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Scalable-Co-Chef über „Wall Street Bets“: „Nach Lockdown werden viele die Lust auf solche Wetten verlieren“

Der Co-Chef des Neobrokers Scalable erklärt, was Broker aus dem Börsenhype um Gamestop lernen können – und welche langfristigen Folgen er für den Aktienmarkt erwartet.

Das Kräftemessen zwischen organisierten Kleinanlegern und Hedgefonds an der Wall Street hat auch bei den deutschen Brokern zu viel Bewegung geführt. Davon profitiert das Münchener Unternehmen Scalable Capital, das mit seinem Online-Broker im vergangenen Sommer gestartet ist.

„Die täglichen Umsätze über den Scalable-Broker haben sich in den letzten anderthalb Wochen fast verdoppelt“, sagt Co-Chef Erik Podzuweit im Handelsblatt-Interview. Die Neukundenzahlen hätten sich zudem verdreifacht: „Aktuell gewinnen wir pro Tag ein paar Tausend Kunden.“

Das Münchner Start-up profitiert davon, dass es im Gegensatz zu Konkurrenten wie Trade Republic keine vorübergehend Kaufbeschränkungen für Aktien wie Gamestop, AMC und Blackberry erlassen hat. Podzuweit findet es „problematisch, wenn Broker eigenmächtig Handelsbeschränkungen erlassen und dies dann zum Teil mit Anlegerschutz begründen“.

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Als Broker müsse man Kunden einen einfachen Zugang zum Kapitalmarkt bieten. „Unsere Aufgabe ist es aber definitiv nicht, die Kunden zu bevormunden und für sie zu entscheiden, welche Aktie gut und welche schlecht ist.“

Liquiditätsprobleme, wie sie die US-Trading-App Robinhood offenbar bekommen hatte, seien in Deutschland aufgrund der anderen Strukturen indes nicht zu befürchten, erklärt Podzuweit. Anders als Robinhood gehen die Broker hierzulande nicht selbst ins Risiko. „Bei uns und den meisten anderen Neobrokern handeln Privatanleger nicht auf Kredit, sondern nur mit vorhandenem Guthaben“, betont Podzuweit.

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In der Regel könnten Anleger mit Optionsscheinen, nicht aber mit Optionen handeln. Hinzu komme, dass die deutschen Neobroker nicht direkt an die Clearinghäuser angebunden sind, sondern ihre Kundenaufträge über entsprechend kapitalisierte Partner abwickeln.

Einen Dämpfer für die Aktienkultur erwartet der Scalable-Mitgründer nicht, falls viele Kleinanleger mit ihren Spekulationen jetzt Verluste erleiden, weil sie die Risiken falsch eingeschätzt haben. Es gehe nur um eine kleine, risikoaffine Anlegergruppe: „In den Online-Foren beschreiben sie ihren riesigen Spaß, die Hedgefonds zu ärgern. Aber sie sind sich bewusst, dass sie auch alles verlieren können.“

Einige große Leerverkäufer werden ihr Verhalten nach Einschätzung von Podzuweit aber dauerhaft ändern und vorsichtiger agieren: „Sie haben unterschätzt, wie viel Power eine koordinierte Aktion von Privatinvestoren haben kann.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Podzuweit, wie hat sich der Börsenhype um Aktien wie Gamestop bei Scalable Capital ausgewirkt?
Neobroker wie wir, aber auch klassische Broker haben vom Hype um Aktien wie Gamestop, AMC und Blackberry profitiert. Bei uns ist ein kleiner Teil unserer Kunden von heute auf morgen plötzlich sehr aktiv geworden. Die täglichen Umsätze über den Scalable-Broker haben sich in den letzten anderthalb Wochen fast verdoppelt. Zudem haben sich unsere Neukundenzahlen verdreifacht. Aktuell gewinnen wir pro Tag ein paar Tausend Kunden.

Haben Sie verärgerte Kunden von Ihrem Konkurrenten Trade Republic gewonnen, bei dem es vorübergehend Kaufbeschränkungen für Gamestop-Aktien gab?
Das lässt sich nur vermuten. Nach der Bekanntgabe von Handelsbeschränkungen bei einigen Brokern in der vergangenen Woche sind unsere Neukundenzahlen jedenfalls nach oben geschnellt. Bei uns war und ist der Handel weiterhin möglich.

