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Start-ups versuchen aus Europas KI-Aufholjagd Kapital zu schlagen

(Bloomberg) -- Bei der Entwicklung der modernen Internetwirtschaft war Europa seit jeher nur Zaungast — die Musik spielte im Silicon Valley und in China, wo sich die Marktführer im Bereich Computertechnik und Cloud Computing herausbildeten. Im Bereich Künstliche Intelligenz befürchten Wirtschaft und Politik auf dem Kontinent, dass sich die Geschichte wiederholen könnte — mit potenziell katastrophalen Folgen. “Wenn Ihre Konkurrenten Strom haben, wollen Sie nicht mit einer Öllampe dastehen”, sagt Cédric O, Frankreichs ehemaliger Digitalminister.

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Ein Start-up, das Investoren auf dem Schirm haben, ist die deutsche Aleph Alpha GmbH. Die Heidelberger arbeiten an Sprachmodellen, die denen von OpenAI ähneln, dem Hersteller von ChatGPT. Aleph Alpha will in die “digitale Souveränität Europas” investieren und hat 2021 die Risikokapitalgesellschaft Lakestar Advisors GmbH mit an Bord geholt. Lakestar hat Büros in Zürich, Berlin und London.

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Einige sahen in Aleph Alpha schon “Europas Antwort auf OpenAI”. Im Juni bekam es allerdings Konkurrenz bezüglich dieses Titels, als ein Trio von Pariser Forschern eine Finanzierungsrunde in Höhe von 105 Millionen Euro für ihr eigenes Start-up Mistral AI abschloss. Ursprünglich EuroAI genannt, fokussiert sich Mistral ebenfalls auf die Entwicklung grundlegender generativer KI-Modelle, O agiert als Berater. Gegenüber Investoren warnte Mistral vor dem “großen geopolitischen Problem”, dass Europa keinen “ernsthaften Konkurrenten” im Bereich der KI geschaffen habe.

Laut Mistral-Chef Arthur Mensch will das Unternehmen bis zum Jahresende ein Dutzend Ingenieure einstellen und Anfang 2024 die ersten Produkte auf den Markt bringen. Obwohl die Firma für die Verhältnisse der europäischen Tech-Branche einen hohen Betrag aufgebracht hat, verblasst dieser im Vergleich zu dem, was OpenAI bisher einsammeln konnte: 10 Milliarden Dollar (9,1 Milliarden Euro). Mensch sagt daher, dass er noch mehr einsammeln muss.

Aleph Alpha hat hauptsächlich Kunden in Deutschland und ist in Gesprächen mit Investoren, aber Geschäftsführer Jonas Andrulis will sich bislang nur zu den 28 Millionen Euro äußern, die er auf der Bank hat. “Das ist gerade mal genug, um die Stromrechnung von Microsoft für einen Monat zu bezahlen”, sagt er.

Die Rivalität zwischen den Start-ups verdeutlicht, wie prekär Europas Stellung im jüngsten technologischen Wettrüsten ist. Warum es dem Kontinent grundsätzlich schwer fällt, aus dem Internet-Boom Kapital zu schlagen, hat mehrere Gründe: Da Europa aus vielen Nationen mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen besteht, fehlt den Unternehmen der Zugang zu großen, einsprachigen Märkten. In den USA und China ist das anders. Auch die europäische Finanzindustrie hat es versäumt, Start-ups mit der Großzügigkeit der US-amerikanischen Venture-Capital-Branche zu finanzieren.

Die bemerkenswertesten europäischen Innovationen im modernen Internetzeitalter dürften die Regulierungsmaßnahmen sein, denen private Unternehmen unterliegen. Dabei fährt die Europäische Union eine ganz andere Schiene als die USA, wo digitaler Datenschutz, Urheberrecht, Kartellrecht und Datennutzung kaum eine Rolle spielen — Europäer bezeichnen das gern als amerikanischen Wildwuchs.

