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Lufthansa startet wegen Coronavirus neuen Sparkurs

Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister kündigt wegen des Coronavirus Sparmaßnahmen an. Im Tourismusmarkt will die deutsche Airline dagegen wachsen.

Die nach Umsatz größte europäische Fluggesellschaft ergreift massive Gegenmaßnahmen, um die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus einzudämmen. „Aktuell überprüfen wir zum Beispiel bei der Kernmarke Lufthansa alle geplanten Neubesetzungen von offenen Stellen. Möglicherweise müssen diese ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden“, sagte Harry Hohmeister, im Konzernvorstand für alle Passagier-Gesellschaften der Gruppe zuständig, dem Handelsblatt.

Zudem wolle man mit erweiterten Angeboten für unbezahlten Urlaub und Teilzeit weitere Kosten sparen. „Wir werden außerdem auch nicht verhindern können, einzelne Projekte zu streichen und in der Verwaltung bei den Ausgaben zu sparen“, sagte Hohmeister. Das seien keine leichtfertigen Entscheidungen, aber „leider unverzichtbare“.

Nachdem auch in Italien die Zahl der Erkrankten am vergangenen Wochenende sprunghaft angestiegen war, wächst in der Luftfahrtbranche die Sorge, dass nicht nur der Luftverkehr von und nach China beeinträchtigt wird, sondern auch der im Heimatmarkt Europa. Lufthansa hat nach Angaben von Hohmeister auf den Verbindungen auf das chinesische Festland bereits die Kapazität von 13 Flugzeugen vorübergehend aus dem Angebot genommen.

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„Flüge nach Festland-China auszusetzen schmerzt, und das hat natürlich auch deutliche wirtschaftliche Folgen für uns und andere Industrien“, sagte der Manager. Genaue Zahlen will der Konzern aber erst am 19. März auf der Bilanzpressekonferenz bekanntgeben.

Eine Prognose, wie lange Corona die Branche noch beschäftigen wird, wagt Hohmeister nicht. „Diese Frage kann seriös keiner beantworten. Wir bereiten natürlich verschiedene Szenarien vor für die Zeit nach Corona. Die Luftfahrt kennt solche Situationen und hat gelernt, damit umzugehen“, sagte das Vorstandsmitglied. Klar sei aber, dass so etwas das Geschäft beeinträchtigt. „Keiner weiß zum Beispiel, in welchem Umfang und wie lange der Tourismus in und aus China heraus ausfällt.“

Lesen Sie hier das komplette Interview

Harry Hohmeister kommt direkt von einer Videokonferenz mit den Kollegen in China zum Interview. Das Coronavirus und seine Folgen beschäftigen ihn und sein Team seit Wochen intensiv. Um die wirtschaftlichen Folgen einzudämmen, ergreift der Lufthansa-Vorstand, zuständig für die Passagier-Airlines, nun Gegenmaßnahmen. Seine Euphorie, was die künftigen Pläne der Airline mit den Urlaubern betrifft, bremst das allerdings nicht.

Herr Hohmeister, das Coronavirus ist nun auch in Europa angekommen. Wie stark beeinträchtigt das den Luftverkehr und Ihr Geschäft?
Natürlich beobachten wir die Entwicklung aufmerksam und auch mit einer gewissen Sorge. Flüge nach Festland-China auszusetzen schmerzt, und das hat natürlich auch deutliche wirtschaftliche Folgen für uns und andere Industrien. Im Lufthansa-Konzern stehen aktuell rechnerisch 13 Langstreckenflugzeuge wegen Corona am Boden.

Gibt es darüber hinaus konkrete Maßnahmen, um den wirtschaftlichen Folgen zu begegnen?
Aktuell überprüfen wir zum Beispiel bei der Kernmarke Lufthansa alle geplanten Neubesetzungen von offenen Stellen. Möglicherweise müssen sie ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Mit erweiterten Angeboten für unbezahlten Urlaub und Teilzeit wollen wir Kosten sparen. Wir werden außerdem auch nicht verhindern können, einzelne Projekte zu streichen und in der Verwaltung bei den Ausgaben zu sparen. Keine leichtfertigen Entscheidungen, aber leider unverzichtbar.

