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SPD nimmt Hartz IV ins Visier

Die SPD stellt mit ihrem Sozialstaatskonzept die Weichen für grundlegende Reformen bei Hartz IV. Saskia Esken nennt den Vorstoß „bahnbrechend“.

Die Sozialdemokraten haben auf dem zweiten Tag ihres Parteitages über ihr Sozialstaatskonzept gesprochen. Foto: dpa
Die Sozialdemokraten haben auf dem zweiten Tag ihres Parteitages über ihr Sozialstaatskonzept gesprochen. Foto: dpa

Kein Thema wühlt die Genossinnen und Genossen seit Jahren so auf wie die Agenda 2010 und deren zentralen Bestandteil, die Hartz-Reformen. Das große Lager der Hartz-Gegner in der Partei hält die vom damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ins Werk gesetzten Reformen für den großen Sündenfall der Sozialdemokratie.

Nun sollen grundlegende Änderungen beim Thema Hartz IV helfen, die Wunden zu heilen. „Wir wollen Hartz IV hinter uns lassen“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin. Die SPD wolle, dass die Jobcenter den Menschen auf Augenhöhe begegneten. „Wir wollen, dass diese Menschen nicht Bittsteller sind.“

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Das Sozialstaatskonzept, das die Delegierten am Samstag beschlossen haben, sieht unter anderem vor, dass Hartz-IV-Bezieher einen Anspruch auf Qualifizierung und auf finanzielle Unterstützung beim Nachholen eines Schulabschlusses erhalten.

Die SPD will allerdings auf die vollständige Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen verzichten, mit denen die Geldzahlungen bei mangelnder Zusammenarbeit mit den Jobcentern gekürzt werden können. „Pflichtverletzungen können nicht folgenlos bleiben“, heißt es in einem Kompromiss für den Parteitag. „Dabei muss das Existenzminimum gewährleistet sein.“ Vorher hieß es in dem Papier: „Pflichtverletzungen können sanktioniert werden.“

„Ich finde, dass wir da einen guten Weg gefunden haben“, sagte Bundesarbeitsminister und SPD-Vizechef Hubertus Heil. Es gebe in der gesellschaftlichen Debatte zwei Pole: Jene, die alle Arbeitslosen unter den Verdacht stellten, zu faul zu sein zum Arbeiten – und die anderen, „die jede Form von Mitwirkung schon für einen Anschlag auf die Menschenwürde halten“. Beides sei falsch.

Das Sozialstaatspapier sieht eine Umwandlung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) in ein Bürgergeld, einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld I und eine Kindergrundsicherung vor. Hinzu kommt ein Arbeitslosengeld für Qualifizierungen. Der Mindestlohn soll „perspektivisch“ auf zwölf Euro steigen. Zudem soll laut SPD künftig ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich verankert werden. Ferner soll es eine Bürgerversicherung in der Pflege geben.

Einen Entwurf des Sozialstaatskonzeptes hatte die Partei bereits im Februar vorgelegt. Rückenwind bekamen die Reformpläne der Sozialdemokraten durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV vom 5. November. Die Richter hatten geurteilt, dass monatelange Minderungen um 60 Prozent der Hartz-IV-Leistungen oder mehr mit dem Grundgesetz unvereinbar sind.

Jobcenter dürfen demnach die monatlichen Leistungen zwar weiter um 30 Prozent kürzen, wenn Arbeitslose ihren Pflichten nicht nachkommen. Aber das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum dürfe nicht unterschritten werden, so das Urteil der Richter.

„Bahnbrechendes“ Sozialstaatspapier

Die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte in einer ersten Reaktion auf das Urteil im November noch den Schluss gezogen, Hartz IV sei insgesamt verfassungswidrig. Diese weit reichende Interpretation des Urteils macht sich das Sozialstaatskonzept der SPD allerdings nicht zu eigen.

Gleichwohl hatten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die bereits am Freitag zum neuen Führungsduo der Partei gewählt worden waren, unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie einen Kurswechsel ihrer Partei in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik anstreben. Esken hatte dem Niedriglohnsektor den Kampf angesagt und angekündigt, die SPD werde Hartz IV „überwinden“ und „den Sozialstaat ins 21. Jahrhundert überführen“. Das Sozialstaatspapier der Partei sei „bahnbrechend“.

Bei den Vorstandswahlen erlitten der bisherige Parteivize Ralf Stegner und Berlins Bürgermeister Michael Müller am Samstag eine Niederlage. Beide fielen im ersten Wahlgang durch und traten dann nicht mehr an. Außenminister Heiko Maas scheiterte im ersten Wahlgang, wurde aber im zweiten Wahlgang klar gewählt.

Auch Familienministerin Franziska Giffey, Umweltministerin Svenja Schulze, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius und der sächsische SPD-Chef Martin Dulig wurden gewählt. Nicht in das Gremium schaffte es der Außen-Staatsminister und Abgeordnete Niels Annen.

Bereits am Freitag hatten die Delegierten Klara Geywitz, Hubertus Heil, Kevin Kühnert, Serpil Midyatli und Anke Rehlinger zu stellvertretenden Vorsitzenden der SPD gewählt. Das beste Abstimmungsergebnis erzielte mit 79,8 Prozent die schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende Midyatli.

Dagegen musste sich Juso-Chef Kevin Kühnert, dessen Bewerbungsrede mit tosendem Applaus bedacht wurde, mit 70,4 Prozent der Stimmen begnügen, Hubertus Heil mit 70,0 Prozent. Um eine Kampfkandidatur zwischen Heil und Kühnert zu vermeiden, war die Zahl der Stellvertreterposten am Freitag kurzfristig von drei auf fünf erhöht worden.

Mehr: Nach langem Hin und Her hat der Parteitag mit großer Mehrheit entschieden: Die SPD will der Großen Koalition noch eine Chance geben – zumindest vorerst. Die CDU-Chefin freut's.