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Verhandlungen über Corona-Wiederaufbaupaket: Regierungschefs nähern sich an

Der EU-Gipfel geht in die Verlängerung. Ob es eine einvernehmliche Einigung geben wird, ist weiterhin offen. Ratspräsident Michel schafft es, einen ersten Streitpunkt abzuräumen.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (von links nach rechts), der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel sprechen am zweiten Tag des EU-Gipfels miteinander. Foto: dpa
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (von links nach rechts), der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel sprechen am zweiten Tag des EU-Gipfels miteinander. Foto: dpa

Verlängerung statt Durchbruch: Der EU-Streit über den Milliardenplan gegen die Coronakrise ist noch zäher als erwartet. Nach zwei schwierigen Verhandlungstagen wurde der Brüsseler Sondergipfel am Samstagabend unterbrochen und ein Tag drangehängt. EU-Ratschef Charles Michel will bei der Fortsetzung am Sonntag einen neuen Kompromissvorschlag unterbreiten, wie es aus EU-Kreisen hieß.

Eine Erfolgsgarantie gibt es aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel trotzdem nicht. „Die Beratungen sind in einer wichtigen Phase“, hieß es aus der deutschen Delegation. „Es kann noch nicht gesagt werden, ob es morgen eine Lösung gibt. Aber die weitere Arbeit lohnt sich, weil es eine breite Bereitschaft unter den Mitgliedsstaaten gibt, eine Lösung zu finden.“

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Nach der Verlängerung des Gipfels drang Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte auf einen Abschluss der Verhandlungen. „Wir müssen morgen weitermachen und alles tun, um das im Interesse aller zu Ende zu bringen“, sagte Conte in der Nacht zum Sonntag in Brüssel. Eine Vertagung des Gipfels würde niemandem helfen.

Das EU-Konjunkturprogramm könnte dabei kleiner werden als ursprünglich vorgeschlagen. Nach Angaben von französischen Diplomaten zeigten sich Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu weiteren Zugeständnissen bereit.

Bereits am Samstagmorgen schienen die Brüsseler Beratungen über den europäischen Corona-Wiederaufbaufonds hoffnungslos festgefahren. Gegen Mittag kamen die Dinge beim EU-Gipfel dann aber plötzlich in Bewegung. Michel arbeitete die umstrittenen Elemente des 750 Milliarden Euro schweren Hilfspakets Stück für Stück ab – und er kam voran, wie EU-Diplomaten berichteten.

Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich zunächst zufrieden mit den Verhandlungen auf dem EU-Gipfel. Die Gespräche gingen in die richtige Richtung, sagte er.

Der zweitägige Gipfel hätte eigentlich am Samstag enden sollen. Am Abend wurde jedoch klar, dass es in die Verlängerung geht. Die Gespräche seien noch nicht abgeschlossen, teilte eine Gewährsperson in Brüssel mit.

Michel muss zwischen zwei Lagern vermitteln

EU-Ratschef Michel muss es schaffen, zwischen zwei Lagern zu vermitteln: Auf der einen Seite stehen die sogenannten „Sparsamen Vier“, die eigentlich sogar fünf sind: Die Niederlande, Schweden, Österreich, Dänemark und als inoffizielles Mitglied Finnland. Auf der Gegenseite befinden sich die Südeuropäer, die von Frankreich und teils auch von Deutschland, das zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, unterstützt werden.

In einer ersten wichtigen Frage hätten sich die beiden Lager bereits einigen können, hieß es in Brüssel. Dabei geht es um die mit den Coronahilfen verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen. Jedes Empfängerland muss in Brüssel einen nationalen Reform- und Investitionsplan vorlegen, um Geld aus dem Wiederaufbaufonds zu bekommen.

Ursprünglich hatten die Niederlande verlangt, ihrer Meinung nach unzureichende Reformpläne mit einem nationalen Veto ablehnen zu können. Dagegen waren die Südeuropäer Sturm gelaufen, denn damit hätten die Niederlande maßgeblichen Einfluss auf die Wirtschaftsreformen in Südeuropa bekommen.

EU-Diplomaten zufolge hat man sich nun auf folgende Lösung geeinigt: Die nationalen Reformpläne müssen vom EU-Finanzministerrat mit qualifizierter Mehrheit genehmigt werden. Bewilligt werden die Gelder anschließend von der Kommission. Falls ein Mitgliedstaat Einspruch erhebt, darf die Kommission aber nicht auszahlen.

Ein Einspruch könnte zum Beispiel aus Nordeuropa kommen, wenn ein Empfängerland in Südeuropa angekündigte Reformen verschleppt. Das Problem müsse dann für alle Mitgliedstaaten „zufriedenstellend behandelt“ werden, bevor es zur Auszahlung komme – und zwar entweder im EU-Finanzministerrat oder beim Gipfel der Regierungschefs.

