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Sonnenstrom-Anleger erst subventioniert, dann abkassiert

Spanien hat die Vergütung für Sonnenstrom rückwirkend drastisch gekürzt. Nun bangen Anleger, dass dies auch hier passieren könnte. Wann der Staat alte Vereinbarungen brechen darf und was das für Anleger bedeutet.

Wer sich zu sehr auf Zusagen des Gesetzgebers verlässt, ist bisweilen falsch beraten. Diese bittere Erfahrung machen derzeit Zehntausende Privatanleger, die ihr Geld in spanische Solaranlagen investiert haben, darunter Tausende Deutsche. Sie hofften auf eine stattliche Rendite von bis zu acht Prozent pro Jahr auf ihre Einlage. Doch es kam anders.

Weil die Kosten aus dem Ruder liefen, hat die Madrider Regierung das Fördersystem seit 2011 in mehreren Schritten zurückgefahren. Und sie schreckte dabei auch nicht davor zurück, die Konditionen rückwirkend massiv zu verschlechtern. Die Folge sind dramatische Umsatzeinbrüche.

Den Betreibern von Solarkraftwerken, die 2008 ans Netz gingen, hatte der Staat zum Beispiel eine fixe Vergütung von 32 Cent je Kilowattstunde (kWh) über 25 Jahre zugesagt. Inzwischen gilt ein kompliziertes System aus anlagen- und betriebsabhängigen Vergütungen. Sie haben eines gemeinsam: In allen Varianten fallen sie deutlich niedriger aus.

„Die Einnahmen sind um bis zu 35 Prozent gesunken“, klagt Hermann Klughardt, Geschäftsführer von Voigt & Collegen, einem der führenden Fondsmanager. Rund 4200 Anleger, die über zwei Fonds des Emissionshauses in den Solarpark Badajoz im Südwesten Spaniens investiert haben, erhalten seit zwei Jahren keinen Cent Rendite – obwohl die Stromproduktion voll im Soll liegt.

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Aufgeschreckt vom Debakel auf der Iberischen Halbinsel, fragen besorgte Investoren: Kann das auch in Deutschland passieren? Jetzt, wo die CDU sogar erwägt, den völligen Stopp der Ökostromförderung ins Wahlprogramm aufzunehmen. Und wäre es rechtlich zulässig, nachträglich die Vergütungen zu kürzen?

Dass die Bundesregierung vor rückwirkenden Änderungen nicht zurückschreckt, hat sie jedenfalls gerade erst beim neuen Investmentsteuerrecht bewiesen. Es sieht vor, dass Anleger von Aktienfonds Kursgewinne, die von 2018 an entstehen, ab einer bestimmten Höhe versteuern müssen. Und zwar auch dann, wenn sie die Anteile schon vor der Einführung der Abgeltungsteuer 2009 gekauft haben. Dabei hatte die Regierung damals versprochen, dass solche Anteile unter „Bestandsschutz“ stünden und auch in Zukunft mit steuerfreiem Gewinn verkauft werden könnten.

Wut über steigende Strompreise

Warum sollte sie es sich nicht auch bei der Solarförderung anders überlegen, wenn der politische Druck wegen der galoppierenden Strompreise nur groß genug wird? Entsprechende Gedankenspiele kursieren in Berlin seit Jahren. So kam eine Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mit dem Titel „Rückwirkende Änderung der EEG-Vergütung“ (WD 5–3000–41/11) schon 2011 zu dem Schluss, dass dies „in gewissen Grenzen verfassungsrechtlich zulässig“ sei. Und gerade eine rückwirkende Kürzung der Einspeisevergütung für Fotovoltaikanlagen ließe sich gegenüber den Wählern gut verkaufen.

Eiferte die Bundesregierung Spanien nach, träfe das Hunderttausende Anleger, die über verschiedene Vehikel – Fonds, Genossenschaften oder Genussrechte – in Solarparks zwischen Garmisch und Flensburg investiert haben. Auch mehr als 1,5 Millionen Hausbesitzer würden auf einmal weniger Geld für die Watt und Volt erhalten, die ihre solaren Dachkraftwerke produzieren und die laut Bundeswirtschaftsministerium zu 70 Prozent in die Stromnetze fließen.


Der Druck steigt

Sicher ist: Auch hierzulande wächst der politische Druck. Zwar erhöhen die Vergütungen für den Ökostrom – anders als in Spanien – nicht die Staatsschulden. Dafür belasten sie die Stromverbraucher immer stärker. Schon Anfang Januar steigt die sogenannte EEG-Umlage, die auf Basis des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) festgelegt wird, erneut – von 6,35 auf 6,88 Cent je kWh. Zusätzlich verteuern sich wegen des notwendigen Ausbaus der Stromtrassen im Zuge der Energiewende auch die Netzgebühren.

Beides katapultiert den Preis für Elektrizität vielerorts erstmals über die Grenze von 30 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren kostete Haushaltsstrom im Durchschnitt weniger als 20 Cent.

Kein Wunder, dass der Unmut wächst – unter den privaten Stromkunden wie bei den Unternehmen. „Es kann nicht sein, dass Wirtschaft und Verbraucher ständig mehr zahlen“, schimpft der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer.

Den Kritikern sind vor allem die Hunderttausenden Bestandsanlagen ein Dorn im Auge. Sie treiben die Kosten am stärksten. Denn ihre Eigentümer kassieren für 20 Jahre garantierte Vergütungen, deren Höhe von der Art der Anlage und vom Jahr des Netzanschlusses abhängt. Ein Hausbesitzer, der 2004 eine typische Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 10 Kilowatt aufs Dach schraubte, erhält seither satte 57,4 Cent für jede Kilowattstunde. Und das bis 2024.

