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Ku’damm-Megaprojekt im Schuldenstrudel - Aggregate geht leer aus

(Bloomberg) -- Vor gerade einmal zwei Jahren war der Kauf des Berliner Fürst-Projekts für die Aggregate Holdings SA ein ehrgeiziger Schritt. Im Rahmen des Megaprojekts auf dem Areal des Ku’damm-Karrees in Charlottenburg entstehen auf fast 200.000 Quadratmeter Fläche Büros, Einzelhandel und ein Hotel an einer Top-Adresse. Doch die steigenden Zinsen machen das Projekt nun wohl zum Symbol für Aggregates Scheitern.

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Führende Gläubiger des Projekts, darunter der Londoner Fonds Fidera, haben einen Plan zur Umschuldung ausgehandelt, der Aggregate eine der letzten verbliebenen Perlen in seinem rapide schrumpfenden Portfolio kosten dürfte. Nach der Umstrukturierung bekommt Fürst neue Mehrheitseigentümer — nur die vorrangigen Gläubiger kommen mehr oder weniger ungeschoren davon.

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Gleichzeitig versuchen Gläubiger, die in der Schuldenhierarchie weiter unten rangieren, eine Insolvenz des Projekts auszulösen — darunter etwa die Schweizer Bank J. Safra Sarasin. Am Freitag entscheidet ein Gericht in Luxemburg über den Fall.

Steigende Baukosten und Schuldenrückzahlungen haben Aggregate — das mehrheitlich dem österreichischen Investor Günther Walcher gehört und von seinem langjährigen Geschäftspartner Cevdet Caner geführt wird — in letzter Zeit immer mehr in Bedrängnis gebracht. Die Bauarbeiten am Fürst-Projekt ruhen bereits.

Die Schwierigkeiten des Bauvorhabens im traditionellen Westberliner Stadtzentrum stehen stellvertretend für den spektakulären schuldenfinanzierten Boom des deutschen Immobilienmarktes — und seinen Absturz, nachdem die Europäische Zentralbank zehn Mal in Folge ihre Zinsen angehoben hat.

Das Fürst-Projekt wurde im Dezember 2019 von der Vivion Investments des israelischen Tycoons Amir Dayan für rund 540 Millionen Euro gekauft und nur 18 Monate später für rund 850 Millionen Euro an Aggregate weiterverkauft. Eine komplexe Finanzierung der Corestate Bank ermöglichte den Deal. Eine aktuelle Bewertung vom Juni, die Bloomberg einsehen konnte, taxiert den Wert des Projekts jetzt auf gerade einmal der Hälfte dieses Betrags.

Der erbitterte Kampf um die Refinanzierung zeigt auch, dass die Gläubiger mit harten Bandagen kämpfen, um die Verluste aus der Immobilienkrise zu begrenzen. Eine teure Neufinanzierung könnte dazu führen, dass einige Kreditgeber leer ausgehen.

Safra Sarasin, dessen Forderungen gegen Fürst unter der geplanten Umschuldung leiden würden, hat in Luxemburg Klage gegen Firmen eingereicht, die mit dem Fürst-Projekt in Verbindung stehen. Andere Kreditgeber, die wie Safra Sarasin in der Schuldenhierarchie weiter hinten stehen, haben ähnliche Beschwerden. “Wir sind der festen Überzeugung, dass der Erfolg eines jeden Projekts am besten durch eine harmonische Partnerschaft zwischen allen Beteiligten erreicht wird”, sagte ein Sprecher von Safra Sarasin. “Wir setzen uns weiterhin dafür ein, die legitimen Interessen aller Beteiligten zu wahren.”

Neben Fidera gehört auch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die größte öffentlich-rechtliche Zusatzversorgungskasse Deutschlands, zu den vorrangigen Gläubigern, die die Kreditgeber an dem Projekt beteiligt. “Der aktuelle Vorschlag sieht vor, dass Fidera und andere vorrangige Kreditgeber erhebliche Ressourcen und Kapital investieren, auch frisches Geld, um den Bau abzuschließen”, sagte ein Fidera-Sprecher. “Wir bemühen uns, alle Interessengruppen in Einklang zu bringen und sind weiterhin bestrebt, eine akzeptable Lösung zu finden.”

