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So wollen Münchener Einzelhändler gegen Amazon punkten

Fünf traditionsreiche Innenstadtgeschäfte bilden ihren Nachwuchs gemeinsam aus. Nur mit gut geschultem Personal sehen sie eine Chance gegen Amazon.

Vom Stachus über die Neuhauserstraße bis zum Marienplatz: Die Münchener Fußgängerzone gehört zu den beliebtesten Einkaufsmeilen Deutschlands. Es darf sich glücklich schätzen, wer im Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt einen Laden betreibt. Ein Selbstläufer aber ist das Geschäft selbst in dieser Toplage nicht.

„Wir haben in allen Städten mit sinkenden Frequenzen zu tun“, klagt Robert Waloßek. Der Geschäftsführer des Münchener Traditionshauses Bettenrid ist deshalb überzeugt: „Wir müssen den Leuten bestechende Argumente liefern, um ins Zentrum zu fahren.“

Motiviertes und gut geschultes Personal ist für den Kaufmann im Wettbewerb mit Onlinekonzernen wie Amazon entscheidend. Daher hat sich Waloßek mit vier anderen namhaften Händlern aus der Münchener Innenstadt zusammengetan: Mit Sporthaus Schuster, der Buchkette Hugendubel, mit dem Männerbekleidungshaus Hirmer und dem Haushaltswaren-Spezialisten Kustermann.

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Sie treten als „Münchens erste Häuser“ in der Öffentlichkeit auf. Eines der wichtigsten Projekte: Gemeinsam betreiben sie das sogenannte Azubi-College, um ihre jüngsten Mitarbeiter über die Berufsschule und die betriebliche Ausbildung hinaus gemeinsam zu unterrichten. Aufstrebende Führungskräfte versuchen die Partner zudem in ihrem „Talente-Programm“ zu unterstützen.

Wie gehe ich mit Beschwerden um? Wie behandele ich pampige Kunden? Wie trete ich sicher auf? Alles Fragen, die externe Trainer mit den Azubis der Münchener Händler besprechen. Einen Tag pro Woche kommen die Lehrlinge in ihrem College zusammen. Fortbildung, die sich auszahle, meint Waloßek.

Die Noten seiner Leute in der Berufsschule hätten sich in den vergangenen Jahren verbessert, die Zahl der Fehltage sei zurückgegangen, der Ruf als guter Lehrbetrieb sei gestiegen. So etwas sei nur gemeinsam zu erreichen, findet Flori Schuster, Chef und Eigentümer vom Sporthaus Schuster. Denn ein derartiges Programm wäre „im eigenen Haus nicht so leicht auf die Beine zu stellen“.

Jedes der fünf Geschäfte ist eine Münchener Institution für sich, jeder Laden über 100 Jahre alt. Kustermann ist sogar schon im 18. Jahrhundert gegründet worden. Die Mittelständler sind zudem weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Hirmer etwa bezeichnet sich als das größte reine Männermodehaus der Welt.

Kustermann sieht sich als das größte Fachgeschäft für Küche, Haus und Garten hierzulande. Schuster gilt als einer der besten Bergsporthändler des Alpenraums. Hugendubel ist eigenen Angaben zufolge größter inhabergeführter Buchhändler der Republik. Und zusammen beschäftigen sie in der Stadt fast 1400 Mitarbeiter. Nichtsdestotrotz stehen auch sie unter massivem Druck – so wie der gesamte stationäre Handel hierzulande.

Angesichts der Konkurrenz durch Onlinegiganten wie Amazon oder Alibaba seien traditionelle Einzelhändler gefordert, ihren Kunden heute mehr zu bieten als bisher, urteilen die Berater von Bain in einer gerade veröffentlichten Studie: Wichtig seien „eine unverwechselbare Produktpalette, kanalübergreifende Services, eine ansprechende Marke“.

Gute Beratung bei den regional verankerten Geschäften sei eine riesige Chance, so die Bain-Experten: „Setzen sie weiterhin auf exzellentes Personal und herausragende Kundenbetreuung, sind sie in der Lage, den globalen Riesen Paroli zu bieten, selbst wenn diese ihre lokalen Angebote ausweiten.“

Schwerpunkt Menschenführung

Genau da setzen die fünf Münchener Händler an. Neben den Azubis fördern sie daher auch ihre angehenden Führungskräfte. Einer der hoffnungsvollen Nachwuchsmanager von Bettenrid ist Edi Tili. Der Handelsfachwirt hat vor vier Jahren das Azubi-College durchlaufen. „Da kriegt man mit, wie man am besten auf die Kunden zugeht“, erinnert sich der 30-Jährige. Auch der Austausch innerhalb der Gruppe sei nützlich. „Du siehst, wie es bei den anderen läuft.“

Für Tili hat sich das College bezahlt gemacht. Inzwischen leitet der Jungmanager zwei Abteilungen einer Filiale von Bettenrid. Und er gehört zum Talente-Programm der Kooperationspartner. Alle zwei Monate kommen die derzeit 14 Teilnehmer mit den Ausbildern der Fortbildungsfirma Top-Concept für zwei Tage zusammen. „Dabei geht es vor allem um Führung“, meint Tili. Das ist so gewollt. „Es gibt nichts Schwierigeres, als Menschen zu führen“, erklärt Ladenbesitzer Schuster.

Außerdem müssen alle Beteiligten ein Projekt entwickeln, das sie dann in ihrem Betrieb umsetzen. Tili kümmert sich gemeinsam mit einer Kollegin aus dem Einkauf darum, wie sich die Eigenmarke bei Bettwäsche besser vermarkten lässt. Zum Abschluss des diesjährigen Programms im November präsentieren alle ihre Vorhaben den versammelten Geschäftsführern.

„Da müssen sie sich darstellen und vortragen. Das ist wichtig, um selbstständig zu werden“, erklärt Hirmer-Geschäftsführer Frank Troch. Tili wiederum schätzt, dass sich die Chefs Zeit nehmen für ihn und seine Kollegen: „Dadurch wird die Arbeit persönlicher.“

Die fünf renommierten Münchener Marken sind alle auch im Internet vertreten. Der Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf den Läden, und das ist die große Herausforderung. Denn die Menschen in Deutschland sind zwar durchaus in Kauflaune. Der Handelsverband HDE rechnet fürs laufende Jahr mit einem Umsatzplus von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Amazon profitiert am meisten

Allerdings: Es profitieren nicht alle Händler gleichermaßen davon. In den Geschäften vor Ort werden die Einnahmen der Prognose zufolge nur um 1,3 Prozent steigen. Das Geschäft übers Internet dürfte 2019 hingegen um neun Prozent zulegen, so der HDE. Dabei ist es vor allem der US-Konzern Amazon, der vom boomenden Onlinehandel hierzulande profitiert. Viele, vor allem kleinere Läden, sind im Netz hingegen überhaupt nicht präsent.

Die Ausbildung ist nicht der einzige Bereich, in dem die Münchener Traditionshäuser kooperieren. Die Geschäftsführer sitzen regelmäßig zusammen und tauschen sich aus, genauso die Verantwortlichen für Bereiche wie Marketing, IT und Logistik. Immer wieder stellen sie darüber hinaus gemeinsame Events auf die Beine.

Im vergangenen Frühjahr etwa gaben sie unter dem Motto „Kauf lokal“ zahlreichen Manufakturen aus der Stadt Platz in ihren Läden. Der Rabattschlacht des „Black Friday“ aus Amerika setzen sie den „Better Friday“ entgegen, eine gemeinsame Spendenaktion.

Der Zusammenschluss der Händler sei in Deutschland einzigartig, betont Nina Hugendubel. Die Chefin und Eigentümerin der bundesweit vertretenen Buchkette Hugendubel ist erst jüngst zu dem Kreis dazugestoßen. Ihr gefällt die Kooperation am Stammsitz in München aber bereits so gut, dass sie anregt, noch viel stärker zusammenzuarbeiten. Wenn es nach ihr geht, könnte es künftig auch eine gemeinsame Fortbildung für gestandenes Führungspersonal geben.

Ob ein Job im Einzelhandel indes wirklich eine gute Wahl für junge Leute ist? Eine Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom lässt daran zweifeln. Denn immerhin ein Fünftel der befragten Händler gab jüngst an, dass 2030 Verkaufsroboter die Konsumenten durch die Läden führen werden.