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Mit einem Klick auf Geschäftsreise: Start-ups attackieren große Anbieter

Geschäftsreiseketten wie BCD Travel oder American Express GBT überlassen die Digitalisierung weitgehend jungen Start-ups. Doch damit verlieren sie Kunden.

Luxus war gestern. Wer im Auftrag seines Dienstherrn auf Reise geht, den knebelt immer häufiger das Budget. Easyjet statt Lufthansa, Motel One statt Steigenberger, Airbnb statt Bordinghouse. Seit 2016 sank der Anteil der Vier- und Fünf-Sterne-Herbergen bei den Businesstrip-Zielen von 65 auf 36 Prozent. Hinzu kommt: Die Dienstreisen, die von Jahr zu Jahr kürzer werden, dauerten 2018 im Schnitt nur noch 1,6 Tage.

Mehr noch als die deutschlandweit 11,4 Millionen Geschäftsreisenden trifft das Streichkonzert Geschäftsreiseketten wie BCD Travel, FCM Travel Solutions oder Lufthansa City Center. Denn die traditionellen Reisebetreuer kämpfen um Marktanteile in einem stagnierenden Markt. Ließen sich Deutschlands Urlauber ihre Erholung 2018 fünf Prozent mehr kosten als im Jahr zuvor, gaben Firmengesandte für eine durchschnittliche Dienstreise mit 310 Euro nicht mehr aus als 2016.

An diesem Donnerstag folgte aus Sicht der Ketten nun eine weitere Hiobsbotschaft: Ihr mächtiger Rivale Travelperk, der mit ausgeklügelten IT-Lösungen Geschäftsreisebüros attackiert, erhält erneut eine Finanzspritze über 60 Millionen Dollar.

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Das Start-up aus Barcelona, dem das frische Geld von Finanzinvestoren wie Kinnevik, Target Global und Felix Capital zufließt, kündigt umgehend an, „die Preisstrukturen der Branche aufmischen“ zu wollen und auf „ein neues Level zu bringen“. Nach wie vor werde die Branche „von veralteten, viel zu teuren Lösungen dominiert“, ätzen die Angreifer.

Travelperk ist nicht das einzige üppig finanzierte Start-up, das den klassischen Geschäftsreisebüros seit Neuestem das Leben erschwert. Fast vierteljährlich kommt in Deutschland ein weiterer Digital-Rivale hinzu – unter teils exotischen Namen wie Ewings, Rydoo oder Voya.

Dabei entwickelten sich noch in den vergangenen Jahren Ketten wie Carlson Wagonlit Travel (CWT), American Express Global Business Travel (GBT) oder BCD Travel zu weltweit operierenden Organisationen mit Milliardenumsätzen. 2018 vereinte jeder der Big Three ein Buchungsvolumen zwischen 25 und 32,7 Milliarden Dollar auf sich. Inzwischen aber verliert das Geschäft seinen in Jahren gefestigten Ruf, ein Selbstläufer zu sein.

Vormarsch der Smartphone-Apps

Was sie unverhofft in die Defensive bringt, ist der Vormarsch leicht zu bedienender Smartphone-Apps, die sich jeder Geschäftsreisende umstandslos aufs Handy lädt. „Das Betreuungspaket der Geschäftsreiseketten“, sagt René Vorspohl vom Verband Deutsches Reisemanagement (VDR), „entspricht oft nicht mehr dem, was Unternehmen wünschen.“

Nur 44 Prozent der deutschen Unternehmen, fand eine Studie seines Verbands heraus, vertrauen ihre Geschäftsreisen einer Agentur an. Eine weitere Kennziffer der Misere: Von dem Budget, das Geschäftsreisenden zur Verfügung steht, lief zuletzt nicht einmal mehr 15 Prozent über BCD Travel, First, Lufthansa City Center & Co.

