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Nordkoreas Signale der Verhandlungsbereitschaft kamen zu spät

Mit der Sprengung seines Atomtestzentrums wollte Nordkorea Verhandlungsbereitschaft signalisieren. Doch US-Präsident Trump sagt den Gipfel mit Kim ab.

US-Präsident Donald Trump überraschte am Donnerstag wieder Freund und Feind: In einem offenen Brief an Nordkoreas Führer Kim Jong Un sagte er den für den 12. Juni geplanten ersten Gipfel zwischen den beiden Staaten ab. Mit diesem Schlag setzt Trump einem lange schwelenden Konflikt die vorläufige Krone auf. In einer ersten Reaktion zeigten sich die Südkoreaner ratlos. Man versuche noch herauszufinden, was Trumps Aktion bedeuten solle, verkündete der Sprecher des Präsidenten.

Am Donnerstag koreanischer Zeit hatte Nordkorea wie versprochen drei Tunnel und Gebäude seines einzigen bekannten Atomtestzentrums Punggye-ri gesprengt. Dort, in den entlegenen Bergen in Koreas Nordosten, hatten die Militärs bisher sechs Atomtests durchgeführt. Die Testreihe gipfelte vorigen September nach Nordkoreas Angaben im Test einer Wasserstoffbombe.

Als Zeichen der Transparenz hatte Kim sogar drei Dutzend Reporter aus China, Großbritannien, Russland, Südkorea und den USA zu dem feierlichen Spektakel eingeladen. In ersten Berichten schrieben sie von schweren Explosionen und grauem Rauch über den Bergen. Und das war ganz nach Kims Geschmack. Schließlich wollte er mit der medial inszenierten Sprengung der Tunnel den USA zwei Botschaften signalisieren: dass es ihm ernst ist mit dem angekündigten Testmoratorium für Atombomben und Langstreckenraketen – und dass er verhandlungsbereit sei.

Doch offensichtlich hat Kim sich verkalkuliert. Denn er begleitete die Rauchzeichen der Entspannung mit einem Signal an Trump, Nordkorea ernst zu nehmen. Nur ging das Trump zu weit. Denn am Morgen des historischen Tages hatte Nordkoreas Vizeaußenministerin Choe Son Hui nicht nur eine Drohung von voriger Woche erneuert, den für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfel platzen zu lassen. Erstmals seit Langem warnte Nordkorea sogar wieder vor dem Einsatz von Atomwaffen und reaktivierte sein Vokabular an beleidigenden Titulierungen für amerikanische Führer.

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„Ob die USA uns in einem Verhandlungsraum treffen oder wir uns in einem atomaren Showdown gegenüberstehen werden, hängt allein von der Entscheidung und dem Verhalten der USA ab“, sagte Choe laut Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA. Zudem griff sie US-Vizepräsident Mike Pence offen als „politischen Dummkopf“ an.

Nordkorea stieß sich daran, dass Pence am Montag auf dem amerikanischen TV-Sender Fox News eine sofortige, umfassende nukleare Abrüstung gefordert und im entgegengesetzten Fall mit militärischen Optionen gedroht hatte. Pence hatte sogar Trumps Aussage wiederholt, dass Nordkorea ein Schicksal wie Libyen winke, wenn es keinen Deal mit den USA abschließen sollte.

Nur ist diese Drohung ein rotes Tuch für Nordkorea. Schließlich war Muammar al-Gaddafi gestürzt und umgebracht worden, nachdem er seine Atomwaffen abgegeben hatte. „Ich kann meine Überraschung nicht verbergen, dass solch ignorante und dumme Bemerkungen aus dem Mund des US-Vizepräsidenten sprudeln“, sagte Choe. Falls die USA weiterhin Nordkoreas guten Willen beleidigten und empörende Handlungen unternähmen, werde sie ihrer obersten Führung vorschlagen, den Gipfel zu überdenken.

Diese Aufgabe hat Trump der Diplomatin nun abgenommen. Offen ist zu diesem frühen Zeitpunkt allerdings, wie es weitergehen kann. Die gute Nachricht ist für die Nordkorea-Expertin Sue Mi Terry vom Center for Strategic and International Studies, dass Trump nicht mit schlechten Absichten gehandelt habe, da er die Tür für Verhandlungen offengehalten habe.

Trump erwähnte zwar Kims atomare Drohgebärde und sagte, dass die atomaren Fähigkeiten der USA so massiv und mächtig seien, „dass ich zu Gott bete, dass sie niemals eingesetzt werden müssen“. Aber er richtete Kim auch aus, dass er gefühlt habe, dass sich ein „wunderbarer Dialog“ zwischen den beiden Staatsführern aufbaue. Er bedankte sich auch für die Freilassung von US-Bürgern, die Nordkorea in Arbeitslagern gefangen hielt.

