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IW-Experte Klaus-Heiner Röhl: „Berlin leidet an fehlenden Business-Passagieren“

Der Wirtschaftsforscher vom IW über die Bedeutung des neuen Hauptstadtflughafens BER für die Wirtschaft und die Chancen des Airports, internationales Drehkreuz zu werden.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schätzt die Chancen für den Flughafenstandort Berlin-Brandenburg trotz des neuen Hauptstadtflughafens gering ein, künftig ein internationales Drehkreuz zu werden. „Generell leidet der Standort Berlin an fehlenden Business-Passagieren, was interkontinentale Anbindungen für die Airlines wenig attraktiv macht“, sagte der IW-Experte für Strukturpolitik und Mittelstand, Klaus-Heiner Röhl, dem Handelsblatt.

Infolge der in der Coronazeit zwangsweise auf Videokonferenz umgestellten internationalen Geschäftsbeziehungen sei zudem mit einer dauerhaften Verhaltensänderung zu rechnen. Das heißt, der Geschäftsreiseverkehr komme wohl nicht auf sein früheres Niveau zurück.

Dann kämen noch steigende Flugpreise aufgrund der Klimapolitik hinzu, die das Billigfliegen für private Zwecke verteuern würden. „Dieser Cocktail an Belastungsfaktoren dürfte verhindern, dass es viel Potenzial für interkontinentale Verbindungen vom BER oder gar ein Drehkreuz gibt.“

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Der neue Hauptstadtflughafen soll nach jahrelangen Bauproblemen und Terminabsagen am 31. Oktober in Betrieb gehen. Der Stadtflughafen Tegel geht acht Tage später vom Netz. Die größten Herausforderungen für den BER sieht Röhl in der „prekären“ Finanzlage des Airports und der Erholung des Luftverkehrs von Corona.

Wegen der schwierigen Finanzlage nach einem privaten Investor Ausschau zu halten wäre aus Sicht des IW-Experten „sicher eine Möglichkeit“. „Ob die in der aktuellen unsicheren Lage Schlange stehen, erscheint aber zweifelhaft“, fügte Röhl hinzu.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Röhl, wie schätzen Sie die Bedeutung des BER für die Wirtschaft in der Region ein?
Generell haben Großflughäfen mit vielen internationalen Verbindungen eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Die Ausnutzung dieses Potenzials durch den BER für Berlin-Brandenburg hängt aber natürlich stark von der Erholung des Luftverkehrs vom Corona-Einbruch ab.

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg glauben an einen „enormen Rückenwind“ für die Region, weil sich im Umfeld des Flughafens schon Unternehmen angesiedelt hätten und auch der Bau des Tesla-Werks in Grünheide zusätzliche Dynamik bringen werde. Teilen Sie die Einschätzung?
Prinzipiell ja. Die bereits vor Eröffnung erkennbare Ansiedlungsfreude um den BER auf Brandenburger Gebiet dürfte allerdings auch von der nicht immer als wirtschaftsfreundlich wahrgenommenen Politik des Berliner Senats, etwa durch wiederholtes Infragestellen der Eigentumsordnung in Deutschland, getragen sein. Die weitere Entwicklung hängt auch hier stark von einer zügigen Erholung des Luftverkehrs ab.

Wie relevant ist die Frage, ob sich der BER zu einem Drehkreuz mit vielen Verbindungen auf andere Kontinente entwickelt?
Drehkreuzflughäfen in Deutschland sind Frankfurt und München, während Düsseldorf und Berlin einzelne interkontinentale Verbindungen anbieten. Häufig wurde darüber spekuliert, ob die Lufthansa nicht in Berlin als Hauptstadt ein weiteres Drehkreuz einrichten sollte, aber dies war schon vor Corona nicht plausibel.

Warum?
Mit Frankfurt, München sowie Wien und Zürich betreibt die Lufthansa bereits vier Drehkreuze, und mehr waren nicht sinnvoll. Mit Corona geht es jetzt ums Überleben der Lufthansa durch Gesundschrumpfen, nicht um eine Ausdehnung auf neue Drehkreuze.

Kämen andere Airlines infrage?
Alternativ hatte man lange auf ein Air-Berlin-Drehkreuz gehofft, was sich mit der Insolvenz erledigt hatte. Keine internationale Gesellschaft wird am BER ein Drehkreuz einrichten, sodass man allenfalls auf Direktverbindungen durch asiatische Airlines und expandierende Billiganