Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 2 Stunden 14 Minuten
  • Nikkei 225

    37.987,48
    +359,00 (+0,95%)
     
  • Dow Jones 30

    38.085,80
    -375,12 (-0,98%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.930,81
    -25,14 (-0,04%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.389,14
    +6,57 (+0,48%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.611,76
    -100,99 (-0,64%)
     
  • S&P 500

    5.048,42
    -23,21 (-0,46%)
     

Türkische Immobilien sind in der Coronakrise gefragt

In Zeiten der Pandemie steigt die Nachfrage nach Wohneigentum. Vor allem Einfamilienhäuser mit eigenem Eingang und Garten sind bei Käufern beliebt.

Die türkische Wirtschaft leidet unter der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus. Die Lira hat deutlich an Wert verloren, der Industrie fehlen Aufträge und den Hoteliers die Gäste. Ein Markt erlebt allerdings einen ungeahnten Aufschwung: der Immobilienmarkt.

Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern habe seit dem Beginn der Pandemie spürbar angezogen, berichten unisono Makler und Suchmaschinenbetreiber. „Bei der Analyse nach Wohnungstypen ist sehr deutlich, dass das Interesse an Einfamilienhäusern steigt“, so der Geschäftsführer des Immobilienportals Endeksa, Görkem Ögüt.

Zwar leiden Vermieter auch in der Türkei unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Geschäftsinhaber können ihre Mieten nicht bezahlen, ebenso mancher Wohnungsbesitzer. Doch auch in der krisengeplagten Türkei haben viele Menschen noch Geld auf der hohen Kante – und überlegen sich nun genau, wo sie es investieren wollen.

WERBUNG

Insgesamt sind die Verkaufszahlen laut dem türkischen Statistikamt Tüik im ersten Quartal um 33 Prozent angestiegen, auf 341 038 Einheiten. Für die unter der Covid-19-Pandemie leidende türkische Gesamtwirtschaft ist das zwar nur ein kleiner Lichtblick. Langfristig gesehen zeigt das Verhalten türkischer Hauskäufer jedoch einen möglichen Trend auf: Eigentum wird in Krisenzeiten mehr geschätzt.

Den Erhebungen des Portals Endeksa zufolge steigen mit der Nachfrage die Preise. Für freistehende Häuser mit Garten kletterten die Verkaufspreise in den vergangenen Wochen um 25 Prozent. Eine Tendenz, die sich über die Dauer der Pandemie hinaus aufrechterhalten könnte.

Mit der Nachfrage steigen die Preise

Damit zeichnet sich in der Türkei bereits ab, worüber die Immobilienbranche in Deutschland bislang gespalten ist: Experten sind sich uneins darüber, ob die Coronakrise den jahrelangen Boom am Wohnungsmarkt abwürgt oder ob die Preise weiter steigen. Die Zahl der Inserate in Deutschland hat zuletzt abgenommen – bei bislang stabilen Preisen.

Wie die deutsche hatte auch die türkische Regierung wegen der Pandemie zum Teil harte Ausgangsbeschränkungen erlassen. So durften seit April Menschen, die jünger als 20 Jahre oder älter als 65 Jahre sind, ihre Wohnungen nicht verlassen. An den vergangenen Wochenenden galten Ausgangssperren, auch über lange Wochenenden mit Feiertagen. Ab Juni sind Erleichterungen geplant.

Die Vorstellung, von einem Virus in den eigenen vier Wänden gefangen gehalten zu werden, hat sich offenbar auf das Bewusstsein der Bürger ausgewirkt. Jahrelang war der türkische Wohnungsmarkt der Devise gefolgt: mehr Hochhäuser, kleinere Apartments. Die weltweite Ausbreitung von Covid-19 sorgt für eine Evolution dieser Entwicklung.

Die Immobilienmaklerin Evrim Kirmizitas erklärt, es seien vor allem diejenigen, die im Zentrum lebten, in kleinen Wohnungen oder großen Gebäudekomplexen, die nun nach Eigentum außerhalb der Zentren suchten. Auch sie hat seit Ende März einen spürbaren Anstieg der Nachfrage nach freistehenden Einfamilienhäusern erlebt. Die Leute wollten an die frische Luft und sich zumindest ein wenig die Beine vertreten, vermutet sie. „Für Menschen, die in kleinen Wohnungen leben, ist das unmöglich.“

Endeksa-Chef Ögüt erklärt, die Preise für Einfamilienhäuser seien seit dem 10. März durchschnittlich um 18 Prozent gestiegen, für freistehende Häuser sogar um ein Viertel. Kaufpreise für Immobilien jeglicher Art, inklusive Eigentumswohnungen, seien um elf Prozent geklettert, verglichen mit deutlich niedrigeren Durchschnittswerten seit Jahresbeginn. Die Mieten hätten sich demnach nur um durchschnittlich sechs Prozent verteuert. In Istanbul kostet ein Quadratmeter Grundstück den Berechnungen zufolge inzwischen bis zu 7000 Türkische Lira, umgerechnet derzeit über 900 Euro. Auch in den Provinzen, etwa zwischen Istanbul und Ankara, berichten Makler von steigenden Grundstückspreisen von bis zu 20 Prozent.

