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„Der soziale Wohnungsbau ist ein bürokratischer Moloch“

Jacopo Mingazzini ist Chef der Berliner Accentro Real Estate AG, die sich auf den Verkauf von Wohnungen im mittelpreisigen Segment konzentriert, vor allem in der Hauptstadt.
Von der aktuellen Wohnungspolitik hat er eine klare Meinung: Er sieht eine Schieflage. Mingazzini hält die geplante Schaffung von 1,5 Millionen Wohnungen bis zum Ende der Legislaturperiode für illusorisch und die geplante Einführung eines Baukindergeldes für nicht effizient genug.

Herr Mingazzini, die Städte kommen gar nicht mehr hinterher, neuen Wohnraum bereitzustellen. Leiden die Städte unter ihrer eigenen Attraktivität?
Sie leiden natürlich insofern, als dass die Mieten stark angestiegen sind. Berlin zum Beispiel hat in den letzten fünf Jahren 250.000 neue Einwohnerbekommen. Das ist natürlich schwer zu verkraften – vor allem, wenn man überlegt, dass wir noch vor zehn Jahren in einigen Stadtteilen über den Abriss von Wohnungen nachgedacht haben. Seitdem hat sich die Welt einmal komplett auf den Kopf gestellt.

Abriss war gestern – Bauen ist heute. Die Bundesregierung will, dass bis Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen gebaut werden. Ist das machbar?
Ich halte das für illusorisch. Und zwar nicht, weil die Bauträger es nicht wollen, sondern weil die Planungs- und Genehmigungszeiten viel zu lang sind. Das Ziel wird weit verfehlt.

Was wäre denn machbar?
Wenn zwei Drittel davon erreicht werden, dann wäre es schon gut.

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Die Baugenehmigungszahlen steigen ja …
In Berlin sind sie 2017 gegenüber 2016 leicht gesunken, und im ersten Quartal nochmals deutlich. Auch bundesweit gibt es leider keinen eindeutigen Trend nach oben, die Entwicklung ist ziemlich uneinheitlich.

Wer hat Schuld in Berlin? Der rot-rot-grüne Senat? Ist nicht auch vorher viel zu wenig gebaut worden?
Ich habe ja erklärt, aus welcher Welt wir kommen. Vor zehn Jahren wurden in ganz Berlin ein paar Hundert Wohnungen gebaut. Das hat sich deutlich geändert. Aber was die Politik derzeit an Rahmenbedingungen setzt, ist nicht gerade investorenfreundlich. Für den Senat sind nur gemeinwohlorientierte Investoren gute Investoren. Alle anderen werden nicht gerade freundlich behandelt, egal, ob es sich um Baulandzuweisungen oder Baugenehmigungen handelt.

Merken Sie als Wohnungshändler das auch?
Es ist nicht gerade so, dass einem der rote Teppich ausgelegt wird. Abgesehen davon, dass die privaten Investoren darunter leiden, dass ihnen das Land keine Grundstücke mehr verkauft, sondern die ausschließlich den öffentlichen Wohnungsgesellschaften zur Verfügung stellt, hat man uns zuletzt untersagt, in einem Haus, in dem wir das Dachgeschoss ausbauen wollten, auch einen Aufzug einzubauen. Auch bei der Nachrüstung des Hauses mit Balkonen hat sich der Bezirk erst mal gesperrt – mit dem Argument, es handele sich um ein Milieuschutzgebiet …

… in dem große Veränderungen nicht erlaubt sind …
Bislang war es Konsens, dass auch in einem Milieuschutzgebiet Fahrstühle und Balkone bis zu einer Größe von vier Quadratmetern zu genehmigen sind. Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung sollte man nicht darüber streiten, ob ab dem dritten oder vierten Obergeschoss ein Aufzug zur Verfügung stehen sollte. Das sollte man heutzutage wirklich nicht unbedingt als Luxus sehen.

Und auch eine Senatorin der Linkspartei muss zur Kenntnis nehmen, dass die Leute nach Berlin wollen und daraus den Schluss ziehen, dass da nur Bauen hilft, um die Kosten für Mieten und Eigentum zu begrenzen. Da muss sich Berlin noch ordentlich strecken, wenn es die Attraktivität nicht abwürgen will. Der Wohnungsbereich ist ja nicht der einzige Bereich, in dem es nicht läuft.

