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In der Schule bin ich sitzen geblieben, heute verdiene ich als Chef eines Handwerk-Betriebs über 100.000 Euro – so habe ich es geschafft

Unser Protagonist ist Chef einer Firma für Kälteklimatechnik und verdient in guten Zeiten über 100.000 Euro im Jahr. (Symbolbild) - Copyright: Violeta Stoimenova/ Getty images
Unser Protagonist ist Chef einer Firma für Kälteklimatechnik und verdient in guten Zeiten über 100.000 Euro im Jahr. (Symbolbild) - Copyright: Violeta Stoimenova/ Getty images

Unser Protagonist ist 36 Jahre alt und geschäftsführender Gesellschafter eines Handwerkbetriebs für Kälteklimatechnik. Nach der Realschule machte unser Protagonist eine Ausbildung zum Mechatroniker und eine Weiterbildung zum Meister in der gleichen Branche. Nach einigen herausfordernden Berufsjahren in verschiedenen Unternehmen entschied unser Protagonist, sich mit seiner Frau und einem Schulfreund selbstständig zu machen. Heute ist er Chef seines eigenen Unternehmens mit derzeit 33 Beschäftigten. Er verdient rund 90.000 Euro im Jahr. In wirtschaftlich guten Zeiten kommt er, inklusive Gewinnausschüttungen, auf ein Jahresbrutto zwischen 120.000 und 150.000 Euro. Über die Höhen und Tiefen seines beruflichen Erfolgs hat unser Protagonist mit Business Insider gesprochen.

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie „Meine Gehaltskurve“, in der Menschen über ihre Gehaltsentwicklung sprechen. Business Insider liegen Belege vor, die die hier angegebenen Gehälter bestätigen. Wenn ihr auch anonym eure Gehalts-Geschichte teilen möchtet, meldet euch gern bei lou-martine.siebert@businessinsider.de.

Jahresbrutto zwischen 120.000 und 150.000 möglich

Es ist für mich gar nicht so einfach zu sagen, was ich heute verdiene. Ich sehe immer nur das, was auf meinem Konto ankommt, weil ich als geschäftsführender Gesellschafter meiner Firma andere Abzüge habe als Angestellte – etwa für Fahrzeuge und Versicherungen. Letztens musste ich meine Frau anrufen und fragen: Es sind zurzeit 7500 Euro im Monat, also rund 90.000 Euro brutto im Jahr. Wenn es in einem Jahr gut läuft, kann ich mir auch mal 50.000 brutto zusätzlich ausschütten. Dabei wäre bei unserer Unternehmensgröße sogar normalerweise ein Jahresbrutto zwischen 120.000 und 150.000 möglich. Das geht aber nur, wenn die Firma Gewinn macht. Da wir in einem Krisenjahr stecken, ist das derzeit nicht möglich. Nach acht Jahren Selbstständigkeit bin ich heute noch nicht ganz da, wo ich eigentlich sein könnte und wollte.

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Trotzdem habe ich in meinem beruflichen Leben schon viel erreicht – und das, obwohl es mir oft nicht zugetraut wurde. Es war nie gut genug, was ich gemacht habe. Das fing schon in meiner Kindheit an: Beim Fußballtraining ging es stets darum, mehr Tore zu schießen. Als ich in der siebten Klasse sitzengeblieben bin, war das familienintern ein großes Drama. Auch aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer war ich nie gut genug. Auf die Realschule bin ich unfreiwillig gegangen. Tatsächlich würde ich mich in Schulzeiten aber auch als „faulen Sack“ beschreiben.

