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Kein Ausstieg ohne Deal

27 Mitgliedsstaaten der EU legen beim Sondergipfel heute ihre Verhandlungstaktik für die britischen Austrittsgespräche fest. Doch wie streng werden sie wirklich mit Großbritannien umgehen?

Der Vorwurf kommt von links und rechts. „Die EU-Kommission geht den Weg, möglichst abschreckende Konditionen zu diktieren, um potenzielle Nachahmer zu entmutigen“, sagt die Chefin der Linksfraktion Sahra Wagenknecht. „Die EU will, dass die Scheidung so schmerzhaft wie möglich wird“, sagt die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen vom rechtsnationalistischen Front National. Doch was ist dran an der Unterstellung, der Rest der EU will die Briten bestrafen, weil sie sich aus der Gemeinschaft verabschieden wollen?

An diesem Samstag werden die 27 Mitgliedsstaaten der EU bei ihrem Sondergipfel in Brüssel Leitlinien verabschieden, die Grundprinzipien für die Verhandlungen enthalten, die voraussichtlich im Juli beginnen. „Ein Nicht-Mitglied der Union, das nicht dieselben Pflichten wie ein Mitglied hat, kann nicht dieselben Rechte und Vorteile haben wie ein Mitglied“, heißt es etwa in dem Papier.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Punkt in ihrer Regierungserklärung am Vortag in Berlin ebenfalls betont. Wer in diesem Grundsatz eine Bestrafung sehe, der müsse vorher unrealistische Annahmen getroffen haben über die Konditionen des Austritts. „Ich habe das Gefühl, dass sich einige in Großbritannien noch Illusionen machen“, sagte Merkel. „Das aber wäre vergeudete Zeit.“

Vergangenheit klären, Zukunft verhandeln

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In den Leitlinien ist ein weiterer Grundsatz der Verhandlungen festgelegt: Die Gespräche sollen in zwei Phasen stattfinden. Zunächst sollen die Grundsatzfragen des Brexit geklärt werden. Das betrifft etwa die Rechte der EU-Bürger, die in Großbritannien leben und die Höhe der britischen Restschulden, die die EU bisher auf rund 60 Milliarden Euro beziffert. Erst in einem zweiten Schritt verhandeln beide Seiten die künftigen Beziehungen, etwa die Konditionen für Im- und Export in einem Freihandelsabkommen.

Die Briten hätten gerne alles gleichzeitig verhandelt. Aber die Europäer wissen, dass sie mehr Druck auf die Briten aufbauen, wenn sie die Verhandlungen in zwei Phasen aufteilen. Denn je länger sich die Gespräche zu den Austrittsbedingungen hinziehen, desto weniger Zeit bleibt für das Freihandelsabkommen, das für Großbritannien von immenser Bedeutung ist.

„Bevor wir über die Zukunft sprechen, müssen wir unsere Vergangenheit klären", argumentiert EU-Ratspräsident Donald Tusk und weist auf den Zeitdruck hin. Die Europäer lassen die Briten in dieser Frage spüren, dass sie bei den Verhandlungen am längeren Hebel sitzen.

Kein Brexit ohne Deal

Von einer Bestrafung für Großbritannien zu sprechen, ist dennoch unangemessen. Denn die 27 Mitgliedsstaaten bestätigen in ihrem Dokument, dass für sie ein „geordneter Ausstieg“ Großbritanniens Priorität hat. Der wäre für das Land wesentlich besser als ein harter Brexit ohne jede Regelungen. Dieses Szenario wird weder in Brüssel noch in nationalen Hauptstädten als erstrebenswert angesehen. „Das Szenario ohne Deal ist nicht unser Szenario“, sagt etwa EU-Chefunterhändler Michel Barnier.

