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Die Bevölkerung wächst immer langsamer – das merken auch die Krippen. Eine Gratwanderung zwischen historischen Prognosen und modernen Realitäten.

Die Bevölkerung wächst immer langsamer – das merken auch die Krippen. Eine Gratwanderung zwischen historischen Prognosen und modernen Realitäten.

Im modernen Europa gibt es nicht mehr viele nationale Marotten. In Frankreich hat sich eine hartnäckig gehalten: Die Sorge um die Demographie. Seit dem 18. Jahrhundert zerbrachen sich die französischen Eliten dem Kopf über eine zu niedrige Geburtenrate. Man sah, wie in England und Deutschland die Bevölkerung innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit um die Hälfte zunahm, während sie in Frankreich nahezu stagnierte – und fürchtete, das könne böse Folgen haben.

Nach dem Einmarsch der Preußen in Paris während des Kriegs 1870/71 wurde daraus eine vermeintliche Gewissheit, und noch mehr nach dem Ersten Weltkrieg. „Die größte Gefahr, die Frankreich bedroht, ist seine schwache Geburtenrate.“ hieß es auf einem massenhaft geklebten Plakat von 1919. „Wären wir zehn Millionen Franzosen mehr gewesen, hätte Deutschland uns nie angegriffen.“ lautete das Argument.

Die Franzosen wurden angehalten, mehr Nachwuchs zu generieren: „Eine kinderreiche Familie, das bedeutet Freude im Haushalt, Vertrauen zwischen den Eheleuten, Reichtum, wenn die Kinder zu arbeiten beginnen, Wohlstand im Alter, und die Gewissheit, seine nationale Pflicht getan zu haben“, hieß es in der Werbung für mehr kleine Franzosen.

Recht bald nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte das lange Werben endlich Erfolg. Frankreich wurde zu einem der europäischen Länder mit dem stärksten Bevölkerungswachstum. Die frühere Skepsis wich einer neuen Zuversicht: Um 2040 wäre nicht mehr Deutschland, sondern unser westlicher Nachbar das bevölkerungsstärkste Land Europas und damit auch das mit der besten Voraussetzung, die kräftigste Wirtschaft zu haben.

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In den Vergleichen wirtschaftlicher Kennzahlen, die beide Länder sich vorhalten wie Kinder den Umfang ihrer Armmuskeln, war die Demographie immer der überragende Trumpf, den Frankreich zückte: Deutschlands Bevölkerung werde vergreisen und schrumpfen, während die französische springlebendig zulege.

Doch nun das: Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Franzosen so schwach zugenommen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Saldo zwischen Geburten und Sterbefällen macht heute nur noch 164.000 Personen aus, das ist nur noch halb so viel wie in den 60er-Jahren.

In Frankreich lag die Zahl der Kinder pro Frau seit 40 Jahren über 1,7. Seit 2006 war sie sogar über zwei gestiegen. Das liegt übrigens nicht an einer vorbildlichen Ausstattung mit Krippen und Kindergärten, sondern an anderen Wertvorstellungen: In Frankreich erwartet man nicht, dass die Frauen nach einer Geburt Jahre lang zu Hause bleiben. Normal ist, das man nach ein paar Monaten wieder arbeitet. Nicht anders als in Deutschland müssen viele Familien dabei mit privaten Lösungen jonglieren, weil der Staat zu wenig Krippenplätze schafft.

2010 ist eine Trendwende bei den Geburten eingetreten, der Wert nimmt ab. 2017 errechnet das nationale Statistikamt INSEE noch einen Wert von 1,88. Damit liegt Frankreich immer noch in der Spitzengruppe der EU, aber nicht mehr ganz vorne: Dort findet sich jetzt Irland. Woran das liegt, weiß man nicht. Die einen sagen, die Krise sei schuld, die anderen, künftige Eltern würden immer anspruchsvoller und wollten sicher sein, dass sie optimale Bedingungen für ihr Kind vorfinden.

Hinzu kommt eine höhere Sterbezahl, weil nun die geburtenstarken Jahrgänge ihr Lebensende erreichen. Insgesamt ergibt sich daraus eine nur noch langsam zunehmende Bevölkerung. 2017 wuchs sie in Frankreich um 0,3 Prozent. Rund ein Viertel der Neugeborenen hat eine Mutter mit Migrationshintergrund.

Schon heute geht ein Drittel des Bevölkerungswachstums auf den Wanderungssaldo zurück. Erklärtes Ziel ist es aber, die Zuwanderung zu verlangsamen. Auch von daher ergibt sich also eine Bremswirkung für die Bevölkerungsdynamik. Sollten alle Tendenzen gleichbleiben, würde die französische Bevölkerung in 25 bis 30 Jahren gar nicht mehr wachsen.

Zu dem Trend, dass es weniger französische Kinder gibt, trägt auch bei, dass die Frauen sich immer später für den Nachwuchs entscheiden. Im Schnitt bringen sie heute mit etwas über 30 Jahren ein Kind zur Welt. Auch deshalb gibt es pro Jahr weniger Geburten als früher.

In Deutschland dagegen, dem französische Experten vor fünf Jahren bis 2060 eine auf 65 Millionen schrumpfende Bevölkerung prophezeiten, rechnet die Bundesregierung nun bis zu diesem Zeitpunkt mit einer stabilen Zahl der Einwohner. Das liegt an der deutlich gestiegenen Geburtenrate, die nach dem schwachen Wert von 1,4 mittlerweile auf 1,6 geklettert ist – das bedeutet Zuwachs. Einen Beitrag leisten aber natürlich auch die deutlich gestiegenen Zuwandererzahlen, mit denen vor wenigen Jahren noch niemand gerechnet hat.

Die vermeintliche Gewissheit, bevölkerungsmäßig an Deutschland vorbeizuziehen, beginnen die Franzosen nun zu verlieren. Sie haben einen Trost: Ihren jungen, auch international beliebten Präsidenten. Der hat übrigens gar keine eigenen Kinder.