„In Mathe und Latein bin ich durchgefallen“

Mein Abitur ist letztendlich an eben dieser Faulheit gescheitert: In Mathe und Latein bin ich durchgefallen. Dabei habe ich bereits mit 13, 14 Jahren nebenbei bei einem Fliesenleger gearbeitet. Damals habe ich sechs Euro pro Stunde verdient. Ich habe Fliesen, Zement- und Estrichsäcke geschleppt und an die Fliesenleger verteilt. Da wusste ich, dass ich das später nicht machen wollte. Nach der Realschule wollte ich deshalb eigentlich auf einem Berufskolleg meine Fachhochschulreife nachholen. In den Sommerferien, bevor es losgehen sollte, hat mein Vater allerdings eine Anzeige von einem Kälte- und Klima -Fachbetrieb gesehen, der noch Azubis gesucht hat. Eine Zukunftsbranche, denn dass es auf der Welt immer wärmer wird, das wussten wir damals schon. Ich habe mich beworben und den Ausbildungsplatz bekommen.

Meine Ausbildung ging dreieinhalb Jahre. Sie ist neben dem Fluggerätemechaniker eine der anspruchsvollsten Ausbildungen in diesem Bereich. Die Durchfall- und Abbrecherquote ist ziemlich hoch. Erstaunlicherweise hat es bei mir dieses Mal aber auch mit der Mathematik gut funktioniert – etwa Berechnungen von Thermodynamiken und Fluiden. Mein Lehrlingsgehalt lag dabei im ersten Jahr bei 485 Euro pro Monat. Nebenbei habe ich gelegentlich bei einem Milchbauern die Kühlung repariert oder bei einem Friseurladen eine Klimaanlage eingebaut, um mir etwas dazuzuverdienen.

Im zweiten Lehrjahr lag mein Gehalt dann bei 550 Euro, im dritten bei 800 Euro – bei 1200 Euro mit ausgezahlten Überstunden. Ohne finanzielle Unterstützung meiner Eltern, Kindergeld sowie den Verdienst meiner heutigen Frau, mit der ich schon damals zusammen war, hätte ich mir mein Leben, vor allem in den ersten Lehrjahren, gar nicht leisten können. Spielraum für Gehaltsverhandlungen gab es während meiner Ausbildung keinen, da das Ausbildungsgeld damals fest von der Handwerksinnung festgelegt wurde. Heute gelten die Vorgaben eher als Orientierung.

Gehaltskurve
Gehaltskurve

Meister im Ausland hoch angesehen: „Als würde ich ein Louis Vuitton Täschchen tragen“

Nach meiner Ausbildung wurde ich vom Betrieb übernommen. Hier konnte ich das erste Mal mein Gehalt selbst verhandeln, was ich auch probiert habe. Im Handwerk werden dabei grundsätzlich Stundensätze oder Stundenlöhne gezahlt. Erst ab der Projektleiter- oder Teamleiterebene geht es um Monatsgehälter. Bereits vor 20 Jahren hat sich zudem in der Branche ein Fachkräftemangel abgezeichnet. Ich habe 18 bis 20 Euro Stundenlohn gefordert, was damals ziemlich viel für die Branche war. Verdient habe ich dann aber nur 15 Euro pro Stunde – mit der Aussicht, dass es jedes Jahr einen Euro mehr würde.

Mit meinem heutigen Wissen ist mir klar, dass meine Forderung damals etwas utopisch war. Ich wäre das Geld niemals wert gewesen. Schließlich hatte ich kaum praktische Erfahrungen. In unserem Handwerk kommt die richtige Lernphase erst nach der Ausbildung. Erst dort wird man mit den Kunden, den Lieferanten und den Problemen auf der Baustelle konfrontiert. Wirklich zufrieden war ich mit meinem Gehalt aber trotzdem nicht. Also habe ich nochmal nachverhandelt und lag dann bei 2700 Euro brutto im Monat. Ein 13. Gehalt gab es nicht immer. Also hatte ich 32.000 Euro im Jahr. Die 40.000 Euro habe ich damals nicht mehr geknackt. Ich weiß noch ganz genau, was ich mir von diesem ersten richtigen Gehalt gekauft habe: eine Spiegelreflexkamera, Canon EOS 450.

Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass sich die Gespräche mit Kollegen immer zentral darum gedreht haben, dass sie mit ihrem Gehalt keine Häuser oder Wohnungen abbezahlen können. Das wollte ich nicht. Im Handwerk sind die Möglichkeiten mannigfaltig. Es gibt die Möglichkeit, einen Meister zu machen, einen Techniker, zu studieren oder eine Kombination aus beidem. Also habe ich mich an einer Bundesfachschule für Kälteklimatechnik für einen Meister in Vollzeit eingeschrieben. Der Meister im deutschen Handwerk ist in anderen Ländern, etwa in Griechenland oder in den Niederlanden, sehr hoch angesehen. Wenn ich heute im europäischen Ausland unterwegs bin, ist das, als würde ich ein Louis Vuitton Täschchen tragen.

Auch mit knapp 1000 Euro im Monat habe ich eigentlich sorgenfrei gelebt

Mein ehemaliger Chef hat mich in meinem Vorhaben nicht unterstützt. Als ich ihm von meinen Plänen erzählt habe, sagte er mir, dass dies eh nichts werden könne. Also habe ich den Job gekündigt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt, das werde ich nie vergessen, noch über 400 Überstunden und 37 Tage Resturlaub. Ich bin also nicht mehr in die Firma gegangen, war quasi freigestellt und habe mein Gehalt weiter bekommen. Das war wichtig, um die Zeit bis zum Start der Bundesfachschule finanziell überbrücken zu können. Nebenbei habe ich mir für 12,50 Euro die Stunde bei einer anderen Firma etwas dazuverdient und mir das Geld auf einem Zeitkonto gutschreiben lassen.

Als die Meisterschule begann, habe ich mir das Geld dann auszahlen lassen. Das waren 360 Euro im Monat. Zusätzlich habe ich knapp 200 Euro Kindergeld und 400 Euro von meinen Eltern bekommen. Das war mit nicht mal 1000 Euro im Monat zwar insgesamt wenig Geld, aber ich habe eigentlich sorgenfrei gelebt in dieser Zeit. Den Meisterkurs selbst (40.000 bis 45.000 Euro) habe ich über ein Meister-BAföG finanziert. Heute weiß ich: Das Geld kommt hundertfach zurück. Aber damals waren es erstmal Schulden. Es war ein Sprung ins kalte Wasser.

Nach meiner Meisterausbildung habe ich bei einem Lebensmitteldiscounter als Kältetechniker für europaweite Projekte angefangen. Die Arbeit in einem riesigen Konzern hat mich sehr gereizt. Mein Einstiegsgehalt lag bei 4000 Euro brutto im Monat – also bei 48.000 Euro im Jahr. Weihnachtsgeld oder Prämien gab es zwar nicht, dafür aber ein Staffelsystem: Ich bin als Nachwuchsführungskraft eingestiegen und bekam jedes Jahr 200 bis 300 Euro mehr.

Ich hatte ein Gehalt von 60.000 – aber stieß physisch und psychisch an meine Grenzen

Für mich war das ein Riesenschritt – auch persönlich, weil ich in dieser Zeit sehr viel Wissen und Input mitgenommen habe. Ich bin allerdings physisch und psychisch an meine Grenzen gekommen. An drei von fünf Tagen war ich im Ausland. Mit nur 25 Jahren habe ich die Kältetechnik von Lebensmitteldiscounter-Filialen in ganz Europa mitentwickelt. Es war zu viel Verantwortung für mich in dem Alter. Am Ende verließ ich den Konzern meiner Gesundheit zuliebe – trotz eines Gehalts von 60.000 Euro im Jahr, eines Dienstwagens und einer eigenen Sachbearbeiterin, die nur meine Pläne und Verträge bearbeitet hat.

