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Munich-Re-Finanzchef: „Ein CO2-Preis muss wehtun"

Der neue CFO des Rückversicherers spricht im Interview über die Bedeutung des Klimawandels, die anstehende Hurrikansaison in den USA und die Gewinnziele des Konzerns.

Der größte deutsche Rückversicherer Munich Re ist zuversichtlich, seinen Gewinn in den kommenden Jahren auf ein deutlich höheres Niveau heben zu können. „Wenn es das Marktumfeld erlaubt, sollte langfristig ein Jahresgewinn von 2,8 Milliarden Euro sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange sein“, sagte Finanzchef Christoph Jurecka dem Handelsblatt in seinem ersten Interview als oberster Herr der Zahlen des Dax-Konzerns.

Der Münchener Konzern hatte 2018 angekündigt, die jahrelange Gewinnerosion im Konzern zu stoppen, und einen Mehrjahresplan vorgelegt, wonach das Jahresergebnis bis 2020 wieder auf 2,8 Milliarden Euro steigen soll. Für das laufende Jahr hob der Konzern am Freitag die Prognose auf über 2,5 Milliarden Euro an.

Der Konzern macht damit klar, dass er in den kommenden Jahren seinen Angriffsplan weiter ausrollen wird. Auch bei der Dividende, die derzeit 9,25 Euro pro Papier beträgt, sieht Jurecka noch Potenzial nach oben. „Sollten wir – wie gerade angekündigt – unser bisheriges Ziel einer Gewinnsteigerung auf 2,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr am Ende also wirklich übertreffen, ist eine höhere Dividende natürlich im Bereich des Möglichen“, kündigte er an. Bis 2015 hatte das Unternehmen regelmäßig Gewinne von drei Milliarden Euro und mehr abgeliefert. Danach bröckelte lange das Ergebnis kontinuierlich, erst 2018 schaffte Konzernchef Joachim Wenning eine Wende.

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Im laufenden dritten Quartal droht dem Konzern allerdings eine neue Belastung durch die Probleme des Flugzeugherstellers Boeing. „Wir hatten ja schon im August darauf hingewiesen, dass sich unsere finanzielle Belastung durch Boeing erhöhen könnte“, sagte Jurecka. Dem Vernehmen nach wird Munich Re voraussichtlich bei der kompletten Vorlage der Zahlen für das dritte Quartal am 7. November schon Näheres dazu sagen.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Jurecka, seit Jahren klagt die Branche über Preisdruck und sinkende Margen. Nun haben Sie überraschend die Prognose für das laufende Jahr angehoben. Woher rührt dieser neue Optimismus?
Ja, die Zahlen für das dritte Quartal sind gut. Wir führen das neben einer guten operativen Entwicklung vor allem auf hohe Währungsgewinne und ein sehr gutes Kapitalanlageergebnis zurück. Wir erwarten jetzt, das Ziel von 2,5 Milliarden Euro für unser Konzernergebnis 2019 zu übertreffen.
Ein Vorbehalt bleibt allerdings ganz klar die Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung bei Großschäden und an den Kapitalmärkten. Diese sind im weiteren Jahresverlauf naturgemäß noch groß, was sich erst vor einigen Tagen beim schweren Taifun Hagibis in Japan wieder sehr deutlich bemerkbar gemacht hat.

Sie haben in der letzten großen Erneuerungsrunde zum Anfang des Jahres deutlich mehr Volumen bei den Policen gezeichnet. Gehen Sie jetzt etwas stärker ins Risiko als früher, um noch Wachstum zu erzielen?
Profitables Wachstum ist generell Teil unserer Strategie. Wir sind sehr gut kapitalisiert und wollen künftig das Risikokapital noch besser ins Verdienen bringen. Diese Wachstumsstrategie ist eine der Möglichkeiten, wie wir aus einem bestehenden, sehr gut mit Kapital ausgestatteten Unternehmen mehr Ergebnis generieren wollen. Um das Wachstum profitabel zu gestalten, muss weiterhin Disziplin im Underwriting vorherrschen. Bei der Kapitalanlage schauen wir, ob wir mit behutsamer Umschichtung in neue Anlageformen wie alternativen Investments, zum Beispiel Infrastruktur, eine höhere Rendite erzielen können.

