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Das sind die Stärken und Schwächen des Siemens-Konzerns

Das Münchener Unternehmen hat in seiner neuen Form aussichtsreiche Geschäftseinheiten. Aktionäre erwarten aber, dass die Dividende bald wieder steigt.

Die Mobility-Sparte arbeitet ein dickes Auftragspolster ab. Foto: dpa
Die Mobility-Sparte arbeitet ein dickes Auftragspolster ab. Foto: dpa

Auf vier Segmente konzentriert sich Siemens in der neuen Struktur. Die Division Digital Industries mit Software und Automatisierungstechnik für Fabriken gilt als Einheit mit den besten Aussichten, was Wachstum und Profitabilität betrifft. Aber auch andere Segmente dürften in den kommenden Jahren zulegen:

Stärke 1: Bahntechnik wächst

Kurz vor dem Wechsel an der Siemens-Spitze handelten der scheidende CEO Joe Kaeser und sein Nachfolger Roland Busch gemeinsam einen Milliardenauftrag in Ägypten aus. Siemens soll Fahrzeuge und Signaltechnik für ein Schnellzugprojekt liefern.

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Nicht nur deswegen dürfte die Bahntechniksparte auch in den nächsten Jahren den Konzern stabilisieren, falls die Konjunktur weiter schwanken sollte. Denn die Mobility-Sparte sitzt auf einem großen Auftragspolster, das Schritt für Schritt abgearbeitet wird.
Im vergangenen Geschäftsjahr 2019/20 stieg der Umsatz der Bahntechnik so um zwei Prozent auf gut neun Milliarden Euro – während der Gesamtkonzern rückläufige Erlöse verzeichnete.

Zwar brach der Auftragseingang bei Mobility – das Geschäft schwankt wegen Großbestellungen stark – um 29 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro ein. Doch hat die Bahntechnik noch immer einen Auftragsbestand von 32 Milliarden Euro abzuarbeiten. Der neue Auftrag aus Ägypten ist da noch nicht eingerechnet. Zudem erwarten Branchenexperten in diesem Jahr einen deutlichen Nachholeffekt nach dem Corona-Rücksetzer 2020.

Mit einer operativen Umsatzrendite von 9,1 Prozent (Vorjahr: 11,0 Prozent) lag Mobility gerade noch innerhalb der mittelfristigen Zielvorgaben von neun bis zwölf Prozent.

In den vergangenen Jahren hatte die früher ertragsschwache Mobility hier zuverlässig geliefert. Den Gewinnrückgang begründete Siemens mit einem geringeren Anteil des höhermargigen Bahn-Infrastrukturgeschäfts sowie mit Kosten durch die Corona- Pandemie für Gesundheitsschutz an den Fertigungsstandorten.

Auch ins neue Geschäftsjahr ist Mobility gut gestartet. Der Umsatz stieg im ersten Quartal 2020/21 um vergleichbar vier Prozent auf 2,2 Milliarden Euro, berichtete Siemens kurz vor der Hauptversammlung. Der Auftragseingang legte um zwei Drittel auf 2,7 Milliarden Euro zu. Die operative Umsatzrendite lag mit zehn Prozent wieder klar innerhalb der Konzern vorgaben.

Stärke 2: Zukunftswert Medizintechnik

In Zeiten einer Pandemie kann es hilfreich sein, auch Gesundheitstechnik im Portfolio zu haben. Zwar fiel die kurzfristige Corona-Bilanz der Siemens-Sparte Healthineers gemischt aus: Die Konzerntochter hat Corona-Tests im Portfolio, litt aber unter der Tatsache, dass viele andere Untersuchungen verschoben wurden.

Doch alles in allem stabilisierte Healthineers die Siemens-Geschäfte. Der Umsatz des MDax-Unternehmens stagnierte 2019/20 bei 14,5 Milliarden Euro, während die Erlöse des Gesamtkonzerns leicht sanken. Der Auftragseingang verbesserte sich um drei Prozent auf 16,2 Milliarden Euro.

Die Perspektiven sind gut. Der Weltmarkt für Medizintechnik dürfte laut einer Studie des Branchenverbands VDMA von zuletzt 484 Millionen Euro auf knapp 600 Millionen Euro im Jahr 2024 wachsen.

Die Healthineers-Sparte hat aufgrund ihrer Aufstellung gute Chancen, daran zu partizipieren. Allerdings muss die Siemens-Tochter an der Profitabilität arbeiten. Das operative Ergebnis (bereinigtes Ebit) sank 2019/20 von 2,5 auf 2,2 Milliarden Euro. Dies entsprach einer Marge von 15,4 Prozent nach 17,1 Prozent im Vorjahr. Damit lag Healthineers unter den mittelfristigen Erwartungen von Siemens als Eigentümer von 17 bis 21 Prozent.

Verantwortlich dafür war vor allem die Diagnostiksparte. Diese hatte Probleme beim Anlauf der neuen Plattform Attelica. Nun kamen auch noch die verschobenen Behandlungen in Kliniken hinzu. Der Umsatz sank daher um vergleichbar vier Prozent auf 3,9 Milliarden Euro, das operative Ergebnis brach von 375 auf 72 Millionen Euro ein.

Einmal mehr profitierte Healthineers im vorigen Geschäftsjahr dagegen von der starken Bildgebungssparte mit Röntgengeräten und Computertomografen, die Umsatz und Ergebnis steigern konnte.