Was halten Sie grundsätzlich von Handelsbeschränkungen?
Ich finde es problematisch, wenn Broker eigenmächtig Handelsbeschränkungen erlassen und dies dann zum Teil mit Anlegerschutz begründen. Als Broker müssen wir für unsere Kunden einen einfachen und günstigen Zugang zum Kapitalmarkt herstellen. Unsere Aufgabe ist es aber definitiv nicht, die Kunden zu bevormunden und für sie zu entscheiden, welche Aktie gut und welche schlecht ist. Das empfinden viele Menschen als Eingriff in ihre persönliche Freiheit bei der Geldanlage.

Mittlerweile ist klar, dass der Anlegerschutz bei manchen Brokern nur ein vorgeschobener Grund für die Handelsbeschränkungen war. Bei Robinhood gab es Liquiditätsengpässe, bei Trade Republic technische Probleme.
Die Kommunikation ist in solchen Ausnahmesituationen schwierig. Wenn ein Broker Liquiditätsprobleme einräumt, gibt es die Gefahr, dass viele Kunden auf einmal ihr Geld abziehen. Bei technischen Problemen lohnt es sich zu kommunizieren, was los ist. Dass Systeme ausfallen, ist selbst den renommiertesten Börsenplätzen schon passiert. Davor ist niemand gefeit.

Wie sollten Broker reagieren, wenn sich Ausnahmesituationen wie Gamestop wiederholen und die Systeme überfordert sind?
Alle Broker werden sich Gedanken machen, wie man mit einem solchen Fall künftig umgehen wird. Einzelne Aktien zu sperren, ist aus meiner Sicht eine schlechte Lösung. Bessere wäre es vermutlich, für alle Aktien nur noch begrenzte Stückzahlen zuzulassen, den Optionsscheinhandel oder sogar den Handel als Ganzes zeitweise zu stoppen.

In den USA werfen Kritiker Brokern wie Robinhood vor, mit den attackierten Hedgefonds unter einer Decke zu stecken und den Handel deshalb unterbrochen zu haben. Klingt das für Sie plausibel?
Ich glaube nicht an solche Verschwörungstheorien, auch wenn es Beziehungen zwischen Robinhood und Hedgefonds gibt, die man kritisch sehen kann. Dennoch denke ich nicht, dass finstere Mächte im Spiel waren und Hedgefonds unterstützt werden sollten. Vielmehr ging es darum, dass Robinhood Liquiditätsprobleme hatte und diese beheben musste.

Das müssen Sie genauer erklären.
Wer über den Neobroker Robinhood handelt, bekommt automatisch eine Kreditlinie für den Handel eingeräumt. Robinhood geht somit selbst ins Risiko. Zudem können Anleger dort ungedeckte Optionsgeschäfte tätigen. Darüber hinaus unterhält Robinhood als Clearing-Broker direkt ein Konto bei den Clearinghäusern. Wenn es viele Käufe und zudem hohe Schwankungen am Markt gibt, verlangen die Clearinghäuser von ihren Teilnehmern mehr Sicherheiten für die Zeit zwischen Trade und Settlement, üblicherweise zwei Tage – und die konnte Robinhood zumindest wohl nicht so kurzfristig zur Verfügung stellen. Um diesen Engpass zu beheben, haben Investoren und Banken nach allem, was man glauben darf, inzwischen Gelder in Milliardenhöhe nachgeschossen.

Könnte ein solcher Fall bei Neobrokern in Deutschland auch auftreten?
Hierzulande sind die Strukturen anders. Bei uns und den meisten anderen Neobrokern handeln Privatanleger nicht auf Kredit, sondern nur mit vorhandenem Guthaben. Die Broker gehen also nicht ins Risiko. Darüber hinaus können Kleinanleger in der Regel lediglich mit Optionsscheinen, nicht aber mit Optionen handeln.