Den Rest buchten Mitarbeiter und Unternehmen direkt – und das in manchen Firmen zu 95 Prozent online . „Den Reisebürokaufmann, der allein Buchungen für Unternehmen vornimmt, wird es in fünf bis zehn Jahren so nicht mehr geben“, erwartet Inge Pirner, Vizepräsidentin des Verbands und Travel-Managerin beim Nürnberger Unternehmen Datev.

Dafür sorgen vor allem die Digitalisierer. Der am fürstlichsten finanzierte von ihnen war schon vor diesem Donnerstag die vor vier Jahren gegründete IT-Firma Travelperk. Das Start-up, das Deutschland nach Großbritannien seinen zweitgrößten Markt nennt und hierzulande von Berlin aus gelenkt wird, kann sich über Geldzuflüsse nicht beklagen. Insgesamt 134 Millionen Dollar schossen bis heute Investoren zu.

Geld, das der von dem Israeli Avi Meir gegründeten Firma nicht nur eine rasante Expansion erlaubt. „Wir sind auch günstiger als alles, was wir im Markt kennen“, brüstet sich Deutschlandchef Eugen Triebelhorn gegenüber dem Handelsblatt. Zu den insgesamt 1500 Unternehmenskunden zählen unter anderem die Hotelkette Meininger, der Mobilitätsanbieter Free Now (ehemals „Mytaxi“) oder der Onlinehändler Outfittery.

Die Produktpalette hat das Zeug, Geschäftsreiseketten wie BCD, CWT oder Amex das Fürchten zu lehren. Wem der Arbeitgeber die Travelperk-App auf dem Smartphone erlaubt, hat Zugriff auf ein riesiges Inventar. Hotel- und Reiseplattformen wie Booking und Expedia sind dort enthalten, es gibt Schnittstellen zur Deutschen Bahn, zu Mietwagenfirmen oder zu Meta-Suchmaschinen wie Skyscanner oder Kayak. Selbst mit Airbnb hat Travelperk eine Kooperation geschlossen, was den Privatvermieter auch für Geschäftsreisende attraktiv machen könnte.

Flüge ausgewählter Airlines vermitteln die Berliner günstiger, als sie Reisebüros oder Portale anbieten können. Ende Juni gestattete Lufthansa dem Start-up eine Direktanbindung über eine sogenannte NDC-Schnittstelle, wodurch die übliche Vermittlungsgebühr von 16 Euro pro Flug entfällt. Ein ähnliches Abkommen besteht mit British Airways.

Digitalanbieter ersetzen Reisebüroketten

Am meisten aber schmerzen dürfte die Konkurrenz, dass Travelperk die Geschäftsreisen komplett vorfinanziert. Während in Deutschland 40 Prozent der Geschäftsreisenden in Großunternehmen (über 1500 Mitarbeiter) ihre Business-Ausflüge zunächst über ihr Privatkonto zu bezahlen haben, geht Travelperk in Vorkasse. Die Gesamtrechnung aller Reiseleistungen leitet das Start-up in der Folge an den Arbeitgeber weiter – und das für eine Gebühr von gerade einmal zehn Euro pro Dienstreise.

Noch nehmen es die herausgeforderten Wettbewerber sportlich. „Neue Ideen und Herausforderungen bringen frischen Wind in den Markt“, bekundet Torsten Kriedt, Senior Vice President bei BCD Travel, auf Anfrage. Man habe „keine Bedenken, Geschäftsanteile an Travelperk zu verlieren“, schließlich decke es aktuell zum Großteil ein Kundensegment ab, das nicht mit einer Travel Management Company wie BCD zusammenarbeite.

Ob er recht behält, ist fraglich. „Gerade in Großunternehmen mit einem professionellen Travelmanagement, glaubt Geschäftsreiseexpertin Pirner, „könnten Digitalanbieter und Plattformbetreiber die Komplettpakete der Reisebüroketten ersetzen – oder zumindest ergänzen.“

Mit einer solch nützlichen Idee läuft sich in diesen Tagen das Kölner Start-up Wireplus warm. Gemeinsam mit einem Chemiekonzern aus dem Rheinland testet das Anfang 2018 gegründete Unternehmen den Einsatz seiner „Wizy“-App, die vor allem die Reiseabrechnung erleichtern soll.

