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Onlinehändler Berlin Brands Group geht volles Risiko – und wird zum Corona-Gewinner

Rechtzeitig vor Beginn der Pandemie hat es Peter Chaljawski gewagt, ein riesiges Zentrallager zu bauen. Das zahlt sich nun aus – der Umsatz explodiert.

Für Peter Chaljawski war es die „prägendste Phase“ seines Unternehmerlebens. Dabei ist er schon selbstständig, seit er mit 19 Jahren nach dem Abitur begonnen hat, auf Ebay mit DJ-Equipment zu handeln. Und in den folgenden 15 Jahren hatte er ein Unternehmen mit heute 700 Mitarbeitern aufgebaut, das in 28 Länder liefert. Der Schwerpunkt liegt heute auf Haushaltsartikeln, Gartenmöbeln, Unterhaltungselektronik und Fitnessgeräten.

Doch die Eröffnung des eigenen Zentrallagers im vergangenen Jahr in Kamp-Lintfort war ein Punkt, an dem die ganze Erfolgsgeschichte hätte kippen können. „Das war eine heikle Sache und eine ganz turbulente Zeit“, erinnert sich der 34-Jährige. Wochenlang übernachtete er vor Ort, um die Inbetriebnahme des Lagers auf 50.000 Quadratmetern persönlich zu überwachen und wo nötig mit einzugreifen.

Denn ihm war klar: Wenn das Lager nicht läuft und die Waren nicht pünktlich ausgeliefert werden, sind die Kunden ganz schnell bei der Konkurrenz – und kommen auch nicht mehr zurück. Das erlebte im vergangenen Jahr das aufstrebende E-Commerce-Unternehmen Lesara. Die missglückte Einführung eines eigenen Zentrallagers endete bei dem Modehändler in der Insolvenz.

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Doch die Umstellung auf die eigene Logistik hat bei Chaljawski schließlich funktioniert und seinem Unternehmen, das er vor Kurzem von Chal-Tec in Berlin Brands Group (BBG) umbenannt hat, neuen Schub gegeben. Das nötigt auch Fachleuten Respekt ab. „Dass das Unternehmen das so gut über die Bühne gebracht hat, ist ein Beleg für die Qualität des Managements“, sagt E-Commerce-Experte Mark Steier. „Das ist alles andere als selbstverständlich“, betont Steier, der selbst jahrelang als Onlinehändler gearbeitet hat und heute den Brancheninformationsdienst Wortfilter betreibt.

„Aus heutiger Sicht war der Bau des Zentrallagers und die Umstellung der Logistik die beste Entscheidung, die wir treffen konnten“, sagt Chaljawski. Denn kaum hatte sich der Lagerbetrieb eingespielt, kam die Coronakrise, und mit ihr explodierte geradezu die Nachfrage. „Da war es ein ganz wichtiger Faktor, die gesamten Fulfillment-Prozesse in der eigenen Hand zu haben“, betont er. Das Unternehmen könne so viel besser auf die steigende Nachfrage reagieren und das Warenangebot steuern.

„Nachhaltiger Schub für den Onlinehandel“

Sein Unternehmen bewältigte in den ersten neun Monaten dieses Jahres ein Umsatzplus von mehr als 50 Prozent auf 220 Millionen Euro. Im dritten Quartal sprang der Umsatz sogar um 80 Prozent in die Höhe. Ohne das neue Lager in Kamp-Lintfort wäre dieses Zusatzvolumen nicht abzuwickeln gewesen. „Wichtig war es für uns, dass die Segel gespannt waren, als der Wind kam“, sagt Chaljawski.

Anfangs gehörte auch eine gewisse Portion Mut dazu, darauf zu vertrauen, dass dieser Boom anhält, und entsprechend viel Ware in Asien nachzubestellen. Doch mittlerweile ist sich Henrik Haenecke, der Finanzchef von BBG, sicher: „Das ist kein kurzfristiger Corona-Effekt mehr, das ist ein nachhaltiger Schub für den Onlinehandel.“ Für dieses Jahr rechnet er jetzt mit einem Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro. 2019 hatte der Umsatz noch bei 216 Millionen Euro gelegen.

