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ROUNDUP 2/Machtkampf in Russland: Putin wirft Wagner-Söldnern Verrat vor

(Neu: Weitere Details)

MOSKAU (dpa-AFX) - In Russland hat sich der Konflikt zwischen der Führung in Moskau und der privaten Söldnertruppe Wagner zu einem beispiellosen Machtkampf entwickelt. Präsident Wladimir Putin brandmarkte den Chef und Gründer der berüchtigten Privatarmee, Jewgeni Prigoschin, am Samstag in einer Fernsehansprache als Verräter. "Das ist ein Stoß in den Rücken unseres Landes und unseres Volkes", sagte Putin. Zuvor hatten die Söldner seines Ex-Vertrauten russische Militäreinrichtungen im Süden des Landes, nahe der Grenze zur Ukraine, unter ihre Kontrolle gebracht. Dort kam es auch zu Kämpfen. Eine bewaffnete Wagner-Kolonne erreichte die Region Lipezk - und war damit etwa auf halbem Weg nach Moskau.

Der Bürgermeister der russischen Hauptstadt, Sergej Sobjanin, forderte die Menschen auf, zu Hause zu bleiben und erklärte den Montag aus Sicherheitsgründen zu einem arbeitsfreien Tag. "In Moskau ist der Anti-Terror-Notstand ausgerufen worden. Die Lage ist schwierig", räumte Sobjanin auf seinem Telegram-Kanal ein. Es gehe um die "Minimierung der Risiken", es könne zu Straßensperrungen kommen.

Die mehreren Tausend Wagner-Kämpfer waren für Moskau bislang eine der wichtigen Gruppen im Angriffskrieg gegen die Ukraine, der am Samstag genau 16 Monaten dauerte. Prigoschin wirft dem russischen Verteidigungsministerium seit langem falsche Taktik und schlechte Führung vor. Seine Kritik richtete sich bislang vor allem gegen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow - Putin sparte er aus. Nun hielt er jedoch auch dem Kremlchef vor, sich schwer zu irren. Unklar war zunächst, welche Auswirkungen der innerrussische Konflikt auf den Kriegsverlauf hat.

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Prigoschin galt bisher als Vertrauter Putins. Bislang konnte er sich Kritik erlauben, für die andere längst bestraft worden wären. Nun stellte sich der Kremlchef jedoch öffentlich gegen Prigoschin. Wer Waffen erhebe und bewaffneten Aufstand organisiere, werde bestraft, sagte Putin in seiner TV-Ansprahe. Er forderte die Wagner-Kämpfer auf, ihre Teilnahme an kriminellen Handlungen umgehend zu beenden. Russlands Geheimdienst FSB ermittelt gegen Prigoschin wegen eines Putschversuchs.

Der Söldnerchef warf Putin daraufhin vor, die Lage völlig falsch einzuschätzen. "Der Präsident irrt sich schwer", sagte er in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal. Die eigene Rolle beschrieb er mit den Worten: "Wir sind Patrioten unserer Heimat." Prigoschin kündigte an, "Korruption, Lügen und Bürokratie" in Russland zu beenden. Damit forderte der Söldnerchef, der nach eigenen Angaben über etwa 25 000 Kämpfer verfügt, erstmals auch Putin offen heraus. Die russischen Streitkräfte haben etwa 1,5 Millionen Angehörige.

In der Ukraine wurde die jüngste Entwicklung im Nachbarland genau verfolgt. Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte: "Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst." Der bewaffnete Aufstand sei ein klares Zeichen für Putins Schwäche, schrieb Selenskyj beim Kurznachrichtendienst Twitter. "Lange Zeit bediente sich Russland der Propaganda, um seine Schwäche und die Dummheit seiner Regierung zu verschleiern. Und jetzt ist das Chaos so groß, dass keine Lüge es verbergen kann."

