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Am Rande der Existenz: Mit welchen Strategien Hotels gegen die Coronakrise kämpfen

Die Gäste bleiben aus, die Rücklagen schmelzen. In der Hotellerie droht eine regelrechte Insolvenzwelle. Doch die Not macht vielerorts erfinderisch.

Christoph Hoffmann hält viel von Individualität – das spiegelt sich auch in den eher unkonventionellen Hotels der Marke 25hours wider. Jedes der 14 Hotels hat ein eigenes Konzept, das mithilfe von Designern unübersehbar umgesetzt wird, von „The Royal Bavarian“ in München über „Geschichten zu Seefahrt und Hafen“ in Hamburg zu „Spektakel“ in Wien.

Doch von der Coronakrise konnte sich auch 25hours nicht absetzen, wie er im Gespräch mit dem Handelsblatt unumwunden zugibt. „Seit Mitte März haben wir unendlich viel Geld verbrannt“, erzählt Hoffmann am Rande der Konferenz Rethinking Real Estate, die nur wenige Meter von einem seiner Hotels in Düsseldorf stattfand.

Auf drei Millionen Euro beliefen sich die Kosten der Gruppe pro Monat, sagt er. Das habe man trotz der staatlichen Unterstützung nicht ausgleichen können. In diesem Jahr könnten so bis zu 20 Millionen Euro Verlust auflaufen, dabei habe man seit der Gründung immer „gute Gewinne“ gemacht. Doch die meisten Hotels der Gruppe sind stark von Geschäftsreisenden abhängig – die in Zeiten von Corona zu Hause bleiben wollten oder mussten.

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25hours ist kein Einzelfall in der Branche: Viele Hoteliers, gerade von kleineren Familienhotels, haben Probleme. Die Gäste bleiben weg, die Rücklagen schmelzen dahin.

Auch das Grandhotel Hessischer Hof in Frankfurt schließt deswegen in den kommenden Monaten. Die Verluste im Zuge der Pandemie seien zu groß gewesen, begründeten die Eigentümer, die Familienstiftung der Landgrafen und Prinzen von Hessen, ihre Entscheidung.

Die Prognosen lieferten nur geringfügige Hoffnung auf kurzfristige Besserung. Auch in den kommenden zwei Jahren sei in diesem Sektor mit hohen Verlusten zu rechnen. Die Eigentümer erklärten, es werde „in der Zukunft nachhaltige Veränderungen im Geschäftsmodell der Businesshotellerie“ geben.

Übernachtungszahlen brechen ein

Deutschland war bislang der bedeutendste Hotelmarkt Europas für Geschäftsreisen, der größte Messestandort weltweit und der zweitwichtigste Kongressmarkt. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Geschäftsreisenden stetig gestiegen. Doch die Corona-Pandemie setzte dem ein jähes Ende.

Nach offiziellen Angaben sanken die Übernachtungszahlen in der Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2020 um rund 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders drastisch war die Lage im April: Hier beträgt der Rückgang fast 90 Prozent. Und trotz der schrittweisen Aufhebung der Reisebeschränkung und der damit einhergehenden erhöhten touristischen Nachfrage lag das Minus im Juni 2020 noch immer bei 42 Prozent.

„Es ist eine sehr schwierige Lage“, sagt Hotel-Expertin Silvia Horn von der Beratungsgesellschaft BBE Handelsberatung. Die durchschnittliche Zimmerbelegung in der deutschen Hotelbranche habe 2019 bei 71 Prozent gelegen. „Im Zeitraum bis Juli verzeichnet die Branche 38 Prozent. Das lässt sich nicht einfach ausgleichen.“ Dazu komme, dass der jährliche Umsatz von zwei Dritteln der Hotelleriebetriebe unter einer Million Euro liege. Der Wettbewerb zu großen Ketten sowie eigene Investitionen seien „eine Herausforderung“, urteilt Horn.

Selbst bei einer zeitnahen Rückkehr zur Normalität ist frühestens 2022 damit zu rechnen, dass der Tourismus in Deutschland das Niveau von 2019 erreicht, heißt es beim Immobilienverband ZIA. Auch dort verfolgt man die Entwicklungen mit Sorge. Bis sich die Erholung in den Bilanzen der Hotels niederschlägt, werde es noch länger dauern.

Die bestehenden staatlichen Maßnahmen dürften kaum ausreichen, um einer Insolvenzwelle in der Hotellerie entgegenzuwirken, warnen die Experten. Ohne massive Unterstützung und eine Verlängerung bereits existierender Hilfen würden immer mehr kleine, mittelständische Hotelbetriebe mit geringen Liquiditätsreserven und veralteten Konzepten aufgeben müssen. Gerade innenstadtnahe Hotels haben Probleme – denn bei einem Wochenendausflug fahren viele Deutsche eben lieber an die Küste als in eine Business-Metropole wie Frankfurt. Deswegen rechnet auch 25hours-Chef Hoffmann mit einer Marktbereinigung. Dabei könnte auch eine große Kette „über die Wupper gehen“, meint er.

Investoren zeigen sich skeptisch

Dieser Einschätzung stimmt Oschrie Massatschi, Vorstandsmitglied von Aroundtown, grundsätzlich zu. Der Luxemburger Gewerbeimmobilienkonzern hat vor allem Büroimmobilien in seinem Bestand. Knapp ein Viertel des Portfolios besteht aus Hotels, die unter anderem an Hilton oder Center Parcs vermietet wurden.

