Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,66
    +153,86 (+0,40%)
     
  • Gold

    2.349,60
    +7,10 (+0,30%)
     
  • EUR/USD

    1,0699
    -0,0034 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.740,92
    -445,82 (-0,74%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.327,25
    -69,28 (-4,96%)
     
  • Öl (Brent)

    83,66
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.927,90
    +316,14 (+2,03%)
     

Seehofer wirbt für Anti-Merkel-Allianz

Innenminister Seehofer und Österreichs Regierungschef Kurz werben für eine Allianz mit dem rechtsnational regierten Italien – und verschärfen die Krise von CDU und CSU.

Erst kommen die Damen mit den Fahnen, rot-weiß-rot und schwarz-rot-gold. Ein Mann im dunklen Anzug kontrolliert noch mal, streicht Falten aus dem seidigen Stoff. Dann ist alles makellos, die Bühne frei für den Auftritt des Bundesinnenministers und seines Gastes, des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz. Gemeinsam schreiten sie auf das niedrige Podest.

Horst Seehofer bleibt in der Mitte stehen, sein Sprecher rechts, der Kanzler links. Kurz und Seehofer verbindet vieles, die Ablehnung von Merkels Flüchtlingspolitik zum Beispiel. Als Seehofer noch bayerischer Ministerpräsident war, opponierte er gemeinsam mit Kurz gegen Merkel. Das macht ihr Treffen brisant.

Der Innenminister preist die „persönliche Partnerschaft“ zum österreichischen Kanzler. Kurz schaut zu Seehofer auf und nickt. Man kennt sich und man schätzt sich. Doch die beiden sind nicht vor die Presse getreten, um Nettigkeiten auszutauschen. Sie wollen eine Wende in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Österreich will seine am 1. Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft vor allem dafür nutzen, den Schutz der europäischen Außengrenzen zu forcieren.

Viel brisanter allerdings ist etwas, was Seehofer zunächst fast beiläufig erwähnt. Er habe, sagt der Minister, am Vortag mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini telefoniert und eine Zusammenarbeit zwischen Rom, Wien und Berlin vereinbart. Kurz hat bereits Gefallen an der Idee gefunden: „Unserer Meinung nach braucht es im Kampf gegen die illegale Migration eine Achse der Willigen.“

WERBUNG

Ein solcher Pakt, das wissen Kurz und Seehofer natürlich, kann nur als Anti-Merkel-Bündnis verstanden werden. Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega, hatte die deutsche Kanzlerin im Wahlkampf mehrfach angegriffen. Und dass Salvini in seinem Streben, Härte in der Flüchtlingspolitik zu demonstrieren, vor wenig zurückschreckt, bewies er zu Wochenbeginn, als er einem mit Flüchtlingen voll besetzten Rettungsschiff die Einfahrt in italienische Häfen untersagte.

Salvini steht für so ziemlich alles, was Merkel zuwider ist: für nationale Alleingänge und Unbarmherzigkeit. „Für die Illegalen ist das schöne Leben vorbei, sie müssen die Koffer packen“, tönte er jüngst.

Kurz stört das wenig. Er hat keine Berührungsängste nach Rechtsaußen, in Wien koaliert er mit der nationalistisch gesinnten FPÖ. Der Österreicher betont, er sei schon immer gegen „die Politik der offenen Grenzen“ eingetreten und froh, dass die Gruppe innerhalb der EU mittlerweile „extrem breit und groß“ sei, die sicherstellen wolle, dass die EU-Staaten und nicht die Schlepper entscheiden sollten, wer nach Europa komme.

Da funkelt es in Seehofers Augen. Ohne dass der Kanzler seinen Masterplan zur Migration kenne, habe er daraus zitiert, freut sich der Minister. Sie könnten beinahe Großvater und Enkel sein, der 68-jährige Bayer und der 31-jährige Österreicher, aber im Geiste sind sie Brüder.

Seinen Masterplan wollte Seehofer eigentlich schon am Dienstag präsentiert haben, doch es gibt Streit mit Merkel – wieder einmal. Die Kanzlerin lehnt das Vorhaben ihres Ministers ab, Flüchtlinge, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind, an der Grenze abzuweisen. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

Zumindest vermied es Seehofer am Mittwoch, die Kontroverse weiter anzuheizen. Er werde noch diese Woche ein Gespräch mit der Kanzlerin suchen, eine Lösung werde auf jeden Fall gefunden. Aber Seehofer hat gut reden. Er ist in einer Position der Stärke, die Kanzlerin nicht: Denn auch in Merkels Partei gibt es große Sympathien für Seehofers Plan. Merkel und Seehofer hatten sich bereits vor der Kabinettssitzung am Morgen und direkt danach zu Vieraugengesprächen zurückgezogen.

