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Nicola Beer: „Wir können den Lieferbedingungen nicht weiter hinterherrennen“

Die liberale Vizepräsidentin des Europaparlaments fordert die komplette Offenlegung aller EU-Impfstoffverträge mit Pharmaunternehmen – und einen europäischen Impfgipfel.

Mit einer Tour durch die wichtigen Fraktionen im Europaparlament versuchte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, am Dienstag und Mittwoch, die Kritiker der bisherigen Impfstrategie der EU-Kommission zu besänftigen.

Doch der Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP), reicht das Eingeständnis von Fehlern allein nicht aus. Die liberale Europaabgeordnete fordert eine umfassende Transparenz, was die Verträge der EU-Kommission mit der Pharmaindustrie angeht.

Sie schlägt einen europäischen Impfgipfel mit den Mitgliedstaaten, der Kommission und den Pharmaunternehmen vor. „Es darf kein Sand mehr im Getriebe sein. Wir haben schon viel wertvolle Zeit verloren. Die EU braucht deutlich mehr Impfstoff“, sagte Beer dem Handelsblatt an diesem Mittwoch in Brüssel.

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Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Die bisherige Impfstrategie der EU-Kommission lief bislang alles andere als rund. Was soll Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Zukunft besser machen?
Ursula von der Leyen muss sich schleunigst einen Überblick über vorhandene Produktionskapazitäten für den Impfstoff gegen Covid-19 verschaffen. Wir brauchen schnell Gespräche mit der gesamten Industrie, damit alle Teile der Lieferkette optimal funktionieren und die Herstellung der Vakzine ausgeweitet und beschleunigt wird. Jeder Tag, den wir verlieren, kostet Menschenleben.

Das Europäische Parlament fordert seit Monaten mehr Transparenz hinsichtlich der Verträge der Kommission mit den Pharmaunternehmen. Warum reichen zwei teilweise offengelegte Verträge mit Curevac und Astra-Zeneca nicht aus?
Was die Kommission bislang praktiziert, hat nichts mit umfassender Transparenz zu tun. Ich habe Verständnis, dass nicht alle Vertragsdetails für alle zugänglich gemacht werden. Doch ich erwarte, dass die Europaabgeordneten uneingeschränkten Zugang zu den Verträgen mit allen Pharmaunternehmen erhalten. Als direkt gewähltes EU-Parlament, als Kontrollorgan der Kommission sind wir diese Transparenz den Bürgern schuldig, die ansonsten zu Recht ungeduldig werden.

Warum?
In der Bevölkerung gibt es einen großen Vertrauensverlust in die EU. Der Unmut steigt von Woche zu Woche. Diese Entwicklung schadet Europa mehr als alles andere. Deswegen muss die vollständige Transparenz her. Alles andere ist für das Europäische Parlament unwürdig. Wir können nicht weiter den Informationen – beispielsweise den Lieferbedingungen – über Monate vergeblich hinterherrennen.

Wie geschlossen ist die EU-Kommission in der Impfstrategie überhaupt noch?
Die Kommission will als Team handeln. Doch das muss von der Kommissionspräsidentin auch zugelassen werden. Ungerechtfertigte Schuldzuweisungen an den Vizepräsidenten wegen möglicher Exportbeschränkungen im Fall Nordirlands helfen jedenfalls nicht weiter. Das war offenbar eine Panikreaktion der Kommissionsspitze.

War es ein teurer Fehler der EU-Kommission, innerhalb weniger Monate milliardenschwere Verträge mit sechs Pharmaunternehmen ausgehandelt zu haben?
Frau von der Leyen hat sich verhoben. Vertragsverhandlungen mit internationalen Pharmaunternehmen sind schließlich knallharte Wirtschaftsgespräche. Das ist kein therapeutischer Stuhlkreis oder ein netter politischer Austausch. Leider wurde es in dieser Zeit versäumt, die richtigen Pharmaexperten an Bord zu holen.

Die EU sucht händeringend nach mehr Impfdosen. Ist der russische Impfstoff Sputnik V ein neuer Hoffnungsträger?
Sputnik V wird wie jeder andere Impfstoff auf Antrag von der europäischen Arzneimittelagentur Ema geprüft. Das kann eine zusätzliche Möglichkeit im Kampf gegen die Pandemie sein. Doch wir müssen klarmachen, dass wir damit keine politischen Erwartungen in Russland auslösen. Die ungerechtfertigte Verurteilung Nawalnys ist eine sehr deutliche Warnung für uns.

Ist der Damm nicht längst schon gebrochen? Schließlich wird Sputnik V bereits im EU-Land Ungarn verimpft.
Auch in Argentinien, sehr erfolgreich, wie man liest. Jedes EU-Mitgliedsland kann das selbst entscheiden, vor allem angesichts der Lieferschwierigkeiten durch die pannenreiche Einkaufspolitik der Kommission.

Soll es aus Ihrer Sicht angesichts der Probleme beim Einkauf von Impfstoffen zu personellen Konsequenzen in der EU-Kommission kommen?
Nicht prioritär. Die Kommission muss weitere Experten an Bord holen, um mehr Impfstoffe zu besseren Konditionen einzukaufen, die Lieferketten zu sichern und die Produktionskapazitäten auszubauen. Die EU muss schneller und besser werden. Das ist prioritär. Ablenkungsmanöver helfen nicht mehr weiter.

Hätte jedes EU-Land lieber selbst auf Einkaufstour gehen sollen?
Es war sehr richtig, dass die Mitgliedstaaten den Einkauf der Impfstoffe gemeinsam an die Kommission delegiert haben. Doch jetzt müssen wir besser werden. Das heißt, die Produktionskapazitäten ausbauen und die Liefer- und Verteilketten optimieren. Ich schlage daher einen europäischen Impfgipfel mit den Mitgliedstaaten, der Kommission und den Pharmaunternehmen vor. Es darf kein Sand mehr im Getriebe sein. Wir haben schon viel wertvolle Zeit verloren. Die EU braucht deutlich mehr Impfstoff. Das ist das wichtigste Ziel in dieser schwierigen Zeit.

Muss die EU ähnlich wie Großbritannien auch die Impfstoffe schneller zulassen?
Die gründliche Prüfung und Marktzulassung durch die Ema stärkt das Vertrauen der Bürger in die Vakzine. Sie ist der richtige Weg, um die Impfquote zu steigern. Die Marktzulassung ist ohnehin nicht der entscheidende Faktor. Wir in der EU sind beim Impfen der Bürger später dran, weil wir später bestellt haben. Andere Länder waren einfach sehr viel schneller. So einfach ist das.

Wünschen Sie sich, dass sich die Kommissionspräsidentin nächste Woche dem Plenum des Europaparlaments stellt?
Eine offene Diskussion mit Ursula von der Leyen im Europaparlament ist dringend erforderlich. Gespräche hinter verschlossenen Türen helfen uns nicht weiter, um das verlorene Vertrauen der Bürger und auch der Abgeordneten wiederherzustellen. Ich hoffe sehr, dass von der Leyen die Chance nutzt, ihre eigenen Fehler einzugestehen und das Bessermachen aufzuzeigen.

Frau Beer, vielen Dank für das Interview.