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Mehr Besonnenheit statt medialer Panikmache

Der Terror hält Deutschland in Atem. Nach der Axt-Attacke eines afghanischen Flüchtlings in Würzburg folgte am Sonntag der Bombenanschlag eines vermutlich islamistischen Selbstmordattentäters aus Syrien in Ansbach. Bei dem am Freitag verübten Massaker eines deutsch-iranischen Amokläufers in München mit neun Toten und fast drei Dutzend Verletzten handelt es sich hingegen nicht um einen terroristischen Akt.

In diesen aufgeregten Zeiten gilt es genau zu unterscheiden – gerade in Stunden mit ungewissen Informationen und vielen Vermutungen. ARD und ZDF, aber auch private Medien, müssen im Fall des Amoklaufs von München viel Kritik für ihre angebliche Langsamkeit einstecken. In einer solchen Situation, die von Angst und Ungewissheit beherrscht wird, liegt es auf der Hand, dass von den Medien aufklärerische Schnelligkeit verlangt wird. Doch Schnelligkeit ist nicht alles – gerade nicht in einer Krisensituation.

Vor allem die amerikanischen Networks wie beispielsweise CNN sind traditionell besonders eilig, wenn es um scheinbar islamistischen Terror geht. Auch wenn es noch keine sinnvollen Bilder und validen Informationen gibt, wird dennoch gesendet, was das Zeug hält.

Selbst der amerikanische Präsident Barak Obama kann sich der medialen Schnelligkeitsspirale der Networks nicht entziehen. Das war der Grund, weshalb der mächtigste Mann der Erde bereits wenige Stunden nach der Tat in München in einem aus dem PR-Baukasten des Weißen Hauses zusammengesetzten Pressestatement mitteilen ließ, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die offensichtliche Terrorattacke verurteilen. Die mediale Hyperaktivität aus Washington war kontraproduktiv. Sie hat dazu beigetragen, die Panik und die Unsicherheit noch zu verstärken – ganz so als wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen.

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Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Abwarten mit einer ersten Reaktion in den sozialen Netzwerken jede Menge Häme und Ablehnung aushalten musste, war ihre Besonnenheit richtig. Denn zu einer angemessenen politischen Reaktion gehören verlässliche Informationen. In München ist eben nicht der Terror-Krieg an verschiedenen Stellen der Stadt ausgebrochen, sondern ein verrückter 18-Jähriger hat in einem Einkaufszentrum sinnlos gemordet und sich anschließend selbst umgebracht.


Den Missbrauch von Notrufen gibt es auch im Netz

Die Redaktionen von ARD und ZDF, aber auch RTL, haben in dieser teilweise chaotischen Situation unter schwierigen Bedingungen weitgehend professionell und verantwortungsvoll reagiert. Sie haben klar die Quellen genannt und den Konjunktiv angesichts der vielen Gerüchte richtig verwandt. „Tagesschau“ und „Heute“ haben gerade in dieser schwierigen und undurchsichtigen Lage die Spirale der medialen Erregungen nicht noch weiter nach oben geschraubt.

Dafür sorgten nicht zuletzt auch die Einordnung und Analyse der Geschehnisse von Experten wie dem früheren „Spiegel“-Chefredakteurs und ARD-Terrorexperten Georg Mascolo in den „Tagesthemen“. Die deutschen Sender sind in ihrer Quotenjagd nicht der Versuchung erlegen, die prekäre Situation noch weiter zu dramatisieren.

Vor allem sind sie nicht auf die vielen Falschmeldungen auf Facebook und Twitter hereingefallen, die am Freitagabend von zwei weiteren Schießereien in der Münchner Innenstadt sprachen. Wieder einmal haben die sozialen Netzwerke bewiesen, dass sie in Momenten von Angst und Gefahr eben auch von Menschen genutzt werden, die Panikmache betreiben wollen. Sie erweisen sich als Ursache für Falschinformationen, die nicht nur die Polizei auf falsche Fährten führt, sondern eben auch vorschnelle Medien.

Heute ist mehr denn je journalistische Besonnenheit statt medialer Panikmache gefordert. Qualitätsmedien – egal ob öffentlich-rechtlich oder privat – müssen dafür bisweilen auch Schläge einstecken. Da geht es ihnen nicht anders als der Bundeskanzlerin. Doch gerade in diesen aufgeregten Zeiten geht zu aller erst um Verantwortung und Sicherheit – und eben erst einmal nicht um Quoten und Klicks.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat eine wichtige Schlussfolgerung aus den medialen Ereignissen von München bereits gezogen, die seine Popularität nicht steigern wird. An die Adresse von Falschmeldern und Gerüchteverbreitern auf , & Co. gerichtet, droht er mit dem deutschen Strafrecht. Der Missbrauch von Notrufen gilt nicht nur für das Ziehen der Notbremse in Zügen, sondern eben auch im Netz. Das ist vielen Aktivisten in den sozialen Netzwerken offenbar noch nicht ganz klar. Mit diesem medialen Kapitel des Amoklaufs von München werden sich die Strafverfolgungsbehörden in den nächsten Wochen noch intensiv auseinandersetzen müssen. Es könnte ein Lehrstück für Panikmache im Netz werden.

Immer montags schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.