Welche Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und Passagiere hat Lufthansa veranlasst?
Natürlich hat die Sicherheit der Gäste und Mitarbeiter bei uns oberste Priorität. Filter in Flugzeugen sorgen für saubere Luft, ähnlich wie in einem Operationssaal. Unsere Crews sind geschult im Umgang mit Verdachtsfällen – übrigens nicht nur, wenn es um Corona geht. Allein der medizinische Dienst der Lufthansa hat knapp 130 Mitarbeiter, davon 30 Ärzte, die rund um die Uhr ansprechbar sind.

Wagen Sie eine Prognose, wie lange dieser Zustand noch dauern wird?
Diese Frage kann seriös keiner beantworten. Die Luftfahrt kennt solche Situationen und hat gelernt, damit umzugehen. Dadurch, dass 80 Prozent unserer Flugzeuge in unserem Eigentum und nicht geleast sind, haben wir gegenüber vielen Wettbewerbern mehr Flexibilität. Aber klar ist, dass so etwas das Geschäft beeinträchtigt. Keiner weiß zum Beispiel, in welchem Umfang und wie lange der Tourismus in und aus China heraus ausfällt. Wir bereiten natürlich verschiedene Szenarien vor für die Zeit nach Corona.

Sie denken also schon an die Zeit danach. Hat das Virus keinen Einfluss auf Ihre Planungen mit Urlaubern, die die Lufthansa gerade neu entdeckt?
Wir entdecken den Urlauber nicht neu. Schon heute sind wir die Nummer eins. Niemand sonst fliegt so viele Menschen in die Ferien. Wir haben in den letzten zwei bis drei Jahren gerade auch mit Eurowings klare Zeichen gesetzt und uns zum Freizeit-Reisenden bekannt. Wir werden uns hier aber noch breiter aufstellen. Mit unserer globalen Vertriebspower und unserem dichten Netz bieten wir Menschen weltweit Urlaubsflüge – nicht nur aus Deutschland heraus, sondern zum Beispiel auch aus den USA oder Asien nach Europa.

Und das kann auf der Langstrecke die Lufthansa besser als die Tochter Eurowings, von der man ja die Vermarktung der Fernziele übernommen hat?
Wir haben mit Eurowings wertvolle Erfahrungen gesammelt. Und wir haben dazugelernt. Künftig steuern wir die Langstrecke nun aus einer Hand über unsere Drehkreuze und Düsseldorf. Und wir bauen auch die Kabinen um. Unser Ziel ist: jedem Kunden genau das bieten, was er nachfragt. Dazu zählt auch ein verstärktes Premiumangebot. Hier wächst die Nachfrage. Wer im Urlaub Wert auf Qualität legt und etwa ein Fünfsternehotel bucht, möchte gerne auch auf dem Flug die entsprechende Qualität. Wir bieten künftig ein durchgängig gleiches Produkt und führen Markt und Anbieter noch näher zusammen.

Deshalb bauen Sie gerade in alle A330 für diese Langstrecken Businessclass-Sitze ein?
Genau. Es gibt Ziele wie zum Beispiel Windhoek oder Las Vegas, auf denen wir Touristen und Geschäftsreisende an Bord haben. Dadurch gibt es die Nachfrage nach einer Premium-Businessclass. Letztlich geht es uns darum, neue Märkte zu erschließen, die wir heute mit Lufthansa und einem Vier-Klassen-Produkt aus Kostengründen nicht anfliegen können. Für die Kunden heißt das: noch mehr Auswahl.


So begründet Hohmeister den Verkauf von Condor

Vor Jahren haben Sie sich von der Ferienfluggesellschaft Condor getrennt. War das ein Fehler?
Wir haben das Freizeitkundensegment vielleicht tatsächlich eine Zeit lang zu wenig beachtet. Aber wir waren nie nur ein klassischer Ferienflieger. Und wir werden es auch nie sein. Mit der Gruppe bieten wir ein breites Sortiment. Und mit Edelweiss in der Schweiz haben wir bewiesen, dass die Kombination verschiedener Angebote sehr gut funktioniert. Wir werden aber auch künftig sicherlich nicht jede Urlaubsdestination ansteuern.

