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Promi-Koch Tim Mälzer: „Die Gastroszene wird sich massiv verändern“

Der Gastronom spricht über die Folgen des zweiten Lockdowns für die Gastronomie und seinen neuen Lieferservice. Zu den geplanten Entschädigungen hat Mälzer eine klare Meinung.

Die neuen Entschädigungen für den zweiten Lockdown sieht der Fernsehkoch als positives Signal für die Gastronomie. Foto: dpa
Die neuen Entschädigungen für den zweiten Lockdown sieht der Fernsehkoch als positives Signal für die Gastronomie. Foto: dpa

Tim Mälzer ist mit dem Auto unterwegs zur Aufzeichnung einer neuen Folge der TV-Kochserie „Kitchen Impossible“. Wie immer weiß er nicht, wohin er gefahren und gegen wen er im Kochduell antreten wird. Auch die Gastronomiebranche steuert durch die Coronakrise, ohne das Ziel zu kennen.

Fernsehauftritte sind für den 49-jährigen Promi-Koch und Bestsellerautor deshalb ein wichtiges Standbein. Denn wie alle Restaurants bundesweit müssen Mälzers „Bullerei“ und „Die Gute Botschaft“ in Hamburg und das „Hausmann’s“ in Frankfurt ab Montag in den zweiten Lockdown.

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Herr Mälzer, Sie sind das Sprachrohr der Gastroszene in der Coronakrise, haben gleich zwei Brandbriefe der Gastronomie an Kanzlerin Angela Merkel unterzeichnet. Was hat Sie so wütend gemacht?
Die Brandbriefe waren ein Aufruf an die Politik: Hört der Gastronomie endlich zu und entscheidet nicht über unsere Köpfe hinweg! Die Art und Weise, wie Politiker über die Gastronomie als Pandemietreiber gesprochen haben, grenzte für mich an Rufschädigung. Als Unternehmer und Arbeitgeber hat man uns Gastronomen alles abverlangt in der Krise. Wir haben kreativ auf jede Einschränkung reagiert. Die Gastronomie wird ja nicht wegen Ansteckungsgefahr geschlossen, dafür gibt es keine Belege. Wir sind ein Bauernopfer, damit die Menschen zu Hause bleiben.

Was bedeutet der zweite Lockdown für die gebeutelte Branche?
Der ist bitter. Aber wenn das Hilfspaket, das Finanzminister Olaf Scholz zugesagt hat, tatsächlich so umgesetzt wird, dann gehen wir den Weg durch den Lockdown mit der Politik gemeinsam.

Es ist also ein sinnvoller Ansatz, 70 bis 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 als Entschädigung zu zahlen?
Absolut. Das ist ein positives Signal für die Gastronomie. Bislang war die Last der Krise auf wenige Schultern verteilt. Nun will die Gesellschaft die Pandemie in den Griff bekommen und die Branchen, die besonders betroffen sind, werden endlich besonders unterstützt.

Haben die bisherigen staatlichen Hilfen denn nichts gebracht? Immerhin wurde die Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Es gibt Kurzarbeitergeld, Soforthilfen, Überbrückungshilfen, KfW-Kredite.
Die Mehrwertsteuersenkung hat am meisten geholfen. So konnten Betriebe wenigstens zum Teil ihre Verluste aus dem ersten Lockdown ausgleichen. Profitiert haben aber vornehmlich Gastronomen mit Außenplätzen. KfW-Kredite sind Schulden, das muss man klar sagen. Die wirken wie eine Beatmungsmaschine. Und Kurzarbeitergeld von 60 Prozent für Mitarbeiter aus dem Niedriglohnsektor – das reicht hinten und vorne nicht. Die kommenden Umsatzentschädigungen, die sind echte Hilfen.

Ist dadurch die Pleitewelle in der Branche abzuwenden?
Die Gastronomie ist sehr unterschiedlich betroffen. Für den Großteil der Speisenwirtschaft wird das Loch durch das neue Hilfspaket immerhin nicht größer. Aber eine Pleitewelle wird dadurch nicht verhindert.

Einige Betriebe wie Burgerketten kommen besser durch die Krise als andere. Wird die Gastro-Landschaft eintöniger sein nach Corona?
Die Gastroszene wird sich massiv verändern. Sie wird in drei Jahren ganz anders aussehen.