Prigoschin zufolge besetzten seine Kämpfer militärische Einrichtungen in der südrussischen Stadt Rostow am Don, wo sich das Hauptquartier des russischen Militärbezirks Süd befindet - eine Kommandozentrale für den Krieg gegen die Ukraine. Putin bestätigte in seiner Ansprache: "Faktisch ist die Arbeit von Organen der zivilen und militärischen Führung blockiert." Über die Lage in dem an die Ukraine grenzenden Gebiet Rostow sagte er: "Sie bleibt schwierig."

Der russische Präsident soll sich nach Kreml-Angaben weiter in Moskau aufhalten. "Putin arbeitet im Kreml", sagte Sprecher Dmitri Peskow am Samstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Zuvor gab es Gerüchte, Putin könnte in Richtung St. Petersburg aufgebrochen sein. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan telefonierte Tass zufolge mit Putin und sicherte ihm demnach "volle Unterstützung der von der russischen Führung unternommenen Schritte" zu.

Nach Einschätzung der britischen Geheimdienste sind nun Wagner-Einheiten Richtung Norden unterwegs - vermutlich mit Ziel Moskau. Der Gouverneur des südwestrussischen Gebiets Woronesch, Alexander Gussew, bestätigte Gefechte: "Im Rahmen einer Anti-Terror-Operation führen die Streitkräfte der Russischen Föderation auf dem Gebiet der Region Woronesch notwendige operativ-kämpferische Maßnahmen durch", schrieb er bei Telegram. In Moskau und Umgebung und auch in Woronesch wurde der Anti-Terror-Notstand verhängt. In der Nacht waren in der Hauptstadt Militärfahrzeuge im Stadtzentrum unterwegs.

Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, stellte sich an die Seite Putins und kündigte die Entsendung seiner Truppen an, um den Aufstand niederzuschlagen. Tschetschenische Kämpfer sind - wie bis vor kurzem die Wagner-Einheiten - an der Seite der regulären russischen Armee gegen die Ukraine im Einsatz. Der für seinen brutalen Führungsstil bekannte Kadyrow und Prigoschin gelten seit längerem als Kontrahenten.

Das russische Verteidigungsministerium forderte die Söldner zur Aufgabe auf. Sie seien von Prigoschin in ein "kriminelles Abenteuer" hineingezogen worden. "Bitte seien Sie vernünftig und nehmen Sie schnellstmöglich Kontakt mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums oder den Ordnungsorganen auf. Wir garantieren die Sicherheit aller."

Das britische Verteidigungsministerium betonte: "In den kommenden Stunden wird die Loyalität der russischen Sicherheitskräfte und insbesondere der russischen Nationalgarde entscheidend für den Verlauf der Krise sein." Es gebe bisher nur "sehr begrenzte Beweise" für Kämpfe zwischen Wagner und Sicherheitskräften. Dies deute darauf hin, dass einige russische Truppen wahrscheinlich "passiv" geblieben seien und Wagner nachgegeben hätten. "Die nächsten 48 Stunden werden über den neuen Status von Russland entscheiden", twitterte auch der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak.

Gegen Prigoschin ermitteln die Behörden in Moskau nun wegen Aufrufs zu einem bewaffneten Aufstand. Der Inlandsgeheimdienst FSB rief die Wagner-Söldner auf, ihren Chef festzusetzen.

Die Entwicklung in Russland wurde im Westen aufmerksam verfolgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt sich nach Angaben eines Regierungssprechers "laufend unterrichten". Er beriet sich auch mit US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Rishi Sunak. Im Auswärtigen Amt kam ein Krisenstab zusammen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach demnach mit ihren Kollegen aus den anderen G7-Staaten über die Lage.

In der Ukraine tobten die Kämpfe ungeachtet der Eskalation in Russland weiter. Bei einem russischen Raketenangriff auf die Hauptstadt Kiew wurden in der Nacht zum Samstag drei Menschen getötet und elf weitere verletzt, wie die dortige Staatsanwaltschaft mitteilte. Der Angriff mit zahlreichen Opfern war eine der folgenschwersten russischen Attacken auf Kiew in jüngerer Zeit. Kiew wird seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 immer wieder mit Raketen und Drohnen angegriffen.