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Quantencomputer – die neue Wunderwaffe von VW

Die Zahl war ein Schlag ins Kontor für die deutschen Autobauer: 2,8 Prozent. So niedrig ist der Kobalt-Anteil in den Batterien von Teslas Model 3. Die heimischen Hersteller hatten sich vier der neuesten Elektroautos von Tesla besorgt, um sie zu untersuchen. Die „Wirtschaftswoche“ hatte über die Laboranalyse berichtet.

Das Ergebnis dürfte die Ingenieure von Volkswagen, Daimler und BMW verblüfft und ihre Vorgesetzten schockiert haben. Denn der Kobalt-Anteil in den Batterien ihrer E-Autos ist mehr als doppelt so hoch. Das Problem: Kobalt ist selten, teuer und unersetzbar für den Batteriebau.

Wenn die deutschen Autobauer Geld mit ihren E-Autos verdienen wollen, müssten sie wie Tesla die Kosten für die Batterieproduktion senken. Danach sieht es bislang nicht aus. Die Verantwortlichen in Wolfsburg, Stuttgart und München geben deswegen Milliarden aus, um Innovationen voranzutreiben. VW will nun mit einer Wunderwaffe den Abstand zu Tesla verkleinern: dem Quantencomputer.

Die Rechengiganten sind ein wichtiges Thema für VW. Am Dienstag stellte IT-Chef Martin Hofmann auf der Cebit in Hannover zusammen mit den Kooperationspartnern Google und D-Wave Ergebnisse ihrer Forschung vor. Die Ansage ist klar: Die Wunderrechner sollen die Batterieforschung von VW deutlich voranbringen.

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Was in den 1960er-Jahren als Idee eines US-Physikers begann, soll schon bald den Computermarkt revolutionieren. Quantencomputer könnten unendliche Rechenleistung entfalten. Kalkulationen, für die heutige Superrechner Jahrtausende benötigen, sollen sie in Zukunft innerhalb eines Wimpernschlages erledigen. IBM, Google und Microsoft arbeiten seit Jahren daran, den Traum vom Quantencomputer zu verwirklichen – und es scheint, als ob sie mit großen Schritten vorankommen.

Vor allem die Materialforschung könnte von der Rechenpower profitieren. Laut einer Studie der Boston Consulting Group stehe in diesem Bereich der Durchbruch kurz bevor. Auf der Cebit verkündete Volkswagen, dass es ihnen bereits gelungen sei, simple chemische Prozesse auf Quantencomputern von D-Wave zu simulieren.

„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, das Potenzial von Quantencomputern zu erschließen“, erklärt Florian Neukart, der im VW-eigenen Code Lab in San Francisco an den Computern der nächsten Generation forscht. „Die Simulation elektromechanischer Materialien ist dabei ein wichtiges Projekt.“ Ziel sei es, Molekülbewegungen innerhalb von Batterien zu simulieren, um daraus Baupläne für leistungsfähigere Stromaggregate ableiten zu können.

Batterieforschung profitiert

Alexander Szameit, Physik-Professor an der Universität Rostock, forscht seit Jahren im Bereich des Quantencomputings und erhielt dafür 2017 den Alfried-Krupp-Förderpreis. Er glaubt, dass Volkswagen damit Erfolg haben könnte. „VWs Ansatz, mithilfe von Quantencomputern die Batterieforschung voranzutreiben, geht in die richtige Richtung“, sagt der 38-Jährige.

Die wundersame Leistung von Quantencomputern hat einen einfachen Grund: Sie rechnen gleichzeitig und nicht nacheinander. Heutige Computer arbeiten mit „Bits“, die auf einem binären System beruhen. Die Bits können nur einen „Null-Zustand“ oder einen „Eins-Zustand“ annehmen. Ein Bitcode besteht aus einer Kette von Milliarden Nullen und Einsen, die der Computer nacheinander abarbeitet.

In Quantencomputern hingegen arbeiten sogenannte „Qubits“. Sie sind das magische Element der Quantencomputer. Sie können im Gegensatz zu herkömmlichen Bits zeitgleich einen Null- und einen Eins-Zustand annehmen.

Ein Vergleich als Denkhilfe: Stellt man einem herkömmlichen Computer 100 Fragen, muss er sich zunächst jede einzelne anhören, um sie anschließend nacheinander beantworten zu können. Ein Quantencomputer ist in der Lage sich alle 100 Fragen gleichzeitig anzuhören und gleichzeitig zu beantworten.

Physiker Szameit von der Universität Rostock ist deswegen überzeugt, dass Quantencomputer die Batterieforschung voranbringen können. „Molekülbewegungen zu simulieren ist eine sehr komplexe Angelegenheit“, sagt er. So etwas könnten heutzutage allerhöchstens die besten Superrechner simulieren und selbst die würden hierfür sehr lange Rechenzeiten benötigen. „Für einen Quantencomputer wären diese Berechnungen kein Problem“, glaubt er.

Die schier unendliche Rechenleistung entfaltet sich, wenn mehrere Qubits miteinander verbunden werden – doch genau hier liegt auch eine Schwäche der Wunderrechner, wie Ingolf Wittmann, Europachef der Quantencomputer-Abteilung von IBM, erklärt. „Quantenteilchen sind sehr empfindlich und verändern bei der kleinsten Störung ihre kontrollierten Quanteneigenschaften“, sagt Wittmann.

Damit die Rechner fehlerlos arbeiten können, müssen Weltallbedingungen herrschen – kein Sauerstoff, keine Gravitation und Temperaturen um den absoluten Nullpunkt. „Ansonsten können beim Rechnen sogenannte Quantenfehler passieren“, erläutert der Experte. Und es gilt: Je mehr Qubits ein Rechner hat, desto instabiler ist er und desto wahrscheinlicher produziert er Quantenfehler.

Von der Idee des Quantencomputers zum ersten Qubit war es deswegen ein langer Weg. 1959 brachte der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman erstmals den Gedanken in Umlauf, die Effekte der Quantenmechanik auf Computer zu übertragen. Danach dauerte es fast 30 Jahre, bis Feynmans Idee umgesetzt werden konnte. Die beiden Physiker Jonathan A. Jones und Michele Mosca der Universität Oxford haben am 22. Mai 1998 den ersten Quantencomputer mit zwei Qubits der Öffentlichkeit präsentiert.

IBM baute ein Jahr später einen Rechner mit drei Qubits, 2006 gelang es Forschern des MIT zwölf Qubits zu bauen. Seit dem vergangenen Jahr hat sich die Entwicklung dramatisch beschleunigt. Intel präsentierte einen 17-Qubit-Rechner, IBM trumpfte daraufhin mit 50 Qubits auf. Am 7. März 2018 verkündete Google, dass es ihnen gelungen sei, einen Computer mit 72 Qubits auszustatten.

Zehn VW-Quantenforscher

Volkswagens Ausflug in die Welt der Quantencomputer begann vor etwa eineinhalb Jahren. Bo Ewald, Präsident des kanadischen Quantencomputerspezialisten D-Wave, bekam einen Anruf vom VW-IT-Leiter Martin Hofmann. „Martin wollte sich mit mir im Silicon Valley über das Thema Quantencomputer unterhalten“, sagt Ewald. „Er schlug dann vor, ein gemeinsames Projekt zu starten, mit dem Ziel ein reales Problem mithilfe von Quantencomputern zu lösen.“

Damals hatte VW noch keinen einzigen Experten für diesen speziellen Bereich und keinerlei Erfahrungen im Umgang mit Quantencomputern von D-Wave, sagt Ewald. Mittlerweile arbeiten zehn Quantenforscher bei VW, die über eine Cloud aus der Ferne auf die in Kanada stehenden Quantencomputer von D-Wave zugreifen.

Auch Daimler wagt sich an das Thema Quantencomputer heran. Die Stuttgarter kooperieren mit IBM und Google. Wie VW will gleichfalls Daimler mit den Rechengiganten der Zukunft die Batterieforschung vorantreiben. Allerdings wissen auch die Stuttgarter, dass sie sich am Beginn einer langen Reise befinden. „Man muss ehrlich sein: Der Quantencomputer ist ein sehr langfristiges Projekt“, meint ein Sprecher.

Daimler rechnet erst in zehn Jahren mit den ersten kommerziell nutzbaren Quantencomputern. Wichtig sei aber schon jetzt, Erfahrungen mit dem Programmieren dieser Computer zu sammeln und Experten an das Unternehmen zu binden. Das bestätigt auch eine Studie der Boston Consulting Group. Zwar sei erst ab 2030 mit signifikanten Entwicklungen bei Quantencomputern zu rechnen, heißt es dort. Doch wenn Unternehmen dann nicht bereits die Grundlagen für das Programmieren auf Quantencomputern beherrschen, werden sie den Rückstand nicht mehr aufholen können. Sie wären dann auf teure Technikdienstleister angewiesen.

60-Milliarden-Dollar-Markt

Massimo Russo, einer der Autoren der Studie, vergleicht den Status quo der Quantencomputer-Forschung mit dem Beginn der Entwicklung der heutigen Computer. „Allerdings wird die Entwicklung der Quantencomputer vom Labor zur Serienreife ungleich schneller ablaufen“, ist sich Russo sicher. Die Beratungsgesellschaft geht in einem optimistischen Szenario davon aus, dass das weltweite Marktvolumen von Quantencomputern bis 2035 auf 60 Milliarden Dollar ansteigt. Danach wären die größten Entwicklungshürden überwunden. Das Marktvolumen könnte dann bis 2050 auf knapp 300 Milliarden Dollar anwachsen.

Bei BMW scheint man diese Entwicklung zurückhaltend zu betrachten. Während VW seit eineinhalb Jahren Grundlagenforschung betreibt, beschäftigen sich die Münchener erst jetzt intensiver mit dem Thema. Aus Machbarkeitsstudien und ersten Erfahrungen mit dem Gebrauch von Quantencomputern würde BMW nun die nächsten Schritte ableiten, erklärt ein Firmensprecher.

Die Zeit drängt. IBM-Quantencomputer-Experte Wittmann glaubt, dass schon bald die ersten Quantencomputer den experimentellen Status verlassen. „Wir sind zuversichtlich, dass bis in fünf Jahren Quantencomputer auch an der ein oder anderen Stelle außerhalb von Forschungslaboren zum Einsatz kommen werden.“

Physikprofessor Szameit geht davon aus, dass Quantencomputer mit 100 Qubits herkömmlichen Rechnern bei bestimmten Kalkulationen schon überlegen sein werden. „Die physikalischen Grundvoraussetzungen haben wir bereits“, sagt der Quantenforscher. „Für die technische Umsetzung benötigen wir eigentlich nur noch Fleiß und Geld.“