Wo läuft es ebenfalls schlecht?
Viele Gewerbebetriebe suchen dringend neue Flächen, die aber nur schleppend bereitgestellt werden. Auch das ist geeignet, um das Wachstum in Berlin deutlich abzubremsen.

Die Regierung will vor allem bezahlbaren Wohnraum schaffen. Doch die Baukosten steigen und steigen. Wo sehen Sie Möglichkeiten, die Kosten zu reduzieren?
Es gab ja Vorschläge, die Umsatzsteuer auf Bauleistungen zu reduzieren oder auszusetzen. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Mir wäre es aber fast noch wichtiger, den ganzen Prozess zu beschleunigen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum es mitunter fünf Jahre braucht, um eine Baugenehmigung zu bekommen. Das wird dem Problem einfach nicht gerecht.

In Berlin läuft es nicht rund, aber was ist mit dem Bund? Müsste nicht der neue Bundesinnenminister Seehofer erklären, was genau er vorhat?
Horst Seehofer hat die Wohnungsfrage als die soziale Frage der nächsten Jahre bezeichnet. Ich gehe deswegen davon aus, dass das Thema Wohnungsbau auf der Agenda deutlich nach oben rutschen wird, wenn die BAMF-Affäre abgearbeitet ist. Aber es stimmt, im Moment verschärft sich das Problem auf dem Wohnungsmarkt. Da steckt viel Sprengstoff drin. In den nächsten vier, fünf Jahren wird das Problem nicht kleiner werden.

Zur Widersinnigkeit des Systems gehört, dass die Politik einerseits die hohen Kosten im Wohnungsbau kritisiert, andererseits aber mit einer hohen Grunderwerbsteuer wenig zur Entspannung beiträgt.
Ja, selbst der Bund könnte Ersterwerber von Wohnungen oder Häusern von der Grunderwerbsteuer befreien, dazu braucht es nicht die Länder, die ja ansonsten für die Grunderwerbsteuer die Verantwortung tragen. Das wäre auch viel schlauer als das geplante Baukindergeld.

Warum?
Ein Baukindergeld einzuführen, ist ja nicht falsch. Aber es ist nicht der effizienteste Weg. Der Verzicht bei der Grunderwerbsteuer bei Ersterwerbern kombiniert mit Bürgschaften, als Eigenkapitalersatz, wäre kostengünstiger und längst nicht so bürokratisch. Das Problem in Deutschland, warum so wenige Menschen Eigentum erwerben, sind doch die hohen Kaufnebenkosten.

Wären die niedriger, würden die Menschen eher kaufen?
Definitiv. Die einzige Hürde sind die hohen Anfangskosten, die man in der Regel nicht mit Fremdkapital finanzieren kann: Notarkosten, Grunderwerbsteuer, manchmal Maklerkosten. In der derzeitigen Niedrigzinsphase ist es fast überall in Deutschland günstiger zu kaufen als zu mieten. Und trotzdem explodiert die Eigentümerquote nicht. Im Grunde müsste man die aktuelle Zinssituation nutzen, um aus den Deutschen ein Volk von Wohnungseigentümern zu machen. Das würde der Vermögensbildung und damit der Altersvorsorge dienen.

Der Druck auf dem Wohnungsmarkt hält also an, vor allem in den großen Städten. Was macht das mit den Preisen?
Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten zehn Jahren ähnliche Steigerungsraten erleben wie in den vergangenen zehn Jahren, aber ich glaube, dass die Preise tendenziell weiter steigen werden.

Das sieht Harald Simons von Empirica ganz anders. Er prognostiziert für Berlin, dass die Party bald vorbei ist.
Er ist der einzige Experte, der das so sieht. Und ich habe mit ihm gewettet, dass es nicht so kommen wird. Seine Annahme fußt auf der Analyse, dass sich die Struktur der Zuwanderung nach Berlin geändert hat. Während früher vor allem Deutsche aus anderen Teilen des Landes sowie Südeuropäer nach Berlin geströmt sind, sind es jetzt eher Menschen aus Südost-Europa. Ob der Zuzug aus diesen Regionen bald abebbt oder nicht – da kann viel darüber spekuliert werden. Daraus auf eine Preiskorrektur zu schließen, halte ich für sehr gewagt.