EU-Diplomaten gaben zu, dass die Formulierung „zufriedenstellend“ nicht ganz eindeutig ist. Unklar bleibt, ob ein einzelner Staat mit seinem Veto dauerhaft eine Zahlung verhindern kann. Die Niederländer ließen sich trotzdem auf den Kompromiss ein. „Das Thema ist abgeräumt“, hieß es in Brüssel.

„Sparsame Vier“ wollen Subventionen am liebsten streichen

Am Samstagnachmittag ging es dann um Streitpunkt Nummer zwei: das Subventionsvolumen des Wiederaufbaufonds. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Empfängerländer nicht rückzahlbare Zuwendungen in Höhe von 500 Milliarden Euro bekommen. Davon sollten 310 Milliarden direkt an die von der Coronakrise besonders betroffenen EU-Staaten fließen. Weitere 190 Milliarden Euro sollten in verschiedene Etatansätze des EU-Haushalts – etwa Klimaschutz, ländliche Entwicklung oder Investitionsförderung – und von dort weiter an entsprechende Projekte in den Mitgliedstaaten fließen.

Die „Sparsamen Vier“ wollen die Subventionen am liebsten ganz streichen oder doch zumindest drastisch kürzen. Rückzahlbare EU-Kredite für die Corona-geschädigten Länder würden völlig genügen, meinen Niederländer, Schweden, Dänen und Österreicher.

EU-Ratspräsident Michel kam ihnen mit einem Kompromissvorschlag entgegen. Demnach wird das Subventionsvolumen um 50 Milliarden auf 450 Milliarden Euro gesenkt – aber nicht zulasten der Direktzahlungen an die Corona-geschädigten Länder. Sie sollen sogar etwas steigen auf 325 Milliarden Euro.

Dafür fließt deutlich weniger Geld aus dem Wiederaufbaufonds in den EU-Haushalt: Statt der ursprünglich geplanten 190 Milliarden Euro nur 125 Milliarden Euro. Opfer der Kürzung wird wohl die von der Kommission neu erdachte Solvenzhilfe für von Pleite bedrohte Unternehmen. Gekürzt werden soll auch beim Investitionsfonds EUInvest.

Die Südeuropäer könnten mit dem Vorschlag von Michel leben, hieß es in Brüssel. Doch die „Sparsamen Vier“ seien damit noch längst nicht zufrieden. Vor allem Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bestehe darauf, das Zuschussvolumen drastisch zu reduzieren, was die Südeuropäer kategorisch ablehnen.

Am Samstagnachmittag konzentrierte sich Michel darauf, eine für beide Seiten akzeptable Zahl zu finden. Dabei wurde er tatkräftig von Kanzlerin Merkel und vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron unterstützt, sagten EU-Diplomaten. Michel, Merkel und Macron trafen am Samstagnachmittag mit den Regierungschefs Spaniens, Italiens sowie den „Sparsamen Vier“ zusammen. Man wollte sich erst in kleiner Runde über das Zuschussvolumen einigen, bevor sich alle 27 Regierungschefs damit befassen.

Verständigen müssen sich die Chefs auch über den Gesamtumfang des Mehrjährigen EU-Finanzrahmens (MFT für die Jahre 2021 bis 2027). Michel hatte dafür zuletzt einen Gesamtbetrag von 1,074 Billionen vorgeschlagen, das sind 26 Milliarden Euro weniger als von der EU-Kommission ursprünglich verlangt.

Auf den Tisch kommt zudem noch die sogenannte Rechtstaatsklausel: Die Westeuropäer bestehen darauf, dass EU-Subventionen künftig gestrichen werden, wenn das Empfängerland gegen rechtstaatliche Prinzipien verstößt. Die Osteuropäer, allen voran Polen und Ungarn, sind dagegen. Ob die Chefs es schaffen, den Corona-Wiederaufbaufonds und den MFR bei diesem Gipfel einvernehmlich zu beschließen, ist weiterhin offen.

Mit Agenturmaterial

Der EU-Ratschef hat einen neuen Verhandlungsvorschlag gemacht. Foto: dpa
Der EU-Ratschef hat einen neuen Verhandlungsvorschlag gemacht. Foto: dpa
Ein billionenschwerer Wiederaufbaufonds soll die europäische Wirtschaft wieder in Gang bringen. Foto: dpa
Ein billionenschwerer Wiederaufbaufonds soll die europäische Wirtschaft wieder in Gang bringen. Foto: dpa