Anschließend stieg ich als Produktmanager für Kälteklimatechnik in einem schwedischen Konzern ein. Hier war das betriebliche Tempo langsamer. Für mich war das eine tolle Zeit. Freitags bin ich manchmal gar nicht in die Firma gefahren und habe zuhause gearbeitet. Für meinen Chef war das kein Problem, weil er wusste, dass ich unter der Woche sowieso alles abhake. Die Arbeit ging mir leicht von der Hand und ich wurde für die Branche sehr gut bezahlt: rund 70.000 Euro brutto im Jahr – inklusive Prämien und Dienstwagen. Ich wäre heute noch bei der schwedischen Firma, wenn da nicht noch eine andere Sehnsucht gewesen wäre.

Ich hatte mitbekommen, dass eine Kälteklimafirma in unserer Region zum Verkauf stand. Die Idee, mich irgendwann selbstständig zu machen, schwirrte mir schon länger durch den Kopf. Ich wollte gern auf eigenen Füßen stehen. Also nahm ich Kontakt zu dem damaligen Firmen-Eigentümer auf, doch der entschied sich für einen anderen Interessenten. Als ich das erfuhr, habe ich im Büro meinen Mülleimer durch das Zimmer getreten und bin dann frustriert nach Hause gegangen. Ich weiß noch genau, wie ich abends mit meiner Frau auf dem Bett saß und gesagt habe: „Der Eigentümer der Firma wollte nicht an uns verkaufen, aber ich würde mich gern selbstständig machen. Bist du dabei?“ Sie hat keinen Moment gezögert. Auch ein Schulfreund und früherer Kollege aus der Ausbildungszeit ist mit eingestiegen.

Fachwissen in Verbindung mit Leidenschaft ist der Schlüssel zum Erfolg

Also gründeten wir im Herbst 2014 unser Unternehmen. Anfangs hatten wir nur einen alten Bus und altes Werkzeug – doch es hat funktioniert. Verdient habe ich in der Zeit 3000 Euro brutto im Monat. Mein Gehalt habe ich quasi für mich selbst verhandelt. Ich bin nach meinem Mindeststandard gegangen, also so, dass wir unsere Wohnung, Versicherungen und die Altersvorsorge zahlen konnten. Statt eines luxuriösen Dienstwagens habe ich mir einen Smart gekauft, bei dem der Rückwärtsgang nicht richtig funktionierte. Teilweise musste ich ihn aus der Parklücke schieben. Im ersten vollständigen Jahr nach der Gründung, 2015, hatten wir einen Umsatz von 860.000 Euro. Es blieb aber alles in der Firma.

Dann haben wir sukzessive angefangen, die Gehälter zu erhöhen. Erst auf 4000, dann auf 4500, dann auf 5000 Euro brutto im Monat. Aktuell verdiene ich 7500 Euro brutto im Monat, also 90.000 Euro im Jahr. Wir waren auf dem Weg zu zehn Millionen Umsatz, aber leider haben wir wirtschaftlich eine Fehlentscheidung getroffen. Wir hatten 2021 über 500.000 Euro Verlust. Damit kämpfen wir momentan immer noch. Es war das verfluchte siebte Jahr. Die Energiekrise tut ihr Übriges, wir haben deutlich weniger Aufträge als sonst. Trotzdem arbeite ich viel, zwischen zehn und zwölf Stunden am Tag – meistens auch am Wochenende.

Natürlich hoffen wir, dass sich der Gewinn noch steigert – für uns und unsere Beschäftigten. Aber ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich sage: Das Geld ist okay, aber es treibt mich nicht an. Im Gegenteil. Wir spenden auch viel, fördern beispielsweise junge Sporttalente oder unterstützen schlechter gestellte Familien. Was mich allerdings bis heute antreibt, ist das Gefühl, mich beweisen zu müssen. Das Geld, das kommt durch die Leidenschaft und durch das Know-how. Fachwissen in Verbindung mit Leidenschaft: Das ist, was meiner Meinung nach Erfolg ausmacht.