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Plötzlich Heimarbeit – So gelingt Neulingen das Arbeiten im Homeoffice

Um das Coronavirus einzudämmen, verordnen Firmen ihren Büro-Angestellten die Arbeit zu Hause. Für viele ist das eine völlig neue Erfahrung. Fünf Hilfestellungen.

Schon wieder ist das Video abgebrochen. Genervt greift Moritz Spangenberg zum Handy – der Rest des Meetings muss telefonisch ablaufen. Ursprünglich wollte der 34-Jährige den Kunden persönlich treffen, so, wie er das immer macht.

Doch seitdem sich das Coronavirus ausbreitet, ist nichts mehr normal. Auch nicht bei der polnischen Digitalagentur Netguru, die Software für Volkswagen, Ikea oder Delivery Hero entwickelt.

Als Partner soll Spangenberg die Expansion auf dem deutschen Markt vorantreiben: Er netzwerkt auf Messen, veranstaltet Workshops, arbeitet im Büro mit den Kollegen. Eigentlich. Denn Spangenbergs Chef hat Heimarbeit verordnet. Und so sitzt er mit Laptop in seinem Apartment, schreibt Mails und hält Videokonferenzen ab – sofern denn die Technik funktioniert.

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„Zu Hause lässt sich eigentliches alles erledigen“, erzählt Spangenberg. „Aber gerade bei komplexen, kreativen oder vertrauensbildenden Gesprächen mit Geschäftspartnern vermisse ich den persönlichen Kontakt.“

Zu Hause klarkommen, die Technik beherrschen, mit Kunden und Kollegen virtuell kommunizieren – so wie Spangenberg dürfte es Tausenden in Deutschland gehen. Spätestens seit Wochenbeginn haben Unternehmen ihre Büroangestellten in Heimarbeit geschickt, um die sozialen Kontakte und damit die Ausbreitung des neuartigen Virus einzuschränken.

Für die meisten ist das eine völlig neue Situation, in Deutschland haben bislang doch gerade einmal zwölf Prozent der Angestellten von unterwegs gearbeitet, wie Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen.

In den meisten Fällen scheiterte der Wunsch nach mobiler Arbeit an den Firmen. Bislang. Durch Sars-CoV-2 sind sie aber gezwungen, das Experiment Homeoffice zu wagen. Es könnte die mobile Arbeit gar salonfähig machen, glaubt Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). „An der ein oder anderen Stelle werden Unternehmen ihre Vorbehalte verlieren und die Vorteile der Heimarbeit erkennen.“

Und die liegen auf der Hand: Heimarbeiter sind seltener krank, weil das stressige Pendeln entfällt. Sie sind zudem produktiver, wie Studien und Erfahrungen zeigen. Und sie werden weniger häufig aus der Arbeit gerissen, kann doch kein Kollege an der Bürotür klopfen.

Das Problem: Normalerweise bereiten Firmen sich monatelang auf die Heimarbeit vor, weil sich Mitarbeiter zu Hause anders organisieren müssen als im Büro – und Manager lernen müssen, ihren Angestellten zu vertrauen. Doch wie kann die Heimarbeit für Neulinge gelingen? Fünf Hilfestellungen, die gerade denen helfen, die an eine Präsenzkultur gewöhnt sind.

Anzug auch zu Hause tragen – Wie die Arbeit im Homeoffice gelingt

Netguru-Berater Spangenberg hält auch im Homeoffice an seinen bisherigen Ritualen fest. Er macht vor der Arbeit Sport, duscht, frühstückt und sitzt ab 8.30 Uhr vor dem Laptop. In den ersten Tagen tat er das noch in gemütlicher Kleidung, mittlerweile im Business-Outfit. „Das hat mir erleichtert, in den Arbeitsmodus zu finden, weil ich mich so von meinem Privatleben ein Stück distanziere“, sagt Spangenberg.