Der gebürtige Ukrainer Chaljawski, der als kleines Kind mit seinen Eltern nach Berlin kam, musste einen weiten Weg zurücklegen, um diesen Punkt zu erreichen. Angefangen hat er auf nur 20 Quadratmeter Bürofläche als Ebay-Powerseller, ein Studium oder eine Ausbildung hat er nie absolviert. Hochgearbeitet hat er sich beharrlich aus eigener Kraft – und lange Zeit ohne fremde Investoren.

Entsprechend groß ist bei ihm die finanzielle Disziplin. So war das Unternehmen – anders als die meisten anderen Start-ups – vom ersten Jahr an durchgehend profitabel. „Wir nutzen unsere Profitabilität, um unser Wachstum zu finanzieren“, betont auch Haenecke. „Für dieses Jahr peilen wir eine zweistellige Ebitda-Marge an“, sagt der Finanzchef, der vor seinem Wechsel zu BBG 2019 bei den Berliner Verkehrsbetrieben und bei Kaiser’s Tengelmann gearbeitet hatte. „Die Jahre 2018 und 2019 waren für uns Investitionsjahre, in denen wir die Rampe gebaut haben, um jetzt den Sprung machen zu können.“

Dabei hat das Unternehmen aber auch das Glück, dass sein Geschäftsmodell perfekt zur neuen Handelswelt in der Coronazeit zu passen scheint. Der Schwerpunkt liegt auf Haushaltsartikeln, Gartenmöbeln, Unterhaltungselektronik und Fitnessgeräten – alles Kategorien, die in Zeiten von Quarantäne und Cocooning extrem gefragt sind. Bis Ende Oktober hatte BBG schon 2,8 Millionen Artikel ausgeliefert. „Die Nachfrage nach Fitnessgeräten hat nach dem ersten Lockdown in einigen Ländern um mehr als 1000 Prozent angezogen“, freut sich Chaljawski.

Coronakrise inspiriert zu neuen Produkten

Das Modell des Unternehmers beruht darauf, dass er die Wertschöpfungskette komplett vertikal integriert hat. Er entwickelt die Produkte mit einem Team von Ingenieuren und Designern in der Zentrale in Berlin, gibt sie bei Partnern in Asien in Auftrag und vertreibt sie dann unter eigenen Marken wie Klarstein (Haushaltsgeräte), Auna (Unterhaltungselektronik) oder Blumfeldt (Gartenartikel).

Alexander Graf, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens eTribes, sieht BBG deshalb auch weniger als Onlinehändler, sondern eher als Prototyp des Konsumgüterherstellers der Zukunft. Im Grunde müssten alle Hersteller so werden, betont er.

Beim Vertrieb setzt das Unternehmen auf eine Vielzahl von Kanälen. So läuft weniger als die Hälfte des Absatzes über die Plattform von Amazon. Der größte Teil wird über die weltweit 73 Webshops unter eigenen Markennamen verkauft. In der aktuellen Situation zeige sich, wie gut das Geschäftsmodell funktioniere, sagt Chaljawski.

Das Wachstum finanziert das Unternehmen weitgehend aus dem Cashflow. Im Jahr 2015 ist jedoch einer der größten europäischen Private-Equity-Investmentfonds, Ardian, mit einer Minderheitsbeteiligung eingestiegen, um die internationale Expansion zu unterstützen. So hat BBG im slowakischen Bratislava ein eigenes Logistikzentrum in Betrieb genommen, von dem aus der osteuropäische Markt bedient wird. Den US-Markt beliefert das Unternehmen mit einem lokalen Partner aus einem Lager in Los Angeles. Auch in der Türkei baut BBG eine eigene Logistik auf.

Die Coronakrise bedeutet für das Unternehmen aber nicht nur eine Wachstumschance, sie inspiriert auch zu neuen Produkten. So nimmt Chaljawski bald auch Luftreiniger ins Programm, die Viren aus Innenräumen filtern. Und ein neuer Renner im Sortiment sind Heizstrahler, die die Saison im Freien zu verlängern helfen.

Ein wichtiges Zukunftsfeld sieht der Unternehmer im Bereich Smarthome. Künftig will er mehr Heiz- und Klimageräte ins Programm nehmen, die sich per App steuern lassen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir auch im Jahr 2021 international weiter stark wachsen“, sagt Chaljawski. „Ideen für neue Produktgruppen gibt es genug.“