Aggregate reagierte nicht auf Anfragen von Bloomberg News.

Ungünstiges Timing

Der Kauf von Fürst im Juni 2021 markiert den Höhepunkt in der Geschichte von Aggregate. Kurz danach wurde das Unternehmen erschüttert durch einen verheerenden Bericht eines Leerverkäufers über den deutschen Wohnungskonzern Adler Group SA, dessen größter Aktionär Aggregate war. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt im Zusammenhang mit Adler wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Untreue.

Die Studie des Leerverkäufers war zusammen mit dem Bericht eines Whistleblowers an Adlers Banken der Beginn einer Kette von Ereignissen, zu denen auch die Erosion des Aggregate-Portfolios gehörte. Im Kampf um Liquidität musste sich Aggregate von zahlreichen Beteiligungen trennen.

Ende letzten Jahres war die Bilanzsumme von Aggregate bereits auf 4,7 Milliarden Euro gesunken — in der Spitze waren es 8,3 Milliarden Euro gewesen. Und das war noch bevor die Gläubiger aktiv wurden.

Gemäß dem Sanierungsplan, der von den meisten vorrangigen Gläubigern unterstützt wird, würde Fürst eine neue vorrangige Finanzierung in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro erhalten, an der sich diese Gläubiger beteiligen können. Von der bestehenden Kapitalstruktur würden nur die vorrangigen Schulden verbleiben, wobei deren Laufzeiten verlängert würden, heißt es in einer Pressemitteilung vom Montag.

Die Holdinggesellschaft des Projekts will die Umschuldung nach englischem Recht durchführen, “um diese Ziele innerhalb des erforderlichen kurzen Zeitrahmens zu erreichen”, heißt es in der Mitteilung. Das englische Insolvenzrecht kennt den sogenannten “Cross-Class Cramdown”, mit dem solche Vorschläge auch dann durchgesetzt werden können, wenn eine Gruppe von Gläubigern nicht damit einverstanden ist.

Safra Sarasin ist damit nicht einverstanden: “Diese Angelegenheit sollte in Deutschland und nicht vor britischen Gerichten geklärt werden”, sagte der Sprecher der Bank. Zu den weiteren Kreditgebern, die noch hinter Safra Sarasin rangieren — etwa ein von Orchard Global geführter Fonds, der auf die Verwertung fauler Kredite spezialisiert ist —, haben eigene Klagen in Luxemburg eingereicht, die dort am 27. Oktober verhandelt werden.

Perlen perdu

Aggregate hat bereits erhebliche Einschnitte hinnehmen müssen. Im Juni musste das Unternehmen nach Kostenüberschreitungen einen Teil des Berliner Projekts Quartier Heidestraße an Oaktree Capital Management übergeben. Einen anderen Teil dieses Quartiers hatte Aggregate vorher schon an Vivion abgeben müssen, um Schulden im Zusammenhang mit dem Projekt Fürst zu begleichen. Eine portugiesische Aggregate-Tochter ging ebenfalls an Gläubiger.

Das Unternehmen ist nicht der einzige deutsche Bauträger, der Probleme hat. In den letzten Monaten haben die Gerch Group, Project Immobilien und die Euroboden Sanierungs- oder Insolvenzverfahren beantragt.

Mehr zum Thema: Die deutsche Immobilienkrise fordert ihre ersten großen Opfer

“Wir sehen immer mehr Notlagen”, sagt Maud Visschedijk, Partnerin im Debt and Structured Finance Team von Cushman & Wakefield. “Davon werden wir in den nächsten 12 Monaten noch viel mehr sehen.”

Überschrift des Artikels im Original:Creditors Are Fighting Over a Crown Jewel of German Real Estate

©2023 Bloomberg L.P.