Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 2 Stunden 16 Minuten
  • Nikkei 225

    37.973,85
    +345,37 (+0,92%)
     
  • Dow Jones 30

    38.085,80
    -375,12 (-0,98%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.938,09
    -12,52 (-0,02%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.388,90
    +6,33 (+0,46%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.611,76
    -100,99 (-0,64%)
     
  • S&P 500

    5.048,42
    -23,21 (-0,46%)
     

Koalition streitet über Altersempfehlungen für Spiele-Apps

Familienministerin Giffey will klare Altersangaben für Online-Spiele und Apps durchsetzen. CDU-Rechtspolitiker Steineke empfindet das als Populismus.

In der Großen Koalition ist ein Streit über den Umgang mit Computerspielen im Internet für Kinder und Jugendliche entbrannt. Hintergrund sind Pläne von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), das bestehende Jugendmediengesetz zu überarbeiten. Nach ihrem Willen sollen Anbieter von Spiele-Apps zu „transparenten, leicht zugänglichen Altersangaben“ verpflichtet werden, um Kinder und Jugendliche vor gefährlichen Inhalten zu schützen.

Der CDU-Rechtspolitiker Sebastian Steineke kritisierte die Pläne scharf. Altersangaben seien bereits heute „gängige Praxis in den App-Stores“. „Wann hat Ministerin Giffey eigentlich das letzte Mal dort reingeguckt?“, fragte der Bundestagsabgeordnete auf Twitter und warf der SPD-Politikerin „blanken Populismus“ vor.

Giffey sieht indes schon deshalb Handlungsbedarf, weil bei demselben Spiel unterschiedliche Altersangaben im Netz rumgeisterten, wie sie der „Bild am Sonntag“ sagte. „Eltern müssen aber auf die Kennzeichnung vertrauen können“, betonte die Ministerin.

So sieht das auch der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann, der Kritik Steinekes zurückwies. „Vielleicht sollte es manchmal auch eine freiwillige Selbstkontrolle für Tweets des CDU-Kollegen geben“, sagte Zimmermann dem Handelsblatt. „Das Problem ist ja gerade nicht, dass es keine Altersempfehlungen gäbe. Vielmehr stehen Eltern immer wieder vor der Frage wie zuverlässig diese Angaben sind.“

WERBUNG

Am Beispiel der Diskussion um das Spiel „Fortnite: Battle Royale“ sei dies gut zu beobachten. Das Spiel hat unterschiedliche oder gar keine Alterseinstufung durch Institutionen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Fortnite nur online erschienen ist. Solche Spiele unterliegen anderen Regeln als solche, die auch in den Handel kommen.

„Der Bund ist zuständig für Trägermedien – alles, was zum Beispiel im Elektromarkt im Regal steht“, sagte die Geschäftsführerin der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK), Elisabeth Secker, der „Zeit“. Jeder Anbieter, der dort verkaufen will, müsse sich eine Kennzeichnung holen.

Im Onlinebereich dagegen gelte der Jugendmedienstaatsvertrag der Länder. „Der sieht vor, dass der Spieleanbieter den Jugendschutz selbst sicherstellt“, erläuterte Secker. „Das kann er auf verschiedene Arten tun, durch Zeitbeschränkungen oder Filtersoftware für Eltern.“

Fortnite sticht für die Politik auch deshalb besonders hervor, weil es bei Kindern und Jugendlichen äußerst beliebt ist. Binnen eines Jahres gewann der Hersteller Epic mehr als 200 Millionen Spieler. Fortnite ist eine Mischung aus Strategie- und Schießspiel – wer lange überleben will, muss treffsicher sein, aber auch bei der Suche nach Waffen Gespür beweisen und stabile Bunker bauen können.

2018 erwirtschaftete Epic damit nach Einschätzung des US-amerikanischen Marktforschers Super Data 2,4 Milliarden Dollar. Das sei der höchste Umsatz, den ein Spiel jemals in einem Jahr verzeichnet habe, schreiben die Experten: „Fortnite sprengt den Status Quo.“ Dabei verlangt Epic für die Software kein Geld, Nutzer können sie kostenlos herunterladen und spielen. Sie zahlen lediglich, wenn sie mit „Skins“ das Äußere ihrer Figuren verändern wollen.

Solche Zusatzinhalte für Spiele auf Smartphones und Tablets werden auch in Deutschland stark nachgefragt, wie Zahlen des Verbands der deutschen Games-Branche (game) zeigen. Von den 497 Millionen Euro, die hierzulande 2017 mit Spiele-Apps erwirtschaftet wurden, entfielen demnach 481 Millionen Euro auf In-App-Käufe von virtuellen Gütern und Zusatzinhalten. Das ist ein Anteil von 97 Prozent. Die übrigen drei Prozent des Umsatzes wurden mit klassischen Kauf-Spielen erwirtschaftet.

Überhaupt boomt das Geschäft mit Computer- und Videospielen: Im ersten Halbjahr 2018 ist laut dem Verband der Umsatz des Games-Marktes um 17 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro gestiegen. Zu den Wachstumstreibern gehörten Spiele-Apps für Smartphones und Tablets.

„Die Dynamik des deutschen Games-Marktes ist beeindruckend: Mit einem noch stärkeren Wachstumstempo als bereits im Rekordjahr 2017 verteidigt Deutschland eindrucksvoll Platz fünf der größten Games-Märkte weltweit“, sagte Verbandsgeschäftsführer Felix Falk, im vergangenen Jahr anlässlich der spielemesse Gamescom.