Das mag banal klingen, doch Experten raten gerade Homeoffice-Anfängern dazu, möglichst das bekannte Berufsumfeld zu schaffen, um sich daheim auf die Arbeit konzentrieren zu können – und das fängt eben bei der Kleidung an.

Damit sich Berufliches und Privates nicht vermischt, sollte auch der Arbeitsbereich von der restlichen Wohnung abgegrenzt werden, idealerweise mit Sichtschutz. So könne man sich schon räumlich klarmachen, wo gearbeitet und wo gelebt wird, sagt Coachin und Autorin Cordula Nussbaum.

„Es ist eine schlechte Idee, sich mit dem Laptop auf die Couch zu setzen“ – auch unter ergonomischen Gesichtspunkten. Besser: mit Monitor, Tastatur und Maus arbeiten und auch zu Hause nicht die Bewegung vergessen, weil doch schon der Weg zur Arbeit entfällt. Hilfreich: beim Telefonieren aufstehen und nach der Mittagspause um den Block spazieren.

Ohnehin „müssen sich viele Heimarbeitneulinge bremsen, um Pausen und Feierabend nicht zu vergessen, da die Impulse durch die Kollegen fehlen“, sagt Nussbaum. Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung leisten Beschäftigte zu Hause 5,6 Überstunden pro Woche – fast doppelt so viele wie die Bürokollegen. Einfacher Trick: den Wecker stellen.

So weit ist Berater Spangenberg noch nicht gegangen, obwohl er zu Hause fast eine Stunde länger als im Büro arbeitet. Dennoch sorgte er sich anfangs, ob er produktiv genug gewesen sei. Seine Lösung: Er hält sein Tageswerk auf einem Zettel fest. Sein Vorgehen ist lehrbuchmäßig. Experten raten, die eigenen Erfolge sichtbar zu machen – etwa im nächsten Telefonat mit dem Vorgesetzten.

Auch wenn Homeoffice nach großer Freiheit klingt, sollten Mitarbeiter nicht zwischendurch die Spülmaschine ausräumen oder Wäsche aufhängen, das lenkt nur ab. Was hilft, um sich zu fokussieren: „Sich klare Tagesziele festlegen, um die Arbeit danach auszurichten“, sagt IW-Ökonom Stettes. Und nach Feierabend bitte Laptop und Firmenhandy ausschalten, um selbst abzuschalten.

Und wer es trotz der Tipps nicht schafft, im Homeoffice zu arbeiten? Der muss zurück ins Büro – zumindest nachdem die Corona-Pandemie überstanden ist. Das ist keine Schande, nicht jeder ist für die Heimarbeit gemacht.

Den Mitarbeitern vertrauen – Was Manager tun können

Auf Masa Schmidts Laptop klebt ein Sticker mit der Aufschrift „Trust is the new control“. Die 30-jährige Managerin berät für Microsoft Großunternehmen bei der Transformation zum modernen Arbeiten. Und so ist es nur schlüssig, dass fast alle ihrer 16 Teammitglieder mobil arbeiten – lange bevor das Coronavirus die Welt lahmlegte.

2014 führte Microsoft den Vertrauensarbeitsort ein. Seitdem dürfen die 2700 Mitarbeiter in Deutschland dort arbeiten, wo sie wollen. 90 Prozent nutzten das Angebot bislang, nun sind alle Mitarbeiter angehalten, zu Hause zu arbeiten.

Schmidts mehrjährige Erfahrungen können denjenigen helfen, die erst seit wenigen Tagen Heimarbeit machen müssen. Ihr wichtigster Ratschlag: den Mitarbeitern vertrauen. Ob ihre Kollegen gerade Mails schreiben oder doch auf dem Balkon entspannen, weiß Schmidt oft nicht. „Mir ist das ehrlich gesagt auch egal.“

Theoretisch könnten Mitarbeiter auch im Büro ihren Aufgaben nicht nachgehen. Sie würde ohnehin beim nächsten Mitarbeitergespräch merken, ob der Mitarbeiter seine Aufgaben tatsächlich erledigt.

Kontrolle abgeben und Vertrauen aufbauen – was Schmidt mit Leichtigkeit erzählt, fällt vielen Managern schwer. IW-Experte Stettes: „Manager müssen klar sagen, was ihre Mitarbeiter bis wann erledigen sollen, um so zumindest etwas Kontrolle zu behalten und den Kollegen Orientierung zu geben.“ Er rät Führungskräften, gerade in den ersten Tagen der Heimarbeit toleranter zu sein, schließlich sei die Situation für viele ungewohnt.

Obwohl Schmidt und ihr Team schon seit Jahren mobil arbeiten, ist die aktuelle Situation auch für sie besonders: Schmidt versuche, ihren Mitarbeitern verstärkt auf virtuellem Weg die Hand zu halten, indem sie zuhöre und regelmäßige nachfrage, wie es den Kollegen gehe – per Videocall, um die Situation besser einzuschätzen. „Ich habe gerade in der Coronakrise die Verantwortung für die mentale Gesundheit meiner Mitarbeiter.“

Kommunikation ist nicht nur in der Krise wichtig, sondern grundsätzlich bei der Arbeit im Homeoffice. Manager sollten mit ihrem Team abstimmen, auf welchen Kanälen was geteilt wird, in welchem Zeitraum alle erreichbar sein sollten, wann Kollegen durch Termine verhindert sind und wie schnell eine Antwort auf Mail und Chatbeitrag erwartet wird.

Wichtig: sehr präzise formulieren, um Missverständnisse zu vermeiden – schließlich fallen Gestik und Mimik weg. Und wer für ein paar Stunden ungestört arbeiten will, sollte das seinen Kollegen signalisieren, etwa durch eine „Beschäftigt“-Notiz im Kalendereintrag.

Nicht vergessen: Standards festlegen. Mit oder ohne Anrede, flapsig oder förmlich, mit Smileys oder ohne? Wenn das klar ist, fühlt sich niemand falsch angesprochen.

Virtuelles Mittagessen – So hält das Team im Homeoffice zusammen

Homeoffice, schön und gut. Doch Experten halten bei Teams, die mobil arbeiten, regelmäßige persönliche Treffen für unverzichtbar, damit das soziale Gefüge aufrechterhalten wird. Ohne den privaten Austausch „können Prozesse leiden und im schlimmsten Fall Qualität und Effizienz der Arbeit einbrechen“, sagt Fabian Krapf, Geschäftsführer des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung.

Auch Microsoft-Managerin Schmidt und ihr Team treffen sich regelmäßig. In Zeiten, in denen soziale Kontakte vermieden werden sollen, verabreden sie sich mehrfach pro Woche zum virtuellen Mittagessen. Jeder kocht oder kauft sich etwas und setzt sich damit vor den Laptop. Eine Stunde lang wird über alles geredet – nur nicht über Arbeit.

„Wir wollen durch den virtuellen Lunch die soziale Isolation unserer Mitarbeiter vermeiden und eine Plattform für den Ausgleich schaffen“, sagt Schmidt. Auch Netguru-Mitarbeiter Spangenberg ist mit seinen Kollegen jeden Freitag zum digitalen Kaffeeklatsch verabredet. Eine halbe Stunde lang sollen die zufälligen Begegnungen gefördert werden, die es sonst nur in der Teeküche gibt.

Und wenn ich mich zu Hause verletze? Einblicke ins Arbeitsrecht

Als wenn die Zusammenarbeit im Homeoffice nicht schon kompliziert genug wäre, sollten sich Mitarbeiter auch Gedanken über das Arbeitsrecht machen. Drei Einblicke.

Erstens: Wenn sich Angestellte bei der Heimarbeit verletzen, wird das als Arbeitsunfall gewertet, sofern ein Zusammenhang zur Tätigkeit besteht, sagt Sebastian Schröder, Arbeitsrechtler bei der Düsseldorfer Kanzlei Aquan. Betroffene müssen dann „einen sogenannten Durchgangsarzt aufsuchen, die freie Arztwahl ist bei einem Arbeitsunfall eingeschränkt“.

Zweitens: Wer zu Hause nun viel drucken muss oder Aktenordner für die Arbeit gekauft hat, kann seinen Arbeitgeber an den Kosten beteiligen, schließlich würde er sonst auch dafür aufkommen. Facebook etwa teilte mit, dass jeder Mitarbeiter 1000 Dollar erhält, um die Kosten der Heimarbeit zu kompensieren.

Drittens: Wer daheim mit dem Dienstmonitor arbeiten will, darf ihn ruhig aus dem Büro mitnehmen, zumindest wenn das vorher mit dem Chef abgeklärt ist. Und was, wenn er zu Hause kaputtgeht? „Der Arbeitgeber haftet auch im Versicherungsfall“, sagt Schröder, allerdings nur, wenn der Mitarbeiter den Monitor nicht vorsätzlich beschädigt hat.

Die Technik muss laufen – sonst geht gar nichts

Walter Grüner und sein Team haben die vergangenen drei Wochen durchgearbeitet, auch am Wochenende. Grüner ist Chief Information Officer (CIO) von Covestro. Er musste den Dax-Konzern in kürzester Zeit für die flächendeckende Heimarbeit vorbereiten.

Eine Mammutaufgabe: Normalerweise greifen weltweit 1200 Nutzer von unterwegs auf die Technik zu, nun sind es bis zu 17.200. Seit Wochenbeginn sollen die Büromitarbeiter des Chemiekonzerns von zu Hause arbeiten.

„Die Technik ist in diesen Tagen extrem wichtig und kann einen Beitrag zum Überstehen der Krise leisten“, sagt Grüner. Als Technikchef muss er so etwas sagen, doch übertrieben ist das mitnichten. So sagt Arbeitsmarktexperte Stettes: „Eine funktionierende IT-Infrastruktur ist die Grundlage dafür, dass die Kollegen nun überhaupt zusammenarbeiten können.“

Covestro kaufte Tausende IT-Lizenzen, erweiterte die Serverkapazitäten und stellte allein in Deutschland rund 500 Laptops bereit, da einige Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen noch feste Rechner installiert haben. Nur sind die in diesen Tagen nutzlos.

So geht es hierzulande vielen Unternehmen, die eine Präsenzkultur leben. Doch ohne Firmenlaptop mit entsprechender Software lässt sich nur beschwerlich von zu Hause arbeiten.

Grüner hatte „Glück im Unglück“, erzählt er. Seit fast einem Jahr arbeitete er an der Weiterentwicklung zum digitalen Arbeitsplatz, um die Arbeit durch Videoprogramme und Chat-Tools zu organisieren. Die Mitarbeiter sollten in den nächsten Wochen geschult werden. Nun hat Grüner die Programme ohne Trainings freigegeben. Immerhin kann überhaupt mit neuen Tools von unterwegs gearbeitet werden.

Der unfreiwillige Praxistest scheint zu funktionieren: Die IT laufe stabil, sagt Grüner, auch wenn die Telefonleitungen der starken Auslastung nicht immer gewachsen seien. Einige Mitarbeiter haben noch Probleme mit der neuen Technik: Die IT-Abteilung hat dreimal so viele Anfragen wie üblich.

Nur ein Problem kann er nicht lösen: wenn das heimische WLAN der Mitarbeiter nicht funktioniert. Da nützen auch die besten Tools nichts.

Bei Netguru-Berater Spangenberg laufen Tools und Technik nach den ersten Tagen stabil. Für ihn ist das Experiment Homeoffice geglückt. „Ich habe mich leichter getan als gedacht“, erzählt er. Er kann sich vorstellen, auch nach Ende der Corona-Pandemie häufiger von zu Hause zu arbeiten. „Es klappt ja trotzdem.“