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Auf Nestlé kommt ein Sturm zu

Mark Schneider will Nestlé neu ausrichten. Doch nun wirbelt die Attacke von Hedgefonds-Manager Daniel Loeb seine Pläne durcheinander. Für den Lebensmittel-Giganten und seinen deutschen Chef dürfte es ungemütlich werden.

Es ist nicht nur Daniel Loebs größte Einzelinvestition, seitdem er 1995 seinen Hedgefonds Third Point gegründet hat. Noch nie hat er sich mit einem größeren Konzern angelegt, um die Rendite für die Aktionäre zu verbessern. Doch nun stellt er sich gegen Nestlé, den weltgrößten Lebensmittelproduzenten.

Third Point hat nach eigenen Angaben vom Sonntag eine Beteiligung an dem Schweizer Konzern gekauft und eine Änderung von dessen Strategie gefordert. Der Anteil von mehr als einem Prozent an Nestlé sei knapp 3,3 Milliarden Schweizer Franken (umgerechnet rund drei Milliarden Euro) wert. Der Fonds ist damit achtgrößter Aktionär des Konzerns.

Third Point verlangt von Nestlé eine Verbesserung der Gewinnmarge, einen Aktienrückkauf und den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft zählenden Geschäftsbereichen. Das Unternehmen soll nach dem Willen des Investors seine 23-prozentige Beteiligung an dem französischen Kosmetikkonzern L'Oréal veräußern.

Nestlé reagierte zunächst gelassen auf den Einstig des US-Hedgefonds Third Point. „Wie üblich führen wir einen offenen Dialog mit allen unseren Aktionären“, erklärte ein Sprecher am Montag. Der Konzern wolle weiterhin die bestehende Strategie umsetzen und langfristig Wert für die Aktionäre schaffen. Darüber hinaus gebe der Konzern keinen Kommentar ab. Noch am Donnerstag hatte Nestlé-Chef Mark Schneider bei einem Vortrag bei der globalen Branchenorganisation Consumer Goods Forum in Berlin betont, starke Marken erforderten starke Investments in die Markenpflege – also alles andere als einen Sparkurs.

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Schneider, der Anfang des Jahres von Fresenius zu Nestlé wechselte, ist seit annähernd einem Jahrhundert der erste Nestlé-Chef ohne Konzernvergangenheit. Mit der Ankündigung, den Pharmamanager zum neuen Chef zu machen, weckte das Unternehmen die Erwartung, künftig noch stärker in den Bereich zwischen Lebensmitteln und Pharma vorzustoßen. Nestlé forscht schon länger an personalisierten Health-Foods. Zudem ist der Konzern stark etwa bei Krankenhaus-Nahrung. Doch das erfordert große Investitionen und langen Atem.

Loeb hat etwas anders vor. Ein gutes Opfer für den aktivistischen Investor ist Nestlé aus zwei anderen Gründen: Zum einen hat Nestlé mehrere Jahre hintereinander das selbstgesteckte Wachstumsziel von fünf Prozent verfehlt und es schließlich aufgegeben. Das liegt zwar vor allem an der schwachen Branchenkonjunktur, hat aber viele Aktionäre enttäuscht. Solche Unzufriedenheit könnte ein Resonanzboden für die Attacke sein. An dieses Gefühl knüpft Loebs Diagnose an, Nestlé sei zu unbeweglich, müsse schneller werden und sich der neuen Zeit besser anpassen.

Zum anderen gibt es bei Nestlé schnell ordentlich Geld zu holen. Das Unternehmen hält noch immer 23 Prozent an L'Oréal, ohne recht erklären zu können, weshalb das strategisch notwendig ist. Die Beteiligung entstand 1974, als die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt 41 Prozent an ihrem Konzern an Nestlé verkaufte.