Die Alters-Kennzeichnungspflicht soll nun Teil eines neuen Jugendmedienschutzgesetzes werden – ein Projekt, das Union und SPD auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. „Wir haben im Moment ein Jugendschutzgesetz, das noch aus dem Zeitalter von Videokassette und CD-ROM stammt“, sagte Giffey.

„Ich habe mir vorgenommen, dass wir ein Jugendmedienschutzgesetz entwickeln, in dem wir zu all diesen Dingen Antworten geben und auch die Anbieter stärker in die Pflicht nehmen.“ Ziel sei, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.

Doch so einfach ist das nicht. „Es ist ja löblich, wenn sich die Familienministerin auch mit dem Jugendmedienschutz befasst“, sagte die Grünen-Netzpolitikerin Tabea Rößner dem Handelsblatt. „Aber bevor sie sich auf ein Minenfeld begibt und Gesetze ankündigt, sollte sie sich mit der Materie zunächst intensiver befassen.“

Es sei noch gar nicht so lange her, da habe die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags „für Aufsehen gesorgt, viele Gemüter erhitzt und die Länder entzweit“, erinnert die Bundestagsabgeordnete. Es habe sogar zur erstmaligen Ablehnung eines Staatsvertrags geführt. Das Thema sei also alles andere als einfach, so Rößner. Zumal der Jugendmedienschutz in der Kompetenz der Länder liege.

USK-Chefin Secker hält die Aufteilung des Jugendmedienschutzes für nicht mehr zeitgemäß. Früher habe sie durchaus Sinn ergeben. „In Zeiten der Medienkonvergenz ist eine Regulierung, die strikt nach Verbreitungswegen unterscheidet, allerdings zunehmend überholt“, sagte Secker. „Wir bräuchten eine Regulierung nach den Inhalten.“

In Rheinland-Pfalz wird das ähnlich gesehen, wie ein jüngst veröffentlichtes Positionspapier der LMK-Versammlung, dem Aufsichtsgremium der Landesanstalt für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) zeigt.

Die Experten plädierten für einen „Paradigmenwechsel beim technischen Kinder- und Jugendmedienschutz“. „Kinder und Jugendliche sind heutzutage nur einen Mausklick von höchst verstörenden Inhalten, wie Enthauptungsvideos oder der Darstellung sexuellen Missbrauchs, entfernt“, sagte der Vorsitzende der Versammlung, Albrecht Bähr.

„Unser bisheriges Kinder- und Jugendschutzsystem kommt durch den rasanten, technischen Fortschritt an seine Grenzen.“ Es sei daher ein Umdenken nötig, um „unsere Kleinsten vor den Abgründen des Internets bewahren“.

Auch Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net sieht Handlungsbedarf: „Bei der Nutzung von Instagram, YouTube oder Snapchat können Kinder und Jugendliche mit Beiträgen konfrontiert werden, die sexuelle Gewalt zeigen, zum Hass anstacheln oder ihre persönliche Integrität durch Mobbing und Belästigung gefährden“, sagte Glaser.

Zeitgemäßer Jugendmedienschutz müsse diesen Risiken Rechnung tragen und auch auf Geräten wie Smartphones dafür sorgen, dass junge User das Netz „unbeschwert“ nutzen können. „Dazu brauchen wir auch ein technisches System, das altersgerechten Schutz bietet, fortschrittliche Mechanismen der Inhaltserkennung einbezieht und einfach zu verwalten ist.“

Schon die seit Mai 2018 europaweit geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangt von Social-Media-Plattformen, Altersangaben zu verifizieren. Bei Unter-16-Jährigen müssen demnach angemessene Anstrengungen unternommen werden, das Einverständnis der Eltern für die Nutzung einzuholen. Hier gibt es offenbar etliche Mängel, wie eine Studie von jugendschutz.net (Stand: Juni 2018) zeigt.

Das gemeinsame „Kompetenzzentrum“ von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet hat das Mindestalter, das YouTube, Instagram, Snapchat, Facebook, Twitter und Tumblr jeweils festlegen, anhand ihrer Geschäftsbedingungen, Richtlinien und Altersklassifizierungen in den App-Stores ausgewertet. Überprüft wurde auch, wie die Betreiber Altersprüfungen durchführen sowie ob und wie sie die elterliche Zustimmung einholen.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Demnach variieren die Angaben zum Mindestalter und „sorgen nicht nur bei Eltern wegen der offensichtlichen Widersprüchlichkeit für Verwirrung“, heißt es in der Untersuchung. Die Apps der Dienste seien meistens mit „ab 12 Jahren“ klassifiziert, während die AGB eine Nutzung der Dienste für unter 16-Jährige untersagen. „Eine Kontrolle des Alters findet bei keinem Dienst statt, es gibt auch keine Überprüfungen bei unter 16-Jährigen, ob ihre Eltern der Nutzung zugestimmt haben oder nicht.“

Familienministerin Giffey verspricht in der Studie „Regelungen, die Betreiber im In- und Ausland zu Safety by Design verpflichten“. Die Grünen-Politikerin Rößner sprach sich dafür aus die Altersprüfungen im Jugendschutz bundesweit zu vereinheitlichen.

„Angesichts der Herausforderungen im Internet sind einheitliche Regelungen sinnvoll, und über die Aufteilung der Zuständigkeiten sollte diskutiert werden“, sagte sie. „Wenn Giffey es also wirklich ernst meint - und es nicht nur reines Wahlkampfgeplänkel ist, muss sie sich vor allem mit den Ländern auseinandersetzen.“ Und das ist ein mühsamer Prozess, an dem schon einige ihrer Vorgängerinnen gescheitert sind.“

Giffey ist optimistisch: Ende des Jahres solle ein erster Entwurf für ein neues Jugendmedienschutzgesetz vorgelegt werden, sagte sie.