Wer wird untergehen – die kleinen Familienbetriebe?
Man wird nicht jede Kneipe oder jedes Restaurant retten können. Einige wären sowieso irgendwann gegangen, aber viele sind erst durch die Krise in Existenznot geraten. Gerade kleinere Läden werden aufgeben müssen. Viele haben durch Corona so große finanzielle Löcher, die sie in den nächsten Jahren kaum stopfen können.

Wie kommen Ihre Betriebe durch die Krise?
Ich habe drei Betriebe, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die „Bullerei“ hat mit der Lage und meinem Namen auch nach der Krise Potenzial. Ein zweiter Laden in 2B-Lage hat sowieso zu kämpfen. Ich werde Jahre brauchen, um die finanziellen Löcher dort wieder zu schließen. Mein Veranstaltungsservice hat seit März so gut wie keinen Auftrag mehr – durch die Beschränkungen und die Verunsicherung der Menschen. Da sehe ich derzeit auch auf lange Sicht keine Erholung.

Wie viel Umsatz ist Ihnen in der Pandemie entgangen?
Mehrere Millionen Euro. Ich musste privat Geld zuschießen, um keinen meiner 200 Leute entlassen zu müssen.

Die Krise der Gastronomie geht Ihnen emotional sehr nahe. In der Talkshow von Markus Lanz waren Sie im Mai den Tränen nahe.
Wir Gastronomen haben eben so viel Energie in unsere Projekte gesteckt. Das ist unser Traum! Gastronomie ist kein einfach verdientes Geld. Für das Wagnis Selbstständigkeit braucht es Rückgrat und Idealismus. Die wenigsten von uns gehen morgens zur Arbeit, hauen Schnitzel in die Pfanne und gehen wieder nach Hause. Die meisten Gastronomen brennen für ihren Betrieb. Oft ist die Familie mit eingebunden. Nun ist für viele Inhaber alles infrage gestellt, was sie über Jahre aufgebaut haben.

Gastronomen sind notgedrungen kreativ und digital geworden. Viele haben nun einen Lieferdienst. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Ich lasse mir gerade Nachhilfe von Steffen Henssler geben, wie man einen Lieferdienst aufbaut. In dieser Welt bin ich nicht sonderlich firm. Das Letzte, was ich machen möchte, ist die Monopolstellung von Lieferando zu unterstützen. Wir sind gerade in der Testphase, kochen etwas und fahren damit eine halbe Stunde in der Stadt herum und sehen, ob es noch schmeckt. Nicht jedes Gericht lässt sich in den Lieferservice packen. Tim Raue ist da Vorbild und Motivator für mich.

Lohnt ein Lieferdienst wirklich?
In unserem Fall ist es aktives Marketing während der Schließung. Aber es gibt Lieferdienste, die funktionieren herausragend, etwa bei Steffen Henssler.

Was passiert, wenn im Dezember Restaurants wieder öffnen? Kommt das Vertrauen der Gäste zurück?
Es liegt an uns und der Politik, das lädierte Image der Gastronomie wieder zu kitten. Das wurde von einigen Ministerpräsidenten beinahe mutwillig, zumindest aber fahrlässig beschädigt. Wir dürfen nicht jammern, sondern müssen das Vertrauen der Gäste wiedergewinnen.

Gastronomen haben sich für Luftreiniger, Heizpilze und Außenhütten hoch verschuldet. Ist Außengastronomie die Rettung bis zu einem Impfstoff?
Gastronomen versuchen alles, um durch die Krise zu kommen. Aber man muss auch realistisch sein: Ein Vier-Gang-Menü isst man nicht unter einem Heizstrahler im kurzen Rock und Stöckelschuhen. Essengehen ist Ambiente, Musik, Atmosphäre. Das alles können Heizstrahler nicht ersetzen – nur die Temperatur. Aber sie sind eine Facette, um weitere Umsatzfenster zu kreieren.

Was kochen Sie in der Krise am liebsten?
Nach der Arbeit entspanne ich zu Hause beim Kochen. Ich schmore gerne, von Fleisch bis Gurken, ich liebe den Geruch. So bekomme ich den Kopf frei. Was zusätzlich hilft, ist die Welle der Sympathie, die uns von den Gästen entgegenkommt. Das wissen wir Gastronomen in der Krise sehr zu schätzen.

Herr Mälzer, vielen Dank für das Interview.

Auch das erst im Oktober wiedereröffnete Restaurant von Tim Mälzer muss ab Montag wieder schließen. Foto: dpa
Auch das erst im Oktober wiedereröffnete Restaurant von Tim Mälzer muss ab Montag wieder schließen. Foto: dpa