Nun wird Condor bei der polnischen Lot landen, die zum neuen Wettbewerber im touristischen Segment wird. Bisher liefert Lufthansa Gäste für die Condor-Jets. Werden Sie das nun aufkündigen?
Das Wettbewerbsumfeld hat sich deutlich verändert. Erstens bauen wir unser eigenes Angebot aus. Zweitens war Condor bisher Teil eines Tour-Operators, der nur begrenzt die gleichen Strecken angeboten hat wie wir. Nun wird die Airline vermutlich Teil eines polnischen Staatsunternehmens. Das ändert vieles. Ganz generell bin ich übrigens ein Freund der freien Marktwirtschaft. Fluggesellschaften in Staatshand verzerren den Wettbewerb.

Das klingt, als würde Lufthansa wegen des Deals bei der EU-Kommission vorsprechen.
Wir werden uns das auf jeden Fall sehr genau anschauen. Ich bin gespannt, was Brüssel dazu sagt.

Was ist mit der Zusammenarbeit mit Condor?
Wir werden nicht sofort alle Verträge mit Condor kündigen. Schließlich sind das auch unsere Kunden, die wir nicht alleinlassen dürfen und wollen. Aber wenn Verträge auslaufen, dann laufen sie aus. Auch beim Thema Kundenbindung, also der Zusammenarbeit bei Miles & More, werden wir genau hinschauen, denn natürlich ist es in unserem Interesse, dass unsere Kunden ihre Meilen vermehrt für Flüge in unserem wachsenden touristischen Angebot einsetzen.

„Wir stehen nicht für einen Discount-Wahnsinn“

Nicht zu vergessen die Reiseveranstalter, die Sie bei einer sofortigen Kündigung der Verträge ebenfalls vor den Kopf stoßen würden. Die brauchen Sie für Ihre Pläne bei den Freizeitreisenden künftig mehr denn je.
Genau. Eurowings hat mittlerweile schon einen signifikanten Tour-Operator-Anteil. Aber wir werden das Thema Partnerschaften mit Reiseveranstaltern im touristischen Markt noch weiter vorantreiben.

Wie wollen Sie die Veranstalter stärker für sich gewinnen, die sich häufig schwer damit tun, mit der mächtigen Lufthansa zusammenzuarbeiten?
Wir wissen, dass wir nicht die klassische Veranstalter-Airline sind. Und wir können hier auch noch kooperativer werden. Aber ich bin davon überzeugt, wir haben den Veranstaltern auch viel zu bieten: Multi-Brand, Multi-Hub und viel Erfahrung im Bereich Digitalisierung. Wir haben zum Beispiel gerade ein großes Projekt „Digitalisierung mit Partnern“ aufgesetzt.

Condor, Alitalia, in Großbritannien erwägt die Regierung offenbar den Einstieg bei Flybe – erleben wir in Europa gerade die Rückkehr der Staats-Airlines?
Es macht aktuell den Eindruck. Ich halte das für keine gute Entwicklung. Zumal dann mit Staatshilfen wettbewerbsverzerrende Ticketpreise in den Markt gedrückt werden. Über billige Tickets Kunden zu gewinnen und sich dann vom Staat subventionieren zu lassen ist auf Dauer kein Erfolgskonzept. Und es ist exakt das Gegenteil dessen, was nach meinem Verständnis die Politik will und was die europäische Rechtsordnung vorsieht.

Im Touristikmarkt kann das gleichwohl einen heftigen Preiskampf zur Folge haben. Auch Tuifly startet im Herbst mit einer eigenen Langstrecke. Wie rüsten Sie sich dafür?
Mit unserem Konzept, das ich ja beschrieben habe, sind wir diejenigen, die sich am wenigsten auf einen Preiskampf einlassen. Wir stehen nicht für einen Discount-Wahnsinn. Ich halte extreme Niedrigpreise auch aus umweltpolitischen Aspekten für unverantwortlich. Hier wird eine künstliche Nachfrage generiert, die es eigentlich gar nicht gibt. Wenn ich sehe, dass gerade wieder Tickets für 5,99 Euro angeboten wurden, frage ich mich schon, ob manche es immer noch nicht verstanden oder einfach nichts Besseres zu bieten haben.

Herr Hohmeister, vielen Dank für das Interview.

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