Solarkosten ufern aus

Offenbar hat die Bundesregierung lange unterschätzt, in welchen Massen die üppige Subventionierung der Solartechnik Investoren anlocken würde – und zu spät gegengesteuert. Ein aktuelles Gutachten des Düsseldorf Institute for Competition Economics taxiert die Kosten der Energiewende für den Zeitraum 2000 bis 2025 auf 520 Milliarden Euro – mehr als das Anderthalbfache des diesjährigen Bundeshaushalts. Hauptkostentreiber ist die EEG-Umlage mit 408 Milliarden Euro. Was wäre da einfacher, als die hohen Vergütungen für Altanlagen kurzerhand zu senken?

Unmöglich ist das nicht. „Rückwirkende Eingriffe sind gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht prinzipiell ausgeschlossen“, erläutert Jochen Hell, Experte für Energierecht bei der Kanzlei Dornbach in Saarbrücken. Und es gibt Präzedenzfälle: Das Papier des Bundestages „Rückwirkende Änderung der EEG-Vergütung“ von 2011 etwa ermutigte den damaligen Umwelt- und heutigen Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) zwei Jahre später zu einem ersten Vorstoß. Sein Konzept für eine Strompreisbremse sah einen „EEG-Soli für Betreiber von Bestandsanlagen“ vor – de facto nichts anderes als eine rückwirkende Senkung.

Was sagen die Verfassungshüter?

Nach Protesten ruderte Altmaier zwar zurück – hinterließ aber verunsicherte Investoren. „Bis dahin hielt ich es für völlig ausgeschlossen, dass die Bundesregierung ihr Versprechen bricht“, sagt Klughardt von Voigt & Collegen. „Seitdem bin ich mir nicht mehr so sicher.“

Die rechtlichen Hürden ließen sich vermutlich überwinden – zumindest, wenn der Staat nur Vergütungen kürzt, die noch nicht ausgezahlt wurden. Alles hänge „von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung und Begründung ab“, heißt es im 2011er-Bundestagsgutachten.

Das entscheidende juristische Kriterium: „Der Gesetzgeber müsste überzeugend begründen, dass ohne die Änderung schwerwiegende Nachteile für die Allgemeinheit drohen“, präzisiert Hell. „Diese Hürde dürfte überwindbar sein, wenn andere Maßnahmen nicht fruchten und die EEG-Umlage – und mit ihr der Strompreis – weiter deutlich steigt.“


Angelockt und abgezockt?

Allerdings dürfe der Gesetzgeber nicht allzu rabiat vorgehen. „Wenn Investitionen die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird, wäre das unzulässig“, sagt Hell. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Solange Betreiber eine Rendite erzielen, kann das Verfassungsgericht Änderungen durchwinken.

Gerade bei Anlagen aus dem letzten Jahrzehnt, die generös vergütet werden, besteht damit Spielraum. So heißt es im Bundestagsgutachten, dass „ein schutzwürdiges Vertrauen der Altanlagenbetreiber bei weit überhöhten Vergütungen wahrscheinlich entfiele“.

„Die Bundesregierung könnte eine rückwirkende Kürzung so ausgestalten und begründen, dass realistische Chancen vor dem Verfassungsgericht bestünden“, konstatiert Hell – zumal die Richter seit einigen Jahren eher dazu neigten, „dem Gesetzgeber größeren Entscheidungsspielraum zuzubilligen“.

Unabhängig von der rechtlichen Bewertung hofft Hell, dass es so weit nicht kommt. „Investoren müssen darauf vertrauen können, dass Entscheidungen nicht nachträglich die Grundlage entzogen wird“, sagt er. In Spanien jedenfalls wollten die Solarinvestoren laut Klughardt nicht hinnehmen, dass der Staat gesetzliche Zusagen einfach wieder einkassiere. „Wir haben im September beim Schiedsgericht der Weltbank Klage gegen Spanien eingereicht“, berichtet er. Das dreiköpfige Richtergremium wird voraussichtlich ab Februar verhandeln.

Es geht um viel Geld. In der Erwartung auf Ausschüttungen von rund sieben Prozent pro Jahr steckten die Anleger dort 2009 und 2010 mindestens je 10.000 Euro in die Fonds SolEs 21 und 22. So kamen fast 70 Millionen Euro zusammen. Da die Fonds zudem Kredite aufnahmen, standen am Ende fast 200 Millionen Euro zu Buche. Gut die Hälfte floss nach Badajoz, der Rest in italienische Solarparks.

Spanien spielt auf Zeit

Die Voigt-Anleger sind nicht alleine, weitere deutsche Investoren befürchten Verluste. Energiekonzerne wie Innogy oder Steag, aber auch Fonds mit Tausenden Privatanlegern haben investiert. Und viele haben ebenfalls Schiedsverfahren bei der Weltbank eingeleitet, um die zugesicherten Vergütungen zu erhalten. Sie alle fühlen sich angelockt und abgezockt.

Können ausländische Investoren noch auf Entschädigung hoffen, dürften die spanischen leer ausgehen. Denn das Verfassungsgericht in Madrid hat die nachträglichen Kürzungen abgesegnet. Und Schiedsverfahren stehen nur Ausländern offen, die sich auf internationale Verträge berufen können. Bis die Badajoz-Anleger aus Deutschland Klarheit haben, dürften aber noch Jahre vergehen: Spanien spielt auf Zeit. Bislang seien „sämtliche Fristen voll ausgereizt“ worden, beklagt Fondsmanager Klughardt.