Große Chancen ergeben sich durch die Integration von Varian. Healthineers übernimmt den amerikanischen Spezialisten für Krebsdiagnose und -therapie für stolze 16 Milliarden Dollar – die größte Akquisition in der Siemens-Geschichte.

Die Siemens-Aktionäre erwarten, dass ihnen nach Abschluss des laufenden Geschäftsjahrs 2020/21 wieder eine höhere Dividende gezahlt – so, wie sie es eigentlich gewohnt sind:

Schwäche 1: Dividende sinkt

Siemens galt über lange Jahre nicht unbedingt als Dividendentitel. Erst unter Ex-Vorstandschef Peter Löscher – und seinem Finanzvorstand Joe Kaeser – änderte sich dies. Seither will Siemens möglichst immer 40 bis 60 Prozent des Gewinns nach Steuern ausschütten.

In den vergangenen Jahren wurde die Dividende oft erhöht – bis Corona kam. In seinem letzten vollen Geschäftsjahr musste CEO Kaeser die Ausschüttung erstmals senken.

Denn der Konzern zahlt für 2019/20 nur 3,00 Euro reguläre Dividende plus weitere 0,50 Euro, insgesamt also 3,50 Euro je Aktie. Im Jahr zuvor hatte es 3,90 Euro gegeben. Damit schüttet Siemens insgesamt 2,8 Milliarden Euro aus. Dies entspricht angesichts eines Gewinns nach Steuern von vier Milliarden Euro, der auf die Aktionäre der Siemens AG entfällt, einer Ausschüttungsquote von 70 Prozent.

Dabei ist zu bedenken, dass die Siemens-Aktionäre durch die Aufspaltung im vergangenen Jahr auch Anteilseigner der neuen Siemens Energy AG werden. In guten Jahren bekommen sie, wenn sie die Aktien behalten, also zusätzlich eine Ausschüttung des Energietechnik-Konzerns. Für das Geschäftsjahr 2019/20 zahlt Siemens Energy nach Verlusten allerdings keine Dividende.

Mit der Dividendenkürzung steht die Siemens AG nicht allein da. Noch haben nicht alle Dax-Konzerne ihre Pläne vorgelegt. Doch nach Berechnungen des Handelsblatts dürften die 30 Dax-Konzerne im Frühjahr 31 Milliarden Euro an Dividenden zahlen. Das sind sieben Prozent weniger als 2020 und gut 20 Prozent weniger als 2019.

Dabei dürfte aber ein gutes Dutzend Unternehmen die Ausschüttung trotz Corona erhöhen. Voraussichtlich sieben Dax-Konzerne dürften die Dividende kürzen, zwei zahlen gar keine.

Der neue Siemens-Chef Roland Busch dürfte den Ehrgeiz haben, die Dividende bald wieder anzuheben. Doch im Coronakrisenjahr sollten nach Einschätzung in Industriekreisen alle Stakeholder ihren Beitrag leisten – also auch die Eigentümer.

Schwäche 2: Niedrige Kapitalrendite

Bei den Gewinn- und Umsatzprognosen hat Joe Kaeser während seiner Amtszeit zuverlässig geliefert, lässt man die Sondersituation im Coronajahr einmal beiseite. Während sein Vorgänger Peter Löscher über eine Reihe von Gewinnwarnungen stürzte, erreichte oder übertraf Kaeser regelmäßig die Umsatz- und Gewinnprognosen.

Doch ein längerfristiges Ziel wurde auch unter seiner Führung meist verfehlt: die gewünschte Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Capital Employed/ROCE). „Wir streben an, mit dem von unseren Aktionären und Kreditgebern zur Verfügung gestellten Kapital profitabel und so effizient wie möglich zu arbeiten“, heißt es im Geschäftsbericht.

Doch ging der ROCE wegen der Übernahmen der Vergangenheit im Geschäftsjahr 2019/20 von 11,1 auf 7,8 Prozent zurück. Grund dafür: Der zugrunde liegende Gewinn vor Zinsen nach Steuern sank von 5,9 auf 4,4 Milliarden Euro, während das durchschnittlich eingesetzte Kapital von 53,5 auf 56,2 Milliarden Euro wuchs.

Der ROCE gibt an, wie effizient und profitabel ein Unternehmen mit seinem eingesetzten Kapital arbeitet. Langfristiges Ziel im „Siemens Financial Framework“ ist ein ROCE von 15 bis 20 Prozent.

Diese Bandbreite wurde in den vergangenen Jahren aber meist verfehlt. Für das laufende Geschäftsjahr 2020/21 erwartet Siemens zwar einen Anstieg, der ROCE werde voraussichtlich aber im einstelligen Bereich bleiben. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Siemens mit der Übernahme des US-Krebstherapie-Spezialisten Varian für 16 Milliarden Dollar die größte Übernahme der Konzerngeschichte gestemmt.

So schnell also wird auch die neue Siemens AG die ROCE-Ziele nicht erfüllen. In Industriekreisen bezweifelt man auch, ob dieses Ziel für einen innovationsgetriebenen Wachstumskonzern mit seinen Digitalgeschäften und möglichen weiteren Übernahmen überhaupt das richtige ist. Entscheidender sei die operative Profitabilität der Geschäfte.