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Ministerin Lambrecht will Familienauszeit für Topmanager gesetzlich regeln

In Deutschland gibt es keine Familienauszeit für Unternehmensvorstände. Die Bundesjustizministerin will das nun per Gesetz ermöglichen. Der Union gehen die Pläne nicht weit genug.

Bundesjustizministerin Lambrecht: Familienauszeit für Topmanager: ja, Rechtsanspruch: nein. Foto: dpa
Bundesjustizministerin Lambrecht: Familienauszeit für Topmanager: ja, Rechtsanspruch: nein. Foto: dpa

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dringt auf die baldige Einführung einer gesetzlich geregelten Familienzeit für Spitzenmanager. Das geht aus einem Gesetzentwurf „zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Die Union begrüßte grundsätzlich den Vorstoß, sieht aber an einer entscheidenden Stelle noch Nachbesserungsbedarf.

Das Papier, das derzeit die regierungsinterne Ressortabstimmung durchläuft, ist eine Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen von Union und SPD, die den Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen sollen.

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Vorstände börsennotierter Unternehmen sollen demnach im Fall von Schwangerschaft oder der Pflege von Familienangehörigen problemlos eine Arbeitspause einlegen dürfen, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bislang sind Topmanager gegenüber Gläubigern und Anteilseignern ihrer Aktiengesellschaft zur Haftung verpflichtet. Vorstände müssen somit auch für das geradestehen, was in ihrer familiär bedingten Abwesenheit entschieden wird. Wer dieses Risiko nicht eingehen will, muss das Mandat bisher abgeben.

Nunmehr soll laut den Gesetzesplänen das Vorstandsmitglied „vollständig von allen Pflichten und Haftungsrisiken befreit“ werden können, sofern der Aufsichtsrat die befristete Aussetzung der Vorstandstätigkeit in den Fällen des Mutterschutzes, der Elternzeit, der Pflege von Familienangehörigen oder eigener längerer Krankheit als „sinnvoll und gerechtfertigt“ bewertet.

Allerdings soll der Aufsichtsrat verpflichtet werden, zuvor die Interessen des Unternehmens und des Vorstandsmitglieds „sorgfältig“ abzuwägen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, „ob das Gesuch des Vorstandsmitglieds zur Unzeit erfolgt und ob sich aus diesem ein Schaden für die Gesellschaft ergeben kann“.

Staatsministerin Bär nennt Vorschläge „politische Worthülse“

Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht in Deutschland zwar ein gesetzlich geregelter Anspruch auf Eltern- oder Pflegezeit. Für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften gibt es derzeit jedoch keine vergleichbaren Regelungen. Einen Rechtsanspruch auf eine „Auszeit“ soll es auch künftig nicht geben. Hintergrund ist, dass Vorstände arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten. Sie sind nicht weisungsgebunden und haben damit auch keinen Anspruch auf Mutterschutz oder Elternzeit.

In der Begründung zu Lambrechts Gesetzentwurf heißt es, ein Rechtsanspruch wäre „mit der Funktion eines selbstständigen und unternehmerisch handelnden Vorstandsmitglieds nicht vereinbar“. Die Entscheidung über die Gewährung eine Auszeit obliegt demnach letztlich dem Aufsichtsrat. Dem Gremium soll künftig möglich sein, „die Bestellung eines Vorstandsmitglieds durch Widerruf zeitlich befristet auszusetzen“. Im Gesetzentwurf ist die Rede von einem Zeitraum von „höchstens einem Jahr“ innerhalb der Amtszeit.



Wenn der Aufsichtsrat den Wunsch des Vorstandsmitglieds nach einer vorübergehenden Mandatspause ablehnt, soll er dies künftig schriftlich begründen müssen. Ähnliche Regelungen soll es auch für GmbH-Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer geben.

In der Union stießen die Gesetzespläne auf scharfe Kritik. „Der Vorschlag des Bundesjustizministeriums ist eine politische Worthülse, da er für Vorstandsmitglieder keinen Rechtsanspruch etwa auf eine Auszeit im Zuge einer Schwangerschaft vorsieht“, sagte die Staatsministerin im Kanzleramt, Dorothee Bär (CSU), dem Handelsblatt.

Fall Delia Lachance brachte Bewegung in das Thema

„Kinder sind unsere Zukunft, die Fürsorge für sie ist gerade in den ersten Lebensmonaten elementar“, betonte Bär. „Es sollte ein selbstverständliches Recht jedes Elternteils sein, sich dieser wichtigen Aufgabe anzunehmen.“ Die Begründung des Ministeriums, ein Rechtsanspruch sei nicht mit der Funktion eines selbstständigen und unternehmerisch handelnden Vorstandsmitglieds vereinbar, sei „nicht zeitgemäß“. „Für mich gehört das Füreinander-Einstehen in einer Familie bei der Geburt eines Kindes oder in Notlagen mit an die erste Stelle.“ Deswegen brauche man keine Kann-Regelung, sondern einen Rechtsanspruch.

Ähnlich äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU). Die Regelungsvorschläge seien „noch nicht ausgereift“, sagte Luczak dem Handelsblatt. Er bemängelte, dass es laut Lambrechts Gesetzentwurf dem freien Ermessen des Aufsichtsrats überlassen sei, ob er einen Vorstand aus seinen Pflichten und den Haftungsrisiken entlasse.

„Eine frischgebackene Mutter oder ein Manager, der einen Angehörigen pflegen will, hat aber keinen Anspruch auf eine familienbedingte Auszeit.“ Ein „echter Mehrwert“ für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei mit Lambrechts Regelung daher nicht verbunden, denn auch heute können freiwillige Vereinbarungen schon getroffen werden. Luczak forderte einen „echten Anspruch auf eine Auszeit“. „Wir wollen die Rechtsposition insbesondere von Frauen in Vorständen verbessern, nicht verschlechtern“, betonte der CDU-Politiker.

Dass jetzt Bewegung in das Thema kommt, hat auch mit dem Fall von Delia Lachance zu tun. Die Gründerin und Vorständin des Online-Möbelhändlers Westwing legte kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes ihr Vorstandsmandat nieder, weil das deutsche Aktienrecht keinen Mutterschutz und keine Elternzeit für Vorstände vorsieht. Ein Pausieren der Vorstandstätigkeit ist zwar auch heute schon mit Zustimmung des Aufsichtsrats möglich, allerdings bei fortdauerndem Haftungsrisiko.

Der Fall und die rechtlichen Umstände lösten eine bundesweite Debatte aus. Unter der Initiative „Stay on Board“ fordern mittlerweile namhafte Gesichter wie die Gründerin und Comdirect-Aufsichtsrätin Verena Pausder und der Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche eine Gesetzesänderung.

Die Initiative hatte die Einführung eines „Mandat-Ruhezustands“ vorgeschlagen. Vorstände sollen demnach die Möglichkeit bekommen, ihr Mandat und die damit verbundenen Rechte und Pflichten für bis zu sechs Monate ruhen zu lassen. Danach soll das Mandat „automatisch wiederaufleben“.

Großen Zuspruch fand der Vorstoß bei den Länder-Justizministern. Bei ihrer gemeinsamen Konferenz im November 2020 machten sie sich dafür stark, per Gesetz auch auf der Führungsebene von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. „Ein modernes Vorstands- und Leitungsrecht wäre nicht nur zeitgemäß, sondern im internationalen Vergleich auch ein echter Standortfaktor“, sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) seinerzeit dem Handelsblatt.