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So will Putins Vertrauter das „russische Airbus" erschaffen

Russland arbeitet gegen den Trend. Während sich im Westen Konzerne immer häufiger aufspalten, um effizienter zu werden, setzt Sergej Tschemesow, Chef der staatlichen Industrie- und Rüstungsholding Rostec, auf das Gegenteil – die schiere Größe. Nun will er die gesamte Flugzeugindustrie des Landes umbauen.

Rostec ist bereits jetzt ein Gigant: Die 2007 gegründete Holding vereinigt 700 Unternehmen, vornehmlich aus der Rüstungsbranche. Von Kalaschnikow über den vornehmlich mit der Herstellung der neuen Armata-Panzer beschäftigen Maschinenbauer Uralwaggonsawod bis hin zu Russian Helicopters deckt Rostec die gesamte Bandbreite an Rüstungsgütern ab.

Daneben besitzt die Holding unter anderem Anteile am Lkw-Produzenten Kamaz, an dem auch Daimler beteiligt ist, am mehrheitlich von Renault gehaltenen Pkw-Hersteller Avtovaz und dem weltgrößten Titan-Produzenten VSMPO-Avisma, der Boeing oder Airbus beliefert.

Tschemesow ist damit einer der mächtigsten Männer Russlands. Der 65-Jährige hat beste politische Verbindungen. Er gilt als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. In den 80er-Jahren waren beide in der DDR stationiert, wo sie eine Zeitlang sogar in einem Haus wohnten und sich anfreundeten.

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Später arbeitete Tschemesow unter Putin in der Präsidialverwaltung, dann leitete er den Waffenexporteur Rosoboronexport, ehe der Kremlchef ihm die gesamte Rüstungsbranche anvertraute.

Oder zumindest fast: Denn bisher waren die meisten Flugzeugbauer in einer eigenen von Rostec unabhängigen Staatsholding zusammengefasst, dem Luftfahrtkonzern OAK. Bekannte Konstruktionsbüros wie Suchoi (Su), Mikojan-Gurewitsch (MiG), Tupolew (Tu), Iljuschin (Il) oder Jakowlew (Jak) gehören dazu. Sechs Milliarden Umsatz und gut 15 Millionen Euro Gewinn erzielte die OAK der russischen Buchführung zufolge im vergangenen Jahr. Vor allem die lukrativen Exportkontrakte der Flugzeugbauer lockten Tschemesow schon eine ganze Weile.

Seit langem lobbyierte der gebürtige Sibirier daher die Einordnung der OAK in sein Rüstungsimperium. Die prinzipielle Zustimmung aus dem Kreml soll es bereits im vergangenen Herbst gegeben haben. Nun verriet Tschemesow, was er vorhat: Innerhalb von Rostec soll ein Konzern geschaffen werden, der sämtliche Aktiva in der Branche vereinigt.

„In den Konzern können nicht nur die OAK und Russian Helicopters, sondern auch Unternehmen eingehen, die Aggregate und Zubehör für die Luftfahrt produzieren. Das sind ODK (Vereinigung der Triebwerksbauer – Red.), KRET (Produzent von Funkelektronik) und die Holding Technodynamika (Produzent von Hightech-Zubehör für die Luftfahrt). Sie werden zusammenarbeiten wie ein großer Konzern nach dem Beispiel von Airbus“, schwärmte Tschemesow.

Zusammenlegung kommt gut an

Die Integration wird Tschemesow zufolge auf technologischer und Produktionsebene, sowie der Einkaufspolitik vorgenommen. Juristisch blieben die Unternehmen zunächst selbständig. Problem ist offenbar, dass es sowohl bei der OAK, als auch bei Russian Helicopters private Minderheitsaktionäre gibt, die in dem Fall den Staat zum Kauf ihrer Aktien zwingen könnten. „Das würde etwa 400 bis 500 Millionen Dollar an Ablösesummen bedeuten. Das ist kein Kleingeld, zumal eins unserer strategischen Ziele darin besteht, strategische und technologische Investoren zu gewinnen“, sagte Tschemesow.

Zumindest auf der Führungsebene des Hubschrauberproduzenten Russian Helicopters findet die Idee einer Zusammenlegung volle Zustimmung. Die Bündelung der Aktiva habe nicht nur bei Airbus Erfolg gezeigt, meinte Konzernberater Gurgen Karapetjan. Auch zu Sowjetzeiten habe es ein sehr effizientes Luftfahrtministerium gegeben.

„Im Prinzip wiederholen wir nach dem philosophischen Prinzip ,Negierung der Negierung' nun altes auf neuer Basis“, sagte Karapetjan. Seiner Einschätzung nach hat die Schaffung eines Großkonzerns gewaltige Synergieeffekte, erlaubt die Optimierung von Produktionsstätten und die Beseitigung doppelter Kapazitäten.

Ein ineffizienter Sektor

Derzeit sind in Russlands Flugzeugbau-Industrie schätzungsweise 400.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Effizienz ist allerdings zumindest im zivilen Sektor gering. Während Russland einer der Marktführer bei Militärjets ist, liegt der Anteil bei Passagier- und Transportflugzeugen bei unter einem Prozent. Bis 2025 soll der Marktanteil auf diesem Gebiet auf immerhin 4,5 Prozent wachsen. Damit würden die Russen in direkte Konkurrenz zu Bombardier, Embraer und ATR treten.

Mit dem Suchoi Superjet (SSJ 100) hat die OAK vor sieben Jahren bereits einen ersten Versuch zur Wiederbelebung des nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingegangenen zivilen Flugzeugbaus gestartet. Der Regionaljet ist mäßig erfolgreich, größter Kunde ist die ebenfalls staatliche russische Luftfahrtgesellschaft Aeroflot.

Diese hat auch die ersten Bestellungen für das nächste Projekt, den Kurz- und Mittelstreckenflieger MC-21 getätigt. Der Erstflug fand im vergangenen Herbst statt, die Serienproduktion soll 2019 starten. Die Pläne sind hochfliegend: 900 bis 1.000 Stück sollen verkauft werden.

Noch größeres Augenmerk wird Tschemesow allerdings auf den Verkauf der Militärjets legen. Dort liegt der Anteil der Russen am „erreichbaren Markt“ bei 20 Prozent. Gemeint sind Ländern, die nicht der Nato angehören oder eng mit ihr kooperieren.

Bis 2035 soll der Anteil auf 45 Prozent steigen. Allerdings zählt Russland ab 2030 auch China nicht mehr zum „erreichbaren Markt“. Einst ein riesiger Absatzmarkt für Russlands Rüstungsindustrie, produziert das Reich der Mitte inzwischen selbst viele Kampfflugzeuge.

Zwischen Russen und Chinesen gab es dabei schon mehrfach Streit wegen Technologiediebstahls. So bezichtigt Russland China, die Su-33 kopiert zu haben, um ihren Mehrzweckjäger J-15 zu entwickeln. Der ist zwar noch in der Flugerprobung. Die Hoffnung der Russen auf größeren Absatz in China ist allerdings bereits gering. Stattdessen fokussiert sich Moskau lieber auf Indien und Südostasien als Zukunftsmärkte.