Ausländer kaufen online

„Wir haben beobachtet, dass sich die Nachfrage nach Wohnraum von den großen Städten in die anderen Regionen verlagert hat“, sagt Ögüt. Vor allem in Ferienorten an der Küste steige die Nachfrage. Der Markt könne diese Nachfrage noch nicht befriedigen, weshalb die Preise vorerst weiter steigen dürften, vermutet er.

Für die türkische Ökonomie waren die vergangenen Jahre Krisenjahre. Die Lira rutschte mehrmals ab. Diplomatische Streits sorgten für Auftragsverluste und weniger Urlaubsgäste, zumindest aus Europa. Der Immobiliensektor wurde davon häufig in Mitleidenschaft gezogen. Während einer monatelangen Phase von Terroranschlägen und nach einem Putschversuch im Jahr 2016 waren es vor allem Ausländer, die ihre Ferienhäuser und -wohnungen aufgegeben hatten. Die Preise, vor allem in Küstengebieten im Süden des Landes, waren teilweise um 50 Prozent gefallen.

Auch diesmal sind ausländische Interessenten maßgeblich an der Entwicklung beteiligt, doch diesmal geht es nach oben. Selbst die Kontaktsperren scheinen sie nicht davon abzuhalten. Ausländer haben im ersten Quartal 13,8 Prozent mehr Immobilien gekauft als im Vorjahreszeitraum. Der türkische Häusermarkt hat demzufolge bei Ausländern an Beliebtheit gewonnen. Dazu haben auch Erleichterungen der Regierung in Ankara beigetragen, die den Hauskauf für nicht-türkische Staatsbürger seit 2011 ermöglichen. Allein im März hätten nicht-türkische Staatsbürger den Statistiken zufolge 120 Immobilien im Wert von insgesamt 100 Millionen Lira gekauft, umgerechnet rund 13 Millionen Euro, und das wegen der Kontaktsperren komplett online.

Antalya Homes, einer der führenden Makler für den Verkauf von Ferienimmobilien im Süden der Türkei, kann den Trend bestätigen. Über die App Teleproperty habe man allein im April zwölf Objekte im Gesamtwert von über einer Million US-Dollar verkauft. Die Käufer kamen insbesondere aus Deutschland, Großbritannien und Schweden, erklärt der Vorstandsvorsitzende Bayram Tekce.

Die Besichtigung fand über die App statt, ansonsten sei alles gleich geblieben. Fragen seien während der virtuellen Tour beantwortet worden, erklärt Tekce. Wenn sich die Interessenten entschieden haben, haben die Makler des Hauses mit den Verkäufern verhandelt und anschließend per E-Mail ein Preisangebot unterbreitet. Der Kaufprozess werde ähnlich abgewickelt. „Wir haben den Käufern die erforderlichen Dokumente online und per Brief übermittelt“, erklärt Tekce.

Vorbote eines Trends

Faruk Akbal von der türkischen Vereinigung für die Vermarktung von Immobilien im Ausland (Gigder) glaubt daher, dass der türkische Immobilienmarkt den wechselhaften wirtschaftlichen Bedingungen im Land standhalten könne. Die Makler seien mit der Ausbreitung der Pandemie schnell dazu übergegangen, Besichtigungen online anzubieten, etwa über sogenannte Virtual-Reality-Brillen, aber auch über spezielle Videoprogramme wie Facetime, Zoom, WhatsApp oder Skype.

Akbal sieht hier den Beginn eines neuen Trends: Hauskauf übers Internet. Er fordert daher, dass der Staat die bürokratischen Hürden für den Hauskauf abbaue, vor allem, wenn die potenziellen Käufer im Ausland leben und die Grundstücksübergabe nicht persönlich beim Amt erfolgen kann. Der Nachfrageschub während der Hochphase der Covid-19-Pandemie ist seiner Meinung nach bloß der „Vorbote dessen, wie sich der Markt weiterentwickeln wird“.