Er hat bereits aufgezeigt, wie eine Scheidung ohne Abmachungen aussehen würde: Der Flugverkehr nach Großbritannien würde schwer beeinträchtigt und der Handel blockiert, weil es Zollkontrollen gäbe. Die 3,2 Millionen EU-Bürger, die aktuell in Großbritannien leben, hätten keinerlei Sicherheit, ob sie dort bleiben können. Der Verband der britischen Automobilindustrie hat darauf hingewiesen, dass sich Autos in Großbritannien für den Verbraucher im Schnitt um 1500 Pfund verteuern würden, wenn bei der Einfuhr Zoll auf Pkw und Teile anfallen würde – wie dies der Fall wäre ohne Freihandelsabkommen.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May geht realistisch in die Gespräche. „Es wird Zeiten geben, in denen die Verhandlungen hart werden“, sagt sie. Trennungen seien nun mal schwierig – im Kleinen wie im Großen.

Im Fall des Brexit liegt das nicht daran, dass die eine Seite die andere bestrafen will. Es liegt daran, dass alle Seiten ihre Interessen verteidigen werden. Deswegen werden sie mit harten Bandagen kämpfen.

KONTEXT

Welche deutschen Branchen der Brexit treffen könnte

Autoindustrie

Jedes fünfte aus Deutschland exportierte Auto geht laut Branchenverband VDA ins Vereinigte Königreich. Präsident Matthias Wissmann warnte daher vor Zöllen, die den Warenverkehr verteuerten. BMW etwa verkaufte in Großbritannien 2015 rund 236 000 Autos - über 10 Prozent des weltweiten Absatzes. Bei Mercedes waren es 8 Prozent, bei VW 6 Prozent. BMW und VW haben auf der Insel zudem Fabriken für ihre Töchter Mini und Bentley. Von „deutlich geringeren Verkäufen“ in Großbritannien nach dem Brexit-Votum berichtete bereits Opel. Der Hersteller rechnet wegen des Entscheids 2016 nicht mehr mit der angepeilten Rückkehr in die schwarzen Zahlen.

Maschinenbau

Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien der viertwichtigste Auslandsmarkt nach den USA, China und Frankreich. 2015 gingen Maschinen im Wert von 7,2 Milliarden Euro auf die Insel. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte weniger gut. In den ersten zehn Monaten 2016 stiegen die Exporte nach Großbritannien dem Branchenverband VDMA zufolge um 1,8 Prozent gemessen am Vorjahr. 2015 waren sie aber noch um 5,8 Prozent binnen Jahresfrist gewachsen. Mit dem Brexit sei ein weiteres Konjunkturrisiko für den Maschinenbau dazugekommen, sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker im Dezember.

Chemiebranche

Die Unternehmen fürchten schlechtere Geschäfte wegen des Brexits. Der Entscheid habe bewirkt, dass sich das Investitions- und Konsumklima in Großbritannien verschlechtert habe, sagte jüngst Kurt Bock, Präsident des Branchenverbands VCI. Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien ein wichtiger Abnehmer gerade von Pharmazeutika und Spezialchemikalien. 2016 exportierten sie Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich, rund 7,3 Prozent ihrer Gesamtexporte.

Elektroindustrie

Für Elektroprodukte „Made in Germany“ ist Großbritannien der viertgrößte Abnehmer weltweit. 2015 exportierten deutsche Hersteller laut Branchenverband ZVEI Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in das Land, 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich nicht mehr so gut. Nach zehn Monaten verzeichnet der Verband ein Plus bei den Elektroausfuhren von 1,7 Prozent gemessen am Vorjahr. Grund für die Eintrübung seien nicht zuletzt Wechselkurseffekte wegen des schwachen Pfunds, sagte Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des ZVEI.

Finanzsektor

Banken brauchen für Dienstleistungen in der EU rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Mit dem Brexit werden Barrieren befürchtet. Deutsche Geldhäuser beschäftigten zudem Tausende Banker in London, gerade im Investmentbanking. Die Deutsche Bank glaubt indes nicht, dass sie ihre Struktur in Großbritannien „kurzfristig wesentlich“ ändern muss. Die Commerzbank hat ihr Investmentbanking in London schon stark gekürzt. Um viel geht es für die Deutsche Börse. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Der Brexit macht das Projekt noch komplizierter.