Bei einer Neubewertung des Immobilienportfolios im ersten Halbjahr konnte das Unternehmen zwar unter dem Strich ein Plus von 560 Millionen Euro verbuchen – das allerdings deutlich gemindert wurde durch eine Abschreibung in Höhe von 206 Millionen auf die Hotelimmobilien. Die Investoren sind skeptisch: Die im MDax notierte Aroundtown-Aktie liegt derzeit weit unter dem Vorkrisenniveau.

„Business- und Konferenzhotels dürften am längsten brauchen, bis sie wieder eine Auslastung wie vor der Coronakrise erreichen“, meint Massatschi. Freizeithotels seien dagegen schon wieder auf einem deutlich besseren Niveau, „etwa die Objekte, die wir an Center Parcs vermietet haben“. Mittlerweile seien 95 Prozent der von Aroundtown vermieteten Hotels wieder geöffnet.

Dass sich der börsennotierte Konzern aus dem Marktsegment verabschieden will, ist aber nicht zu erkennen: „Wir halten das Hotelbusiness langfristig für attraktiv“, unterstreicht Massatschi. Es sei sogar denkbar, dass Aroundtown mittelfristig zukaufe. „Allerdings sehen wir derzeit sehr wenige Immobilien am Markt, die mit einem derart hohen Abschlag zu erhalten sind, wie wir ihn gerne hätten.“ Massatschi erwartet kurzfristigen Preisdruck, wenn in den kommenden Quartalen weitere Marktteilnehmer in finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Mit neuen Strategien gegen die Krise

Angesichts der ungewöhnlichen Situation probieren einige Marktteilnehmer neue Konzepte aus – auch Aroundtown: Zwischenzeitlich seien in einigen Hotels Zimmer als Arbeitsraum angeboten worden, erzählt Massatschi. „Für die Überbrückung geringer Belegungszahlen war das an einigen Standorten ein Modell, das wir kurzfristig angeboten haben.“ Im Allgemeinen sei dies aber kein nachhaltiges Geschäftsmodell für Aroundtown.

Der Chef der Hotelkette Scandic Hotels, Jens Mathiesen, ist da anderer Meinung: Sein Unternehmen bietet an rund 270 Standorten in Deutschland und im Ausland neuerdings ein Coworking-Konzept an: Kunden können in den dortigen Scandic-Hotels pro Tag, Woche oder Monat einen Arbeitsplatz mieten, ohne Abonnement oder Kündigungsfristen. Bequeme Sitzgelegenheiten, kostenfreies WLAN, Getränke sowie Zugang zu ruhigen Bereichen und eine Vielzahl von weiteren Business-Dienstleistungen sind mit im Paket – auch für kleinere und große Unternehmen.

Noch einen Schritt weiter geht die Silberlake Real Estate Group: Das Düsseldorfer Unternehmen will Hotels langfristig zu Wohnungen oder Altenheimen umbauen. „Moderne Hotels können häufig einfach und schnell in Wohnungen umgebaut werden“, erklärt Geschäftsführer und -gründer John Bothe. Auch betreutes Wohnen oder Altenheime seien denkbare Konzepte, schließlich sind Hotels neuerer Baujahre häufig bereits barrierefrei konzipiert.

Erfahrungen hat er in diesem Bereich bereits gesammelt. Ein Silberlake-Hotel mit 300 Zimmern etwa wurde zu einem Wohnhaus verwandelt. „Wir befinden uns bereits in Gesprächen mit einigen Hotelbesitzern, die den Betrieb aufgeben wollen“, erzählt Bothe.

Für sein Unternehmen bieten sich durch Corona plötzlich neue Chancen. „In den vergangenen Jahren sind Überkapazitäten auf dem Markt für Hotels entstanden, weil die Nachfrage nach Hotelimmobilien vonseiten der Investoren groß war.“ Nun werde der Markt gereinigt. Er bedaure die Arbeitsplatzverluste im Zuge von Schließungen, sagt Bothe. Gleichwohl: „Bei einer Umfunktionierung zu betreutem Wohnen oder Altersheimen entstehen auch wieder neue Arbeitsplätze.“

Ein Trend, der sich durch Corona verstärkt

Das Münchener Immobilienunternehmen Savvy prüft ebenfalls derartige Nutzungsmöglichkeiten. Als Pluspunkt erachtet man dort vor allem die Lage der Hotels: Viele befinden sich in der Innenstadt, mit guter Anbindung an den Nahverkehr.

Doch der Wandel sei nicht so einfach, wie man ihn sich vorstelle, warnt Savvy-Manager Alexander Eckmann: So müsse man etwa bei einer Umnutzung das Baurecht umschreiben lassen. Das sei ein Prozess, der „viel Zeit und Ressourcen kostet“.

Doch angesichts der schwierigen Lage vieler Hotel- und Pensionsbetreiber werden wohl in Zukunft häufiger langfristige Bewohner in die Immobilien einziehen. „Umnutzungen sind auch in den vergangenen Jahren schon vorgenommen worden, aber durch Corona werden sie verstärkt zu einer Alternative“, sagt Hotel-Expertin Horn.

Derartige Pläne hegt 25hours-Chef Hoffmann nicht. Er geht wieder einen alternativen Weg als viele andere in der Branche: Hoffmann wird in den kommenden Monaten weitere Hotels für seine Kette eröffnen, unter anderem eines in Florenz, das von Dantes Göttlicher Komödie inspiriert ist.

Mehr: Meliá-Chef Escarrer warnt: „Viele Hoteliers können nicht durchhalten.“

Hier geht es zu Handelsblatt Inside Real Estate, dem exklusiven Fachbriefing zur Zukunft der Immobilienbranche.