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Krisenjahr 2020: Deutsche Aufsichtsräte zeigen sich selbstbewusst

Die Kontrolleure fühlen sich einer Umfrage zufolge gestärkt. Experten sehen jedoch auch aufgrund des Wirecard-Skandals ein zwiespältiges Bild.

Die Coronakrise und der Fall Wirecard haben 2020 für die deutsche Wirtschaft zu einem besonderen Jahr gemacht. Angesichts dieser historischen Herausforderungen bewerten die Kontrolleure der Konzerne ihre eigene Arbeit überwiegend selbstbewusst und positiv. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“ und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte

Neun von zehn befragten Mandatsträgern zeigten sich in der Befragung, die in den Monaten Juli bis September zum 14. Mal durchgeführt wurde, „zufrieden“ bis „sehr zufrieden“ mit ihrer Arbeit. Der Fall Wirecard, der den Finanzstandort Deutschland international in ein schlechtes Licht rückte, erfordert 60 Prozent der Befragten zufolge keine zusätzliche Regulierung.

„Schlaglichtartig könnte man die Eigenbewertung wie folgt zusammenfassen: Alles richtig gemacht“, erklärt Manuel Theisen, geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“, die zur Handelsblatt Media Group gehört.

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Arno Probst, Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte und Mitinitiator der Studie, erklärt: „Der Aufsichtsrat hat sich in der Krise nicht neu erfunden. Er hat sich weiter professionalisiert und ist entsprechend auch selbstbewusster geworden. Doch er bleibt sich und seinen zentralen Pflichten treu – der Kontrolle und der Beratung. Der Vorstand bleibt der Motor der deutschen Wirtschaft.“

In ausführlichen Interviews wurden 73 Aufsichtsräte mit Mandaten in insgesamt 219 Gesellschaften befragt. Darunter waren 39 Vorsitzende und 20 stellvertretende Vorsitzende von fünf Dax-30-, acht MDax- und zehn SDax-Konzernen. Die Frauenquote lag bei knapp 26 Prozent.

Die Arbeitsweise der Aufsichtsräte ist in diesem Jahr deutlich von der Coronakrise geprägt. Von den Befragten gab gut die Hälfte an, ihre Arbeitsweise habe sich „merklich“ verändert, gut 40 Prozent empfinden nur eine „teilweise Änderung“.

Aufsichtsratsarbeit ist nicht komplett homeofficefähig

Nahezu einstimmig (96,9 Prozent) erklären die Aufseher, dass sich ihre Arbeit teilweise ins Digitale verlagert hat. Bei den acht vorgegebenen Aussagen gibt es eine stark ausgeprägte Tendenz zu der Feststellung „Die Intensität der Aufsichtsratsarbeit ist größer und effizienter geworden“, aber auch zu „Aufsichtsratsarbeit ist ganzheitlich nicht homeofficefähig“.

Als ihren Beitrag zur Krisenbewältigung sieht die Hälfte der Mandatsträger vorrangig die Begleitung und Stärkung des Vorstands in offener, kompetenter und hochfrequenter Diskussion Als weitere Themen, die der Aufsichtsrat „gut“ handhaben konnte, werden die Digitalisierung der Aufsichtsratsarbeit, das Reporting im Detail und in erhöhter Frequenz und die Liquiditätssicherung und Finanzierungen benannt.

Insgesamt berichten die Aufsichtsräte über ihren zunehmenden Einfluss. Mehr als die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage „Der Einfluss des Aufsichtsrats ist in der Krise (deutlich) gestiegen“ zu. Im Gesamtbild zeigt sich ein deutlich höheres Krisenbewusstsein der Mandatsträger.

Aus Sicht des Corporate-Governance-Experten Theisen haben die Aufsichtsräte damit zwar ihre historische Chance für mehr Einfluss erkannt. Konkrete Handlungen oder neue Instrumente seien daraus aber meist noch nicht abgeleitet worden.

„Es wurde etwa noch kaum von dem Recht Gebrauch gemacht, mehr externe Berater einzubinden oder gar harte Personalentscheidungen zu treffen“, sagt Theisen. „Es gibt wenig Raum für krisenbasierte Innovationen. Es herrscht bisher eher eine Art paternalistisches Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gemäß dem Tenor: Wir stehen zusammen diese Krise durch.“

Eine ähnliche Zurückhaltung zeigt sich im Fall Wirecard, der nach mutmaßlichen Bilanzmanipulationen als erster Dax-30-Konzern überhaupt in die Insolvenz rutschte. Für Manuel Theisen ist das Bild zwiespältig: „Die Ergebnisse in Bezug auf den Wirecard-Skandal zeigen, dass die Aufsichtsräte nur emotional betroffen sind. Der Fall betrifft sie nicht persönlich und unmittelbar.“

Aufsichtsräte sind jünger, weiblicher und unabhängiger geworden

Die Zustimmung zu einzelnen Maßnahmen ist dann aber doch groß. So wünschen sich 85 Prozent der Befragten, dass die umfassende Verschwiegenheit des Abschlussprüfers bei juristischen Verfahren abhängig von Umfang und Dimension der Verfehlungen reduziert werden kann, um dem Abschlussprüfer eine Chance zur eigenen Darstellung zu geben.

20 Prozent würden es begrüßen, wenn bei größeren börsennotierten Gesellschaften die Prüfung verpflichtend von zwei Gesellschaften durchgeführt werden müsste und bei der Auswahl in besonderem Maße auf die Zusammenstellung geachtet wird.

Laut Arno Probst spiegelt das Meinungsbild auch den Wandel der deutschen Aufsichtsräte wider. „Es ist eine neue Generation an Aufsichtsräten tätig geworden, die sich zunehmend in ihrer Rolle einfindet. Wir erwarten uns von ihr in naher Zukunft einen selbstbewussten Auftritt.“

Analysen belegen, dass die Gremien in den vergangenen zehn Jahren im Durchschnitt jünger, weiblicher und internationaler geworden sind und die durchschnittliche Mandatszahl sich deutliche reduziert hat. Zudem kontrollieren nur noch wenige ehemalige Topmanager als Aufsichtsräte ihre früheren Arbeitgeber.

Immer mehr Aufsichtsräte sind zudem hauptberuflich Kontrolleure und können sich von daher stärker auf diese Tätigkeit konzentrieren. Zu dieser neuen Riege gehören die ehemalige Lufthansa-Managerin Simone Menne (BMW, Henkel. Deutsche Post) und der Ex-BMW-Chef Harald Krüger (Lufthansa, Deutsche Telekom).

Die alte Deutschland AG gehört damit bald der Vergangenheit an – auch wenn einzelne Multiaufsichtsräte immer noch sehr viel Macht auf sich vereinen, wie Karl-Ludwig Kley mit seinen Mandaten bei BMW, Eon und Lufthansa. Dieser wiederum setzt sich auch stark für eine Reform der Unternehmenskontrolle ein.