Könnte es beim Clearing in Deutschland dennoch Engpässe geben?
Theoretisch ja, praktisch ist das aber sehr unwahrscheinlich. Deutsche Neobroker sind nicht direkt an die Clearinghäuser angeschlossen. Sie wickeln ihre Kundenaufträge über entsprechend kapitalisierte Partner ab, die dann die Abwicklung mit den Clearinghäusern übernehmen. Neben der Abwicklung von Geschäften von Privatkunden wickeln diese Partner auch im großen Umfang die Geschäfte von institutionellen Kunden ab. Dass kurzfristig die zu hinterlegenden Sicherheiten so stark ansteigen, dass sie diese Institutionen überfordern könnten, halte ich aufgrund der entsprechenden Anforderungen an die Kapitalausstattung für nahezu ausgeschlossen. In den USA ist die Situation anders. Da hat Robinhood einen sehr großen Marktanteil und ist entsprechend stark den Schwankungen im Kundenverhalten ausgesetzt.

Finden Sie es grundsätzlich gut, dass sich Privatanleger gegen Hedgefonds verbünden und ihnen zumindest zeitweise große Verluste eingebrockt haben?
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als professioneller Marktteilnehmer hätte ich auf die große Unruhe an den Börsen gut verzichten können. Als Privatperson finde ich das Vorgehen dagegen sympathisch. Es ist eine fast romantische Story, dass Privatanleger Großinvestoren eins auswischen können – obwohl der Kampf natürlich noch lange nicht gewonnen ist. Nur manchen Privatanlegern, die sich bei Gamestop eingekauft haben, wird es gelingen, ihre Aktien mit einem Gewinn zu verkaufen.

Sehen Sie die Gefahr, dass Privatanleger bei Gamestop und Co. reihenweise hohe Verluste erleiden, weil sie die Risiken falsch eingeschätzt haben?
Nein. Die meisten Anleger, die in Gamestop investieren, wissen meines Erachtens, was sie tun. In den Onlineforen beschreiben sie ihren riesigen Spaß, die Hedgefonds zu ärgern. Aber sie sind sich bewusst, dass sie auch alles verlieren können. Ein Beteiligter schrieb in einem Chat-Beitrag, er habe 800 Dollar investiert, und es sei ihm egal, wenn das Geld am Ende weg sei. Er habe noch nie so viel Spaß für 800 Dollar gehabt. Das ist wie ein freudvoller Nihilismus.

Es droht kein Dämpfer für die deutsche Aktienkultur wie einst bei der T-Aktie?
Nein. Im Gegensatz zur Telekom-Aktie geht es heute um eine kleine, risikoaffine Anlegergruppe. Bei uns haben in der Spitze nur vier Prozent der Kunden Gamestop-Aktien gehandelt. Die allermeisten Menschen haben die Finger von Gamestop gelassen. Sie wissen, dass das ein ultravolatiler, verrückter Wert ist – und keine vernünftige Geldanlage.

Werden die „Wall Street Bets“ die Finanzmärkte nachhaltig verändern?
Die Community wird sich sicher noch andere Unternehmen anschauen, zumal sie bei Gamestop zumindest einen Etappensieg gefeiert hat. Ich rechne damit, dass es in den nächsten Tagen und Wochen noch einige Zickzackverläufe bei einzelnen Aktien geben wird. Langfristig wird sich das Phänomen aber abschwächen. Wenn der Lockdown zu Ende geht und die Menschen wieder mehr rausgehen können, werden viele die Lust an solchen Wetten verlieren.

Welche Konsequenzen werden Leerverkäufer aus den Vorfällen ziehen?
Einige große Leerverkäufer haben unterschätzt, wie viel Power eine koordinierte Aktion von Privatinvestoren haben kann. Sie werden ihr Verhalten dauerhaft ändern und vorsichtiger agieren, denn sonst besteht für sie die Gefahr, von Privatanlegern attackiert zu werden. Hedgefonds-Manager wie Andrew Left von Citron haben ja bereits angekündigt, ihr Geschäftsmodell komplett zu ändern. Er will künftig nicht mehr auf fallende Kurse von Unternehmen setzen, sondern als langfristiger Investor auf steigende Kurse. Das ist ein bemerkenswerter Schritt.

Herr Podzuweit, vielen Dank für dieses Interview.