Also geht es weiter mit den Preissteigerungen in Berlin?
Das, was im Moment an Wohnungen in Berlin gebaut wird, reicht ja noch nicht mal aus, um die Neuzuzügler aufzufangen. Selbst wenn in den kommenden Jahren statt 50.000 Menschen jährlich nur noch 20.000 kommen, dann reicht der Neubau nicht, um diese Entwicklung aufzufangen. Und im Moment ist Berlin noch so attraktiv, dass die Leute die Preisschmerzen ganz offensichtlich gern in Kauf nehmen. Die Kaufbereitschaft ist nach wie vor sehr hoch. Die Kunden müssen sich schnell entscheiden.

Eine Immobilienblase sehen Sie nicht?
Eine Blase ist immer auch verbunden mit unvernünftig hohen Fremdkapital-Anteilen und spekulativen Erwartungen. Unsere Erfahrung ist aber, dass die Banken sehr vorsichtig sind mit der Kreditvergabe und sehr stark darauf, dass die Kunden Zins und Tilgung zahlen können. Die Preisentwicklung ist ein völlig normaler Ausdruck der niedrigen Zinsen und der starken Nachfrage. Ich sehe weder in Berlin noch in anderen Städten irgendwelche Überhitzungstendenzen. Und Berlin hat noch immer Nachholbedarf.

Was meinen Sie damit?
Berlin befindet sich, wenn man sich die Preise für Eigentumswohnungen anschaut, noch immer nicht unter den zehn teuersten Städten Deutschlands, sondern nur auf Platz 12. Ich denken aber, in zehn Jahren wird Berlin mit großer Wahrscheinlichkeit unter den fünf teuersten Städten Deutschlands sein.

Warum ist die Aufregung dann in Berlin so groß?
Weil, der historisch besonderen Situation der Stadt geschuldet, die Preise hier über viele Jahre so niedrig waren. Und weil das Durchschnittseinkommen noch immer niedriger ist. Vor 15 Jahren konnte man eine Wohnung im dritten Obergeschoss im Wedding kaum für 3,50 Euro pro Quadratmeter vermieten. Heute kostet dieselbe Wohnung 15 Euro in der Neuvermietung, wenn sie ein bisschen saniert wurde. Das ist natürlich eine immense Veränderung. Doch eigentlich ist Berlin nur dabei, eine normale, deutsche Großstadt zu werden. Dass das mit Wachstumsschmerzen verbunden ist, ist klar.

Wie wird sich Berlin verändern?
In Berlin wird man viel über Nachverdichtung schaffen können. In Städten wie München, Frankfurt ist jedes Dachgeschoss ausgebaut, jede Lücke geschlossen, jeder Hinterhof bebaut. Berlin dagegen ist noch eine riesige Spielwiese für Bauträger und Investoren, man muss es nur zulassen.

Wenn die Preise für Mieten und Eigentum aber steigen, wo bleibt da der bezahlbare Wohnraum?
Wenn man heute in Berlin ein Grundstück kauft, beplant und bebaut, dann wird das in der Regel nicht unter einem Verkaufspreis von 5.000 Euro gehen können. Das ist natürlich ein hoher Preis. Mieten von 6,50 Euro sind da wirtschaftlich nicht drin. Ich bin deswegen ein Freund der Subjektförderung, von Wohngeld beispielsweise. Wer bedürftig ist, soll für eine Weile Unterstützung bekommen. Der ganze soziale Wohnungsbau ist dagegen ein bürokratischer Moloch.

Kann die Mietpreisbremse für Erleichterung sorgen?
Nicht wirklich. Die Mietpreisbremse ist lediglich ein Geschenk für Besserverdiener. Es ist doch so: wenn ein Vermieter sich für einen von vielleicht 100 Interessenten entscheiden soll, dann wählt er den Solventesten. Wenn der künftig für die Wohnung nicht mehr zehn, sondern nur noch sieben Euro bezahlt, freut er sich. Und der Kleinverdiener geht leer aus.

Sie lassen kein gutes Haar an den Vorhaben der Regierung.
Doch. Die geplante Begrenzung der Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent finde ich nicht schlimm. Da hätte ich sogar sechs Prozent für angemessen gefunden.