Beim Konzerngewinn sind alte Ergebnishöhen von 3,3 Milliarden Euro wie im Jahr 2013 schon länger nicht mehr in Sicht. 2020 haben Sie sich jetzt 2,8 Milliarden Euro vorgenommen. Sind die alten Gewinnniveaus vorerst weiter passé?
Zunächst ist festzuhalten, dass die genannten Ergebnisse bei höheren Zinsen und in sehr guten Schadenjahren erzielt wurden. Wir sind aber ehrgeizig, auch bei unseren Gewinnzielen. Inzwischen haben wir begonnen, uns Gedanken zu machen, wie es nach 2020 weitergehen kann. Wir schauen uns dazu sehr systematisch an, wie das wirtschaftliche Umfeld aussieht und welche geschäftlichen Ideen sich auszahlen. Wenn es das Marktumfeld erlaubt, sollte langfristig ein Jahresgewinn von 2,8 Milliarden Euro sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Die Munich-Re-Aktie notiert derzeit auf einem Allzeithoch, was auch an der hohen Dividende von 9,25 Euro je Papier liegt. Dürfen sich die Aktionäre für 2019 erstmals auf eine Zehn vor dem Komma freuen?
Erst im kommenden Frühjahr werden wir über die Dividende entscheiden, das laufende Geschäftsjahr ist ja noch nicht beendet. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir sie in guten Jahren erhöht, in schlechten Jahren haben wir sie konstant gehalten. Sollten wir – wie gerade angekündigt – unser bisheriges Ziel einer Gewinnsteigerung auf 2,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr am Ende also wirklich übertreffen, ist eine höhere Dividende natürlich im Bereich des Möglichen.

Sie haben gerade 250 Millionen Dollar in das US-Versicherungs-Start-up Next investiert. Ist das der Beginn einer M & A-Offensive?
M & A-Offensive würde ich das nicht nennen. Aber wir sind durchaus bereit, durch Beteiligungen und Zukäufe zu wachsen. Entscheidend ist für uns, dass das Investment uns strategisch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließt. So war es bei dem IoT-Spezialisten Relayr, den wir im vergangenen Jahr gekauft haben. Und das ist auch jetzt bei unserer Anteilserhöhung an Next Insurance der Fall. Denn Next adressiert mit seinen modularen, online abschließbaren Versicherungslösungen für kleine und mittlere Unternehmen in den USA einen hochattraktiven Markt.

Naturkatastrophen zu versichern ist das Kerngeschäft der Munich Re. Stellen Sie im Zahlenwerk eigentlich bereits fest, dass der Klimawandel Spuren hinterlässt?
Vor allem stellen wir fest, dass es global in vielen Regionen an einem passenden Versicherungsschutz hapert. Sehr viele Menschen haben bis heute überhaupt keine entsprechende Police, obwohl die schweren Stürme und Waldbrände in den USA doch vielen Betroffenen in Erinnerung gebracht haben sollten, wie groß die Schäden ausfallen können. Vielfach herrscht jedoch weiter die Fehleinschätzung vor: Mich trifft es schon nicht. Die finanziellen Folgen einer Naturkatastrophe ohne jeden Schutz durch eine Versicherung können allerdings fatal sein.

Die Landwirtschaft ist durch zwei heiße Sommer in Folge zumindest aufgeschreckt. Bayern setzt sich für eine teilstaatliche Dürreversicherung ein. Wäre eine solche Police auch für Munich Re interessant?
Grundsätzlich unterstützen wir solche Initiativen sehr. Viele Landwirte sind in Deutschland nicht gegen Dürre versichert, weil die Prämien sehr hoch sind. In Österreich wird für solche Versicherungen deshalb schon seit Jahren eine staatliche Unterstützung gezahlt. Weltweit gibt es kein einziges wirklich funktionierendes Ernteversicherungssystem, bei dem nicht in irgendeiner Form der Staat beteiligt ist. Public-Private-Partnership-Lösungen sind hier der beste Weg.

Der Branchenverband GDV hält Schäden durch Unwetter und Dürre bei einer Erderwärmung von vier Grad nicht mehr für versicherbar. Wird Ihr Kerngeschäft der Rückversicherung vor diesem Hintergrund bald unmöglich?
Sie fragen, ob unser Geschäft irgendwann unmöglich werden könnte; andere werfen uns dagegen vor, die heimlichen Profiteure des Klimawandels zu sein. Beides ist falsch. Zwar steigt einerseits der Druck auf viele Kunden, sich zu versichern, je mehr Risiken sich realisieren. Andererseits steigen eben zugleich auch die Schäden, die wir begleichen müssen.