Sie fürchtete damals, die Regierung könne den Großkonzern verstaatlichen und sah den Schweizer Konzern als Garant für Unabhängigkeit. Beide Seiten vereinbarten ein Vorkaufsrecht, das 2014 auslief. Danach reduzierte Nestlé bereits seinen Anteil und holte Gemeinschaftsunternehmen komplett unter das eigene Dach.

Loebs Kalkül ist klar: Wenn er Nestlé mit Hilfe der Stimmen unzufriedener Aktionäre dazu bringt, die 23 Prozent von L'Oréal zu verkaufen, spült das viel Geld in der Kasse. Nach aktuellem Kurs sind die L’Oréal-Aktien, die Nestlé hält, knapp 25 Milliarden Euro wert. Ein Gutteil davon dürfte an die Nestlé-Aktionäre ausgeschüttet werden, beispielsweise über einen Aktienrückkauf. Zusätzlich könnten Investitionen neue Wachstumsfantasie wecken.

Und: Im weit verzweigten Nestlé-Reich könnte Loeb sogar noch weitere Verkäufe initiieren, die noch mehr Geld brächten. Das regt offenbar auch die Fantasie der Aktionäre an. Die Nestlé-Titel stiegen am Montagmorgen um bis zu 4,5 Prozent.


Aggressive Investoren im Aufwind

In der Konsumgüterbranche gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie Investoren durch spektakuläre Schritte Geld machen konnten. Kraft etwa hat sein internationales Snackgeschäft als Mondelez („Milka“) abgespalten, der Investor 3G mit Warren Buffet hat Heinz Ketchup gekauft, Procter & Gamble („Gillette“) ein großes Marken-Paket abgestoßen. Der Konsumgüterkonzern Sara Lee mit starken Marken wie Douwe Egberts hat sich sogar komplett in Einzelteile zerlegt. Schon damals dabei: Daniel Loeb.

Investoren wie Loeb, die sich aktiv in die Firmenpolitik einmischen, werden bei ihren Kunden wieder beliebter. Der wichtigste Fonds von Third Point gewann von Januar bis Mai fast zehn Prozent neue Kunden hinzu. Das hat Loeb offenbar ermutigt, nach Kampagnen in den USA und Japan nun auch in Europa aggressiver aufzutreten. Im April erklärte er, in die italienische Bank Unicredit investiert zu haben. Diese sei an der Börse niedrig bewertet, sei erst kürzlich rekapitalisiert worden und habe einen neuen CEO, sagte er zur Begründung.

Sein Fonds hält auch Anteile am Energieversorger Eon, da der Konzern „am Markt missverstanden und preislich attraktiv“ sei. „Wir sehen mehr Gelegenheiten in Europa aufgrund der starken und sich verbessernden Wirtschaftsdaten“, schrieb Third Point am 27. April an Investoren.

Ob er auch bei Nestlé Erfolg hat, ist ungewiss. 2014 bekannte sich der damalige Konzernchef Paul Bulcke explizit zu L'Oréal – obwohl schon damals Investoren auf ein weiteres Runterfahren der Beteiligung gehofft hatten. Bulcke und L’Oréal-Chef Jean-Paul Agon kennen und schätzen sich, sind eine Managergeneration. Und Bulcke ist weiterhin einflussreich bei Nestlé: Er ist inzwischen als Chairman Chefaufseher.

Allerdings trifft die Attacke Nestlé zu einem Zeitpunkt, an dem die neue Strategie von Schneider noch nicht komplett kommuniziert ist – und deren Erfolg ungewiss bleiben muss. Dem setzte Investor Loeb eine Vision entgegen, wie Aktionäre schnell zu Cash kommen können.

Da der Konzern komplett im Streubesitz ist, hat er also gute Chancen, ausreichend Aktionäre zu überzeugen. Deshalb ist unwahrscheinlich, dass Nestlé keine eigenen Maßnahmen ergreift, um Aktionäre bei der Stange zu halten. Über dem Genfer Genfer See bei Vevey, dem Sitz von Nestlé, braut sich ein Sturm zusammen.
Mit Material von Reuters und Bloomberg