Für Europa wird im nächsten Jahr eine der strengsten Regulierungen für künstliche Intelligenz erwartet. Das schürt Befürchtungen, dass der Kontinent in der bevorstehenden KI-Ära nicht mithalten kann. Zwar spricht sich etwa Volker Wissing, Minister für digitale Angelegenheiten, für Zurückhaltung und die Bewahrung europäischer Werte aus, warnt aber zugleich, dass die Entwicklung von KI durch Regulierung “behindert” werden könnte.

Schon jetzt halten US-Hersteller einige Produkte vom europäischen Markt fern. Meta bietet etwa seinen neuen Threads-Dienst in der EU nicht an, weil es Bedenken hinsichtlich der Einhaltung von Datenschutzgesetzen gibt. Es könnten Monate vergehen, bis diese ausgeräumt sind.

Auch OpenAI-CEO Sam Altman hat angedeutet, dass er möglicherweise nicht in Europa tätig werden würde, wenn nicht klar sei, dass OpenAI die von der EU erlassenen Vorschriften einhalten könne. Später ruderte er zwar etwas zurück, aber seinen europäischen Hauptsitz hat OpenAI in London eingerichtet — außerhalb der EU.

Eine optimistischere Sicht auf die Dinge ist, dass das europäische Regelwerk jenen eine Chance gibt, die ihm entsprechen. Sowohl Aleph Alpha als auch Mistral wollen den Datenschutzstandards nachkommen und den Kunden die volle Kontrolle über ihre Daten geben. “Ansonsten wird es nicht funktionieren”, sagt Thomas Preuss, geschäftsführender Gesellschafter der deutschen Investmentfirma DTCP Management GmbH.

Viele europäische Akteure zögern umgekehrt bereits, ihr geistiges Eigentum über den Atlantik zu schicken, um einen Chatbot oder andere generative KI-Tools zu entwickeln, sagt Stephen Nundy, ein Investor bei Lakestar. “Wie viele europäische Banken nutzen OpenAI?”, fragt Nundy. “Null. Sie haben Bedenken dabei, Daten an ein US-Modell zu senden, das sie nicht kontrollieren können.”

Laut Andrulis, der einst in der KI-Forschung von Apple tätig war, bestehen die meisten Kunden seines Start-ups darauf, dass ihre Daten auf ihren eigenen Servern verarbeitet und gespeichert werden. Er erinnert sich an die Nachricht eines Kunden aus dem Bankwesen: “Wenn wir sehen, dass Ihre Software ‘nach Hause telefoniert’, haben Sie ein Problem.” Laut Andrulis gehören die deutschen Justizbehörden zu den Kunden von Aleph Alpha. Er fügt hinzu, dass seine Kunden in der Lage sein werden, ihre KI-Tools an ihre Bedürfnisse anzupassen und bestimmte Cloud-Anbieter oder Chip-Hersteller zu nutzen, wenn sie eine Präferenz haben.

Das Angebot von Mistral AI ist ähnlich. Wenn dies dazu beiträgt, dass sich europäische Player wohler fühlen, könnte dies die Angst, abgehängt zu werden, mindern. “Die größte Angst der europäischen Unternehmen ist es, keinen Zugang zu einer so wichtigen Technologie zu bekommen”, sagt Mensch.

Einige Europäer verstehen unter KI jedoch schon jetzt OpenAI. Auch Pigment, ein französischer Anbieter von Unternehmenssoftware, entwickelt eine KI-Funktion, die OpenAI verwendet. Die Kunden seien zwar bereit, mit einer europäischen Alternative zu arbeiten, so Geschäftsführerin Eléonore Crespo. “Aber sie haben keine Zeit zu warten”, sagt sie.

Überschrift des Artikels im Original:Europe’s AI Startups Look to Capitalize on the Continent’s FOMO

©2023 Bloomberg L.P.