Wie das Handelsblatt aus Regierungskreisen erfuhr, wollten sich Merkel, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder noch am Mittwochabend in Berlin treffen. CDU-Parteivize Bouffier sagte dem Handelsblatt: „Ich will, dass wir eine gemeinsame Lösung finden. Dabei helfe ich gerne mit.“

Der Streit spitzte sich bereits am vergangenen Donnerstag zu, als sich Merkel mit Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vertraulich in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen trafen. Das Ergebnis war ernüchternd: „Die CSU will den alten Grundsatzstreit jetzt ein für alle Mal für sich entscheiden“, hieß es in der CDU.

Die hektischen Vermittlungsversuche machen deutlich, wie ernst die Lage ist. Für die Kanzlerin geht es um eine ihrer Grundüberzeugungen, die sie seit 2015 eisern verteidigt: Sie will keine nationalen Alleingänge, sondern eine europäische Lösung. Die CSU, die im bayerischen Wahlkampf steckt, lechzt hingegen nach einem Signal der Entschlossenheit an die Wähler. Wenn man jetzt nachgebe, so die Stimmung in der CSU, könne man einpacken.

Eigentlich kann also weder Merkel noch Seehofer nachgeben. Für beide steht die eigene Glaubwürdigkeit, die Autorität, ja womöglich das politische Überleben auf dem Spiel. Nicht wenige in der Union glauben, dass die Koalition in Gefahr ist. „Die Situation ist verfahren, da es ein harter Punkt ist“, hieß es indes in CSU-Führungskreisen. „Ich sehe keine Kompromisslinie.“ Seehofers Masterplan sei sein Kursbuch in der Migrationspolitik.

Auch deshalb legte Merkel ihr Veto gegen Seehofers Konzept ein – und machte sich damit angreifbar. Wie geladen die Stimmung ist, bekam die Kanzlerin in der Unionsfraktion zu spüren. Es müsse eine Lösung her, daheim in den Wahlkreisen gebe es kaum ein anderes Thema als die Flüchtlingskrise, so die Botschaft der Unionsabgeordneten.

Merkel habe am Dienstag in der Fraktion regelrecht bockig reagiert, hieß es. Sie habe auf das Türkeiabkommen und all ihre Bemühungen verwiesen, die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen, und sich bitterlich beklagt, dass „immer nur kritisiert“ werde von den eigenen Leuten, sie „nie Lob bekomme“.

Eine Abweisung an der Grenze, das war die Reaktion der Kanzlerin, werde es mit ihr nicht geben. Sie habe nicht nur Verantwortung für die Partei, sondern für Deutschland und für Europa. „Wir müssen auf die Bedürfnisse aller in der Europäischen Union eingehen“, sagte Merkel am Mittwochabend in Berlin. Dies höre sich zwar wie die Quadratur des Kreises an, aber Europa müsse gerade in dieser sehr fragilen Situation zusammenhalten.

Ihr sei „sehr, sehr wichtig, dass auch Deutschland nicht unilateral handelt, sondern dass alles, was wir machen, geordnet ist, abgesprochen ist, mit Abkommen mit anderen auch untermauert ist, damit wir ein wirkliches gemeinsames europäisches Vorgehen bekommen“. Das ist ihr Argument sei 2015: Die Kanzlerin fürchtet einen Dominoeffekt, wenn Deutschland seine Grenzen schließt. Die offenen Grenzen des Schengenraums seien ein Garant für Deutschlands Wohlstand, betonen Merkels Unterstützer.

Ein möglicher Kompromiss könnte nun eine Art Ultimatum sein: Bis zu einem bestimmten Datum unter Österreichischer Präsidentschaft muss eine Lösung her, oder man agiert national. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) glaubt weiter an eine Lösung.

„Bundeskanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer, CDU und CSU, haben ein gemeinsames Ziel, das auch im Koalitionsvertrag verabredet worden ist: die Zuwanderung in unser Land ordnen und steuern“, sagte er dem Handelsblatt. „Der Grundsatz Asyl nur für die, die schutzbedürftig sind, und qualifizierte Einwanderung, in einem Gesetz geregelt, für die Fachkräfte, die wir brauchen, muss das durchgreifende Ordnungsprinzip sein.“