Zum einen ist Wizy eine Kreditkarte von Mastercard hinterlegt, zum anderen verknüpft sich die App mit der marktführenden Reisekosten-Abrechnungsmaschine Concur von SAP. Dabei besitzt sie eine Besonderheit, wie Firmengründer Michael Offermanns herausstreicht: Wer mit ihr im Ausland bezahlt, erhält die Mehrwertsteuer noch an der Kasse erstattet. Umständliche Rückerstattungsanträge über die Firmenbuchhaltung sind mit ihr Vergangenheit.

Mit künstlicher Intelligenz versucht es dagegen das Berliner Start-up Comtravo. Die 2015 gegründete Firma, die in ihrer ersten Finanzierungsrunde – unter anderem vom Reiseportal Momondo – 8,5 Millionen Euro einsammelte, verspricht Erstaunliches: Einfache E-Mail-Anfragen sollen ihre Rechner automatisch in Reisebuchungen verwandeln. Bei einem Drittel der Aufträge funktioniere das schon, erklärten die Gründer.

Übernahmefieber grassiert

Als mächtigster Widersacher der Reisebüroketten hat sich der Kölner Hotelvermittler HRS in Deutschland etabliert. Statt gegen übermächtige Konkurrenten wie Booking oder Expedia anzukämpfen, entschied Firmeninhaber Tobias Ragge schon vor Jahren, sich den Bedürfnissen von Firmen zuzuwenden. Weltweit 35 Büros ließ Ragge eröffnen, um große Konzern für seine Online-Dienstleistungen zu begeistern. Und das mit Erfolg: Längst sind Dax-Konzerne wie Siemens oder Allianz mit der Buchungs- und Abrechnungssoftware der Kölner verknüpft, was ihnen das eigene Geschäftsreisemanagement drastisch erleichtert.

Hinzu kommt: Firmenkunden profitieren gleichzeitig von den günstigen Hotelraten, die HRS für das eigene, zuletzt 209 Millionen Euro Umsatz schwere Portalgeschäft aushandelt. 2015 (neuere Zahlen sind bislang unveröffentlicht) verdiente Ragge mit seinem Schwenk in den Geschäftsreisemarkt vor Steuern fast 19 Millionen Euro – und damit eine um ein Drittel höhere Marge als BCD Travel (2017).

Unterdessen grassiert unter den mächtigen Geschäftsreiseketten das Übernahmefieber, wohl auch, um zumindest ein leichtes Wachstum zu halten. So erwarb vor zwei Wochen der Weltmarktführer American Express GBT in Deutschland die Rewe-Tochter DER Business Travel. Erst zwölf Monate zuvor hatte der 17.000 Mitarbeiter zählende Konzern aus New Jersey nach dem britischen Wettbewerber Hoog Robinson Group (HRG) gegriffen.

Auch die von Utrecht aus regierte BCD wächst augenscheinlich nur noch durch Zukäufe. Seit 2015 erwarben die Niederländer nicht weniger als elf Unternehmen, darunter Air Club Travel, Get-Going und World Travel Service.

Auf die Angreifer regiert man dort eher zögerlich. BCD startete mit Solution-Source einen Marktplatz, auf dem Drittanbieter Technologien einstellen können. Zudem versprechen die Niederländer ihren Kunden, sie auf Wunsch online vor möglichen Störungen im Reiseverlauf zu warnen – ein Service, den auch CWT bewirbt.

Der Wettbewerber aus Minneapolis verlässt sich dabei allerdings lieber auf die Dienste von Lumo, einem externen Start-up, das Flugverspätungen und Hotelengpässe vorhersagen soll. „Die großen Reisebüroketten“, ist sich Geschäftsreise-Managerin Pirner sicher, „sind auf den digitalen Zug viel zu spät aufgesprungen.“