Doch vor allem drückte er seine Bereitschaft aus, Kim später doch noch zu treffen. Wenn Kim seine Meinung ändere, solle er bitte nicht zögern, „mich anzurufen oder mir zu schreiben“, schrieb Trump. „Die Welt und besonders Nordkorea haben eine Gelegenheit für dauerhaften Frieden und großen Reichtum und Wohlstand verloren. Diese verpasste Gelegenheit ist ein wahrhaft trauriger Moment in der Geschichte. Hochachtungsvoll, Donald Trump.“

Nicht alle Experten sehen die Lage allerdings so gelassen wie die ehemalige CIA-Analystin Sue Mi Terry. In den vergangenen Wochen hatte Trump schließlich die Erwartungen gegen die Warnungen fast der gesamten Expertenzunft hochgeschraubt, dass der Gipfel zu einer friedlichen Lösung des Korea-Konflikts führe. Nun würde Trump wahrscheinlich in Südkorea, China und Russland für das Scheitern verantwortlich gemacht werden, warnt Jeffrey Lewis, Nordkorea-Experte vom Middlebury Institute of International Studies. „Kim hat seine Isolierung deutlich gelockert, und Trump muss es jetzt ausbaden.“

Es gibt Zeichen, dass China bereits die Sanktionen weniger strikt umsetzt als zuvor. Und noch ist völlig offen, ob Trump Chinas Staatschef Xi Jinping erneut auf richtig harte Sanktionen einschwören kann. Und ohne Chinas tätige Mithilfe droht Trump ein wichtiges Druckmittel zu verlieren.

Doch besonders beim US-Verbündeten Südkorea sind negative Reaktionen nicht ausgeschlossen. Denn die Bilder der innerkoreanischen Versöhnung auf dem Gipfeltreffen zwischen Südkoreas Präsident Moon Jae In und Kim sind dort noch zu gut in Erinnerung. In Meinungsumfragen unterstützt plötzlich eine Mehrheit Verhandlungen und Konzessionen an den Norden. Außerdem hat Präsident Moon sehr viel politisches Kapital eingesetzt.

Trumps Absage könnte daher die Beziehungen zwischen den USA und Südkorea schwer belasten, und dies sehr zur Freude Kims. Denn Nordkorea versucht seit Langem, die Allianz zu spalten.

Die Sprengung des Atomtestzentrums könnte das Gefühl noch verstärken, dass Trump Südkorea für die Interessen der USA opfert. Immerhin galt die Schließung des Zentrums als eine wichtige, vertrauensbildende Vorleistung Kims. Ein Sprecher von Südkoreas Außenminister erklärte nach der Sprengung, dass seine Regierung diesen Schritt als Chance sehe, eine komplette Denuklearisierung zu erreichen.

Auch die Experten des angesehenen Nordkorea-Blogs 38North äußerten sich wohlwollend. Zwar gestanden sie zu, dass die Sprengung des Testzentrums beileibe keine unwiderrufliche Beendigung von Nordkoreas Atomwaffenprogramm darstelle. Je nachdem wie die Tunnel gesprengt worden sind, können sie womöglich mehr oder weniger einfach wieder geöffnet werden. Außerdem könnte Nordkorea an anderen Stellen neue Tunnel bohren. Aber: „Auch wenn der technische Wert der Tunnelschließung für die Denuklearisierung diskussionswürdig ist, stellt diese Aktion einen ersten positiven Schritt in einem langfristigen diplomatischen Prozess dar.“

Nur stellten Experten schon länger die Frage, ob überhaupt noch weitere Schritte auf dem Weg zu einer dauerhaften Entspannung folgen würden. Zwar liefen die Vorbereitungen lange auf Hochtouren. Aber Trump hat bereits eine Verschiebung des Gipfels ins Gespräch gebracht. Trumps Absage dürfte kaum jemanden überraschen. Denn die meisten Experten warnten seit Langem, dass ein Gipfel besser am Ende von Verhandlungen stehen solle als ganz an ihrem Anfang. Denn bisher sahen sie nur eine tiefe, schwer überbrückbare Kluft zwischen den Verhandlungspositionen beider Seiten.

Die USA beharren offiziell auf ihrer Forderung, dass Nordkorea komplett, überprüfbar, unwiderruflich und schnell seine Atomwaffen aufgeben müsse. Nur deutete Nordkorea an, an seinen Atomwaffen festhalten zu wollen. Allenfalls auf einen langsamen, schrittweisen Prozess würde sich das Regime einlassen, glaubt die große Mehrzahl der Nordkorea-Kenner. Das Risiko eines Fehlschlags wurde daher als sehr hoch eingeschätzt, mit möglicherweise gefährlichen Folgen. Ein Scheitern des Gipfels könnte den Weg zum Krieg verkürzen, warnte Euan Graham, Nordkorea-Experte vom australischen Thinktank Lowy Institute kürzlich. „Das Risiko, künftig in Krisen zurückzufallen ist extrem hoch.“

Wie schnell die Lage sich nun wieder verschärfen wird, muss sich in den kommenden Wochen zeigen. Besonders Südkoreas Präsident Moon dürfte nichts unversucht lassen, die Verhandlungen und damit Koreas Traum von Frieden am Laufen zu halten. Nun muss Kim entscheiden, ob er aufgibt oder auf Trump zugehen wird.