Ende September war Weltklimatag mit weltweiten Protestdemonstrationen, denen sich auch viele Firmen angeschlossen haben. Waren Sie persönlich dabei?
Ich bin zwar im Büro geblieben, verfolge die Beschäftigung mit dem Thema Klimawandel aber grundsätzlich mit großer Sympathie. Munich Re weist schon seit einem knappen halben Jahrhundert regelmäßig auf die durch den Klimawandel entstehenden Risiken hin. Insofern freut es mich, dass diese Frage mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Die Bundesregierung hat im Klima-Kabinett nun zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die auf ein geteiltes Echo gestoßen sind. Munich Re hatte früh appelliert, den CO2-Preis drastisch zu verteuern. Was halten Sie vom Klimapaket?
Wir haben gesagt, dass der CO2-Ausstoß einen Preis bekommen muss, sei es über eine Steuer oder über Emissionshandel. Wenn dieser Preis nicht hoch genug ist, wird er aber keine Steuerungswirkung haben. Um es deutlich zu sagen: Ein CO2-Preis muss wehtun. Bei einem Einstiegspreis von zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid könnte man Zweifel anmelden, ob dieser Effekt erzielt wird. Wichtig ist aber, dass damit der Einstieg in die CO2-Bepreisung geschafft ist.

Im Jahr 2017 kosteten Naturkatastrophen mit 340 Milliarden Euro so viel wie noch nie weltweit. Fürchten Sie sich schon vor der laufenden Hurrikan- und Taifunsaison?
Die finanziellen Schäden durch Wirbelstürme zu begleichen gehört zu unserem Geschäftsmodell – davor fürchten wir uns natürlich nicht. Erst in den vergangenen Wochen haben wir mit Hurrikan Dorian im Atlantik und den Taifunen Faxai und Hagibis im Pazifik schwere Wirbelstürme erlebt. Natürlich schaue ich persönlich mit Interesse auf die Entwicklung der Stürme – und zwar nicht nur als Finanzchef, sondern vor allem auch als Mensch mit Mitgefühl gegenüber den Opfern.

Für den Finanzchef hatten die schweren Sturmsaisons der vergangenen Jahre auch etwas Gutes: Die Preise sind im laufenden Jahr erstmals seit Langem wieder leicht angezogen. Glauben Sie, dass sich dieser Trend fortsetzt?
Wir sehen tatsächlich, dass die Preise wieder ansteigen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Erneuerungsrunden fortsetzen wird. Aber, und das muss man auch sagen, deutliche Preissprünge, wie wir sie nach dem Wirbelsturm Katrina im Jahr 2005 erlebt haben, sind das nicht.

Die Branche kämpft nicht nur mit Preisdruck, sondern auch mit anhaltend niedrigem Zinsniveau. Wie sehr belastet das die Munich Re?
Das anhaltend niedrige Zinsniveau ist tatsächlich problematisch. Langfristig setzt uns das unter Druck. Interessanter finde ich aber eine andere Perspektive: Die wirklich gefährlichen Folgen des Zinsrückgangs sind gesellschaftliche – ganz ähnlich wie beim Klimawandel. Ich habe das Gefühl, dass wir gerade dabei sind, neu auszuhandeln, wie die Generationen miteinander umgehen. Beim niedrigen Zins ist es genauso wie beim Klimawandel: Die Zeche wird die jüngere Generation zahlen, die den riesigen Schuldenberg irgendwann zurückzahlen muss. Wenn ich an die Sparer und die vielen Menschen denke, die Geld für ihre Altersvorsorge zurücklegen, dann bräuchten wir eigentlich auch einen „Fridays for Future“ für Zinsen.

Die Reisebranche machte Ihnen dieses Jahr keine Freude. Das Flugverbot für die Boeing 737 Max kostet Sie viel Geld. Wird die Pleite von Thomas Cook auch teuer?
Wir hatten schon im August darauf hingewiesen, dass sich unsere finanzielle Belastung durch Boeing erhöhen könnte. Zu Thomas Cook kann und möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts Konkretes sagen. Sollten wir hier betroffen sein, wäre es aber auf jeden Fall von der Größenordnung her eine ganz andere, kleinere Dimension. Dieses Thema bereitet mir daher kein Kopfzerbrechen. Wir zahlen schließlich gerne Schäden.

Herr Jurecka, wir bedanken uns für das Interview.

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