Entscheidung fest, die Abwahl Abends und die Wahl Cornuts. Die von AOC ebenfalls vorgeschlagene Abwahl Oetkers wurde dagegen zuvor mit klarer Mehrheit abgelehnt, ebenso wie die beiden Aufsichtsrat-Kandidaten Hans-Helmut Fabry und Klaus-Joachim Krauth.

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Ganz im Sinne einer echten Aktionärsdemokratie lieferte die Versammlung damit ganz unterschiedliche, zum Teil relativ knappe und auch überraschende Ergebnisse. Für die Abwahl Abends stimmten rund 55 Prozent des vertretenen Kapitals. Kudlek und Riemann hatten im ersten Anlauf keine Mehrheit hinter sich und setzten sich erst in einer Stichwahl gegen die AOC-Kandidaten durch. Dieses Ergebnis werden die Investoren womöglich gerichtlich anfechten.


Ereignisse absehbar

‬‪Dass es für Abend dennoch ungemütlich würde, zeichnete sich dabei allerdings schon früh auf der Hauptversammlung ab. Ungerührt saß er in der ersten Reihe auf dem Podium im Saal „Harmonie“ des Frankfurter Congress-Centers, während Vorwürfe und Kritik auf ihn einprasseln.‬‬ „Warum erst jetzt?“, lautet vielfach die Frage der Aktionäre. Sie bezogen sich damit auf den Umbau, den Aufsichtsrat-Chef Abend und Firmenchef Matthias Wiedenfels in den letzten zwei Monaten unter dem Eindruck der AOC-Attacke einleiteten - nach zuvor jahrelangem Stillstand, so der Vorwurf. Besonders die Pension für den langjährigen Chef Hartmut Retzlaff von 32 Millionen Euro sorgen für Kopfschütteln und Empörung.‬‬

Auch bei der öffentlichen Schlammschlacht mit dem Angreifer-Investor AOC hat Abend nach Ansicht vieler Aktionäre nicht immer eine gute Figur gemacht. „Sie müssen sich mangelndes Krisenmanagement anlasten lassen“, sagte etwa Peter Barth von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitzer (DSW) in Richtung Abend.‬‬ Seinem Ruf als Intriganten-Stadl wurde der Pharma-Konzern auf der Hauptversammlung einmal mehr gerecht.

Aufsichtsrat und Angreifer-Investor AOC versuchten die jeweils andere Seite mit schmutzigen Details zu diskreditieren. So warf Abend AOC-Co-Gründer Klaus Röhrig vor, sich unter falschem Vorwand ein Termin bei einem Aufsichtsratsmitglied verschafft. Hinter Abends Rücken sollt dabei der Umsturz des Gremiums besprochen werden. Kandidaten der Stada-Verwaltung für den Aufsichtsrat sollen zudem mit Berater-Verträgen gelockt worden sein.‬‬ Zudem versuchte Abend Zweifel an der Unabhängigkeit der AOC-Kandidaten zu streuen. Drei von Ihnen hätten Verbindungen zum Stada-Konkurrenten Novartis, sagte er unter Buhrufen von Aktionären.‬‬

‪Die AOC-Seite warf Abend dagegen vor, sich nicht an schriftliche Vereinbarungen zu halten. Insbesondere hatte Abend aus Sicht der AOC-Vertreter eine Abmachung gebrochen, die vorsah, dass sich Stada neutral gegenüber drei Aufsichtsrat-Kandidaten des Fonds verhalten würde. Diese Vereinbarung, argumentieren die AOC-Vertreter, hätte dem Unternehmen ‬viel Unruhe im Vorfeld der Hauptversammlung erspart.‬

AOC-Co-Gründer Florian Schuhbauer machte den Stada-Aufsichtsrat zudem für Gehaltsexzesse und Vetternwirtschaft im Unternehmen verantwortlich. „Stada hat die schlechteste Corporate Governance eines deutschen Unternehmens“, sagte Schuhbauer. „Es fällt mir nur ein vergleichbares Beispiel ein: Volkswagen“.

Selbst Aktionäre, die nicht für eine Abwahl plädierten, rückten von Abend ab und forderten seinen Rückzug in zwei Jahren. So sagte Winfried Matthes von der Fondsgesellschaft Deka: „Es reicht Herr Abend. Planen sie ihre Nachfolge.“ Abend nahm diese die Kritik scheinbar ungerührt hin. Doch auf fortlaufende Sticheleien der AOC-Seite, etwa detaillierte Nachfragen zu Verträgen mit externen Beratern, reagiert er sichtlich gereizt.

Nicht zuletzt Schwächen in der Governance, aber auch die vergleichsweise schwache wirtschaftliche Entwicklung von Stada in den letzten Jahren hatte offenbar viele angelsächsische Investoren auf die Seite von Active Ownership getrieben. Sie gaben offenbar den Ausschlag bei der Abwahl des bisherigen Aufsichtsrat-Chefs. Dass sich ausländische Investoren stärker engagierten als in den Vorjahren zeigt auch die Präsenz auf der Hauptversammlung. Vertreten waren 57 Prozent des Kapitals, über 20 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.