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„So schnell wie möglich in Arbeit kriegen“

Alain Dehaze kennt den Arbeitsmarkt wie kaum ein anderer. Seit September 2015 steht der 56-jährige Belgier an der Spitze von Adecco. Der Schweizer Konzern vermittelt täglich rund 700.000 Menschen in Zeitarbeitsjobs.

Herr Dehaze, noch immer belastet die Flüchtlingskrise Deutschland und Europa. Wie soll es gelingen, dass all diese Menschen – oder die meisten davon – einen Job bekommen?
Das läuft Land für Land komplett unterschiedlich. In vielen Ländern dürfen asylsuchende Menschen nicht sofort nach ihrer Ankunft arbeiten. Wir wissen aber alle, mit Arbeit und gezielter Schulung geht Integration am schnellsten. Die Wartezeiten können kurz sein wie etwa in Griechenland oder Portugal, sie können aber auch sehr lang sein – und es gibt Fälle, da klappt es gar nicht. Europa ist hier gefordert.

Wo sehen Sie Deutschland?
Deutschland hat ja inzwischen die Gesetze geändert. Jetzt geht es ziemlich schnell, es dauert nur rund drei Monate. Das war eine gute Entscheidung. Wir müssen asylsuchende Menschen so schnell wie möglich in Arbeit kriegen. Das beginnt mit der Klärung der Kompetenzen geht über Sprachtraining und Aus- und Weiterbildung bis hin zur Vermittlung einer Arbeit.

Und was sind Ihre Erfahrungen mit diesem Prozess?
Es ist schwierig. In Schweden etwa hat man den Prozess von der Kompetenzabklärung bis zur Arbeitsvermittlung komplett an einen Dienstleister ausgelagert. Wir haben gerade ein ähnliches Projekt mit der Regierung in Frankreich laufen, bei dem die Adecco Gruppe von A bis Z für asylsuchende Menschen zuständig sind. Und sie dann auch im Job weiter begleiten, das ist entscheidend. Das ist meiner Ansicht nach der richtige Weg – wäre es auch für Deutschland.

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Sie sind ja auch Chef der Adecco Gruppe weltweit, Sie verdienen damit Geld. Für den Staat wird es erstmal teuer..
Was ist teuer? Ist es teuer, jemandem keinen Job zu geben und ihn oder sie vielleicht Jahre lang mit Sozialleistungen und ohne Beitrag für die Gemeinschaft in Deutschland leben zu lassen? Oder ist wäre es sinnvoll, ein bisschen Geld zu investieren, um diesen Menschen möglichst schnell in Arbeit zu bringen und zu integrieren?

Es geht bei Flüchtlingen oder Migranten oft um fehlende Qualifikation, im Idealfall nur auf dem Papier. Viele haben aber auch in ihrer Heimat keinen Beruf gelernt. Was dann?
Die größte Hürde ist immer die Sprache, die muss den Menschen schnell beigebracht werden – zumindest die Basics. Ein Beispiel: Wir haben in Norwegen oder Schweden sehr viele Arbeitskräfte aus Polen vermittelt, etwa im Baugewerbe oder Gesundheitswesen. Die Anforderungen zwischen skandinavischen Ländern und Polen sind in der Branche sehr unterschiedlich. Aber ich glaube fest an die Möglichkeiten von Aus- und Weiterbildung. Es ist alles eine Frage der Integration.

Junge Menschen passen sich vergleichsweise einfach an. Was ist mit den Älteren?
Das Alter ist nicht entscheidend für den Erfolg, was zählt ist der Wille zum Lernen und Arbeiten. Mit der Bereitschaft zum Lernen findet man immer eine Lösung. Ziemlich sicher können die Menschen nicht sofort im genau gleichen Beruf einsteigen, in dem sie früher in ihrem Land gearbeitet haben. Aber ich bleibe dabei: Arbeit ist essentiell für die Integration, jede Form von Arbeit.

Was wünschen Sie sich von Politik und Unternehmen? Wen sehen Sie eher in der Pflicht?
Ein großer Vorteil von Deutschland, aber auch von der Schweiz oder Österreich ist die duale Ausbildung. Warum? Bildungseinrichtungen, Unternehmen und die Politik verfolgen ein gemeinsames Ziel und stimmen sich aufeinander ab. Man sollte für asylsuchende Menschen genauso ein Modell finden wie bei der dualen Ausbildung. Das wäre für Deutschland die Lösung – und wirklich wichtig wegen der alternden Gesellschaft. Der Mangel an Arbeitskräften ist schon spürbar und wird noch viel stärker werden als viele denken. Flüchtlinge können sehr wohl helfen, den Engpass zu bekämpfen. Das ist wohl eine Aufgabe für die nächste Regierung.

Schenkt die Politik dem Thema genug Aufmerksamkeit?
Sicher steht das Thema im Fokus, aber im Moment handelt die Politik in Europa eher defensiv. Das ist bedauerlich.

Flüchtlinge oder Migranten übernehmen meist einfache Tätigkeiten. Verstehen Sie die Angst der – oft geringer qualifizierten – Menschen, auch in Deutschland, um ihre Jobs?
Es gibt die rasant fortschreitende Digitalisierung, die wird vor allem die einfachen, sich wiederholenden Aufgaben durch Technologie ersetzen. Aber es ist ein Paradigma: Denn für genau diese Jobs finden viele Unternehmen heute kaum Mitarbeitende und dies gerade in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit. Und auch hier könnten Flüchtlinge helfen.

Herr Dehaze, vielen Dank für das Interview.