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Mercedes will bis 2039 völlig klimaneutral sein

Am Eingang zu den heiligen Hallen von Daimler liegt eine überdimensionierte Fußmatte: „The future starts here“, steht darauf in dicken weißen Lettern auf schwarzem Grund.

In Gebäude 26.1 in Sindelfingen arbeiten die Ingenieure des Mercedes-Herstellers tatsächlich an der Zukunft, konkret an den Elektroautos von morgen. Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius hat hierher zu einem eher ungewöhnlichen „Meeting in der Werkstatt“ geladen. Der 1,95-Meter große Blondschopf strahlt.

Noch bevor der gebürtige Schwede kommende Woche den Vorstandsvorsitz im Autokonglomerat von Langzeitherrscher Dieter Zetsche übernehmen wird, will er Daimlers neue Nachhaltigkeitsstrategie verkünden.

Källenius steht in einem Raum namens „Arena“ inmitten der Projektfläche seiner Ingenieure. Umringt von Motivationsplakaten seines Teams mit Sprüchen wie „Schon mal alleine eine Räuberleiter gemacht?“ erläutert er Daimlers Strategie „Ambition 2039“.

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Diese sieht vor, dass die Schwaben binnen der nächsten zwei Jahrzehnte ihre Pkw-Neuwagenflotte komplett klimaneutral darstellen. Die Marke mit dem Stern wird grün.

Klimaschädliches CO2 soll verbannt werden – im Auspuff ebenso wie in der Produktion. Das sei eine „mutige Ambition“, erklärt Källenius: „20 Jahre klingt lange, ist es aber nicht“.

In der Autoindustrie entspreche dieser Zeitraum nicht einmal drei Entwicklungszyklen. Dazu will der Konzern seinen Primärenergiebedarf aus erneuerbaren Quellen speisen.

Zudem hat sich Daimler ein ambitioniertes Etappenziel vorgenommen: Mercedes will bis 2030 mehr als die Hälfte seiner Flotte elektrifizieren. Mindestens jedes zweite Auto der Stuttgarter soll dann entweder rein elektrisch fahren oder ein Plug-in-Hybrid sein, der sowohl über einen Verbrennungsmotor als auch über einen reinen Akku-Antrieb verfügt.

Das sei eine „nachhaltige Geschäftsstrategie“, sagt Källenius. Auf dem Weg zur völligen Karbonneutralität „propagieren wir Technologieoffenheit“. Ob am Ende Batterien, die Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe oder ein Mix aus allen Dreien das Maß aller Dinge sein werde, vermöge heute niemand zu sagen.

Aber: „Was auch immer es ist: Wir werden dabei sein“, verspricht Källenius. Und er geht dabei weiter als andere.

Bis 2022 sollen alle europäischen Daimler-Werke klimaneutral produzieren. Dazu will der Konzern einerseits seinen Primärenergiebedarf aus erneuerbaren Quellen speisen. Und andererseits jene Emissionen, die unvermeidbar sind, etwa durch den Kauf von CO2-Zertifikaten kompensieren. Darüber hinaus will Daimler im Gegensatz zu anderen Konzernen auch die Vorprodukte berücksichtigen.

Grob 70 Prozent der Wertschöpfung erfolgen bei einem Mercedes-Auto im Schnitt von Lieferanten. Diese Lieferanten will Daimler nun bei seiner Ökowende „mitnehmen“, sagt Källenius. Neben Faktoren wie dem Preis soll künftig auch der CO2-Fußabdruck zum Vergabekriterium werden.

Den Haus- und Hoflieferanten von Mercedes dürfte das freuen. Bosch hat erst vergangene Woche angekündigt, als erstes großes globales Industrieunternehmen bis 2020 klimaneutral sein zu wollen – von der Entwicklung über die Produktion bis hin zur Verwaltung,

So schnell wie Bosch ist Daimler nicht, aber auch die Mercedes-Manager müssen sich sputen. Die EU drängt die Autoindustrie dazu, ihren Anteil am Klimaschutz zu leisten.

Daimler, BMW, VW und Co. sollen äußerst saubere Motoren entwickeln, Ende 2018 wurden dazu strenge Vorgaben erlassen. Demnach müssen die Fahrzeughersteller den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid bei ihren Neuwagen bis 2025 um 15 Prozent verringern und bis 2030 sogar um 37,5 Prozent.

Stand heute droht Daimler beide Grenzwerte zu reißen. Im vergangenen Jahr stieg der CO2-Flottenwert für Pkw und Vans bei Daimler wegen der hohen Nachfrage nach spritschluckenden SUVs und der Umstellung auf das neue Prüfverfahren WLTP auf 134 Gramm pro Kilometer an. 2017 lag der Wert noch bei 127 Gramm.

Bis 2021 darf Mercedes nur noch maximal 105 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Ein weiter Weg, räumt Källenius ein. Die Vorgaben seien „knackig“, aber er ist überzeugt, Daimler werde die Grenzwerte unterschreiten.

Der dafür nötige Hochlauf der Elektromobilität verschlingt allerdings enorm viel Kapital. „Wir müssen die Kostenstruktur runterkriegen“, erklärt Källenius. Das sei kurzfristig die größte Herausforderung auf dem Weg zu Rendite- und Nachhaltigkeitszielen.

„Da liegt noch einige Jahre Arbeit vor uns“, sagt der designierte Daimler-Chef. Der Manager hofft auf „Durchbrüche in der Technologie“. Wenn sich beispielsweise die Energiedichte von Batteriezellen verdoppeln ließe, täte sich sein Unternehmen deutlich leichter, die Transformation zu bewältigen.

Weil diese Technologiesprünge aber noch nicht in Sicht sind, muss Daimler aktuell kräftig sparen. Im ersten Quartal haben die Schwaben kein Geld verdient, sondern zwei Milliarden Euro verbrannt. Die Marge in der Pkw-Sparte ist von neun auf sechs Prozent abgestürzt.

Källenius muss gegensteuern. Ein Sparpaket ist in der Ausarbeitung, Details dazu wollte der Schwede aber noch keine nennen. „Das machen wir an anderer Stelle“, sagt er und verlässt wenig später die „Arena“ in Sindelfingen, um für eine Fahrveranstaltung nach Oslo zu fliegen. Beim eigenen CO2-Fußabdruck hat Källenius vermutlich ebenfalls noch Optimierungsbedarf.