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Einer der mächtigsten Tech-Investoren der USA mischt mit Clubhouse die sozialen Netzwerke auf

Marc Andreessen gehört zu den einflussreichsten Männern des Silicon Valley. Mit der Audio-App Clubhouse strebt er die Revolution der Medienbranche an.

Aus der Masse von selbstbewussten, klugen Entrepreneurs herauszuragen ist im Technologie-Mekka Silicon Valley gar nicht so einfach. Aber Marc Andreessen ragt heraus, buchstäblich: Er ist 1,96 Meter groß, ein Hüne. Und dann ist da dieser Schädel, kahlrasiert und geformt wie ein perfektes Hühnerei. Seit 30 Jahren mischt Andreessen das Valley auf – erst als Gründer, dann als Manager, inzwischen als Investor. Facebook, Instagram, Twitter, Slack, überall hat er seine Finger drin – auch in Clubhouse, dem hippen neuen sozialen Netzwerk. Sein nächstes Ziel ist nicht weniger als eine Revolution der Medienbranche.

Andreessens Werdegang ist eine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte, auf die Amerikaner normalerweise stolz sind. Doch Andreessen redet nicht gern über seine Kindheit. 1971 geboren, wächst er im ländlichen Wisconsin auf. Sein Vater arbeitet bei einem Saatguthersteller, seine Mutter bei einer Bekleidungsfirma.

Trotzdem reicht das Geld kaum, in manchen Wintern kann der Vater die Heizrechnung nicht zahlen, und alle müssen Holz hacken. Seine Verwandten seien „skandinavische, harte, sich selbst verneinende Leute, die nie im Leben erwarten, jemals glücklich zu werden“, sagte Andreessen einmal gegenüber dem Magazin „The New Yorker“.

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Andreessen flüchtet sich in eine andere Welt, die der Bücher – und der Computer. Mit einem Buch aus der Ortsbibliothek bringt er sich das Programmieren bei. Nach der Schule studiert Andreessen Computerwissenschaften an der staatlichen Universität im benachbarten US-Staat Illinois. Nebenbei arbeitet er am Zentrum für Supercomputing-Anwendungen seiner Universität. Mit Kollegen tüftelt er an einem nutzerfreundlichen Internetbrowser und entwickelt Mosaic – die Tür zum World Wide Web für Millionen von Nutzern.

Andreessen zieht nach Kalifornien und gründet dort mit dem Unternehmer James Clark eine neue Firma für Internetsoftware namens Netscape Communications. Als das Unternehmen 1995 an die Börse geht, wird Andreessen, 24 Jahre alt, mit einem Schlag zum Multimillionär. Das Magazin „Time“ hebt ihn auf die Titelseite mit der Überschrift „The Golden Geeks“, „Die goldenen Streber“. 1999 verkaufen er und Clark Netscape an AOL für 4,2 Milliarden Dollar.

Männerfreundschaft mit Ben Horowitz

Mit nicht einmal 30 Jahren könnte Andreessen in den Ruhestand gehen. Doch Geld allein scheint ihn nicht zu interessieren. Stattdessen startet er mit seinem Netscape-Kollegen Ben Horowitz eine der ersten Cloud-Computing-Firmen überhaupt. 2007 verkaufen sie Loudcloud an Hewlett-Packard für 1,6 Milliarden Dollar.

Andreessen und Horowitz, das ist eine dieser Männerfreundschaften, wie sie im Silicon Valley hinter einigen Erfolgsgeschichten stehen. Andreessen ist kein einfacher Typ, er spricht mit vielen Schimpfwörtern und gilt als cholerisch. „Wenn Marc sich geringgeschätzt fühlt“, sagte ein guter Freund gegenüber dem „New Yorker“, „dann schneidet er dich aus seinem Leben wie einen Krebs.“ Aber bei Marc und Ben sei das anders, sie rauften sich immer wieder zusammen.

Die beiden wollten auch den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gemeinsam gehen: 2009 gründen sie die Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz, kurz: „a16“ (16 Buchstaben liegen zwischen dem A in Andreessen und dem Z in Horowitz). Statt eine einzelne Firma zu führen, wollen sie mitentscheiden, wohin sich die Technologieindustrie entwickelt. Doch in Nordkalifornien gibt es bereits viele renommierte Investorenfirmen – und Geld ohne Ende. 2019 wurden in den USA 136 Milliarden Dollar an Wagniskapital investiert, davon 40 Prozent im Silicon Valley.

Wichtiger als das Geld ist für viele Gründer, welches Know-how und welches Netzwerk Investoren ihnen bieten können. Andreessen und Horowitz holen sich Rat von einem Freund, der eine Talentagentur in Hollywood gegründet hat. Daraufhin mieten sie Büros an der legendären Sand Hill Road in Menlo Park, also der Adresse, an der alle großen Investoren sitzen, und hängen sich pompöse Werke bekannter Künstler an die Wände. Statt Plastikbecher gibt es bei ihnen Gläser, jeder Partner muss pro Minute Verspätung, mit der er zu einem Treffen erscheint, zehn Dollar Strafe zahlen. Anders als andere Wagniskapitalfirmen ist sich „a16z“ auch nicht zu schade, Werbung zu machen.

Die Strategie geht auf. Im Jahr 2015 etwa bewerben sich 3.000 Start-ups bei „a16z“, in 15 davon investieren Andreessen und Horowitz. Sie beweisen ein gutes Gespür: Das Unternehmen investiert früh in Burbn, aus dem später Instagram wird, in die Virtual-Reality-Brille Oculus und in die Softwareplattform Github. Auch bei Skype, Facebook und Twitter kaufen sich Andreessen und Horowitz ein, wenn auch zu hohen Preisen. Heute gehören Dutzende erfolgreiche und bekannte Internetfirmen zu ihrem Portfolio. Die von ihnen verwalteten Fonds umfassen 16,6 Milliarden Dollar.

Seit 2006 ist Andreessen mit Laura Arrillaga verheiratet, der Tochter eines der erfolgreichsten Immobilienentwicklers im Silicon Valley. Die beiden haben einen Sohn, Forbes bewertet Andreessens Vermögen mit 1,6 Milliarden Dollar. Seinen Tag „programmiert“ er bis ins letzte Detail, wie er es nennt, inklusive fester Zeiten für Essen und Lesen. Er selbst gehe nicht gern unter Menschen, sagte er jüngst auf Clubhouse; an der Pandemie möge er, dass er anderen nicht mehr zufällig auf dem Flur begegnen müsse.

Andreessen schwelgt auch nicht gern in Erinnerungen, lieber schaut er nach vorne – zehn, 20 oder 30 Jahre. „Bahnbrechende Ideen sehen völlig verrückt aus“, sagt er. „Es ist schwer, so zu denken.“ Er ist ein Anhänger des Glaubens, dass Technologie jedes Problem der Menschheit lösen oder zumindest mindern könne. Seine Ansichten vertritt er lautstark, ob im Fernsehen oder in den sozialen Netzwerken. Das brachte ihm schon Ärger ein, etwa 2016, als er auf Twitter andeutete, dass das Ende des Kolonialismus verheerend für das indische Volk gewesen sei.

Gehversuche im Mediengeschäft

Seit jenem Vorfall und anderen Überwerfungen mit Journalisten gibt Andreessen so gut wie keine Interviews mehr. Er beschwert sich häufig über die kritische Berichterstattung zu Technologiethemen, etwa mit Blick auf die wegen Betrugs angeklagte Bluttestfirma Theranos. So erklären sich auch seine Gehversuche im Mediengeschäft. „a16z“ veröffentlicht inzwischen eigene Podcasts, Artikel und Newsletter, gerade sucht die Firma neue Meinungsredakteure. Die Haltung ist in der Stellenbeschreibung genau vorgegeben: „Kompromisslos pro Tech, pro Zukunft, pro Wandel.“ Mitarbeiter erzählen schon seit Längerem, „a16z“ sei eine Medienfirma geworden, die sich über Wagniskapital finanziere.

Vor diesem Hintergrund ist auch Andreessens jüngstes Projekt zu sehen, das neue soziale Netzwerk Clubhouse. Wie viele seiner Medieninvestitionen setzt auch dieses ganz auf Audio: In virtuellen Räumen können die Nutzer zusammenkommen und mit anderen über beliebige Themen diskutieren. Bis jetzt ist die App noch ein Nischenprodukt mit zwei Millionen aktiven Nutzern.

Doch Andreessen scheint von der Idee überzeugt. „a16z“ hat vergangenes Jahr gut zwölf Millionen Dollar in Clubhouse gesteckt; andere Investoren stach Andreessen aus, indem er sich persönlich dafür einsetzte, dass der Hollywoodschauspieler Kevin Hart für einen Auftritt auf Clubhouse vorbeischaute. Außerdem umschmeichelte Andreessen die Gründer mit seiner Expertise im Audiogeschäft und Kontakten nach China.

Auf Clubhouse ist Andreessen nun selbst häufig zu Gast, regelmäßig diskutieren er und Horowitz dort über Investitionsideen und geben Gründern Tipps. Jedes Mal hören Tausende zu – es ist das unkritische, Tech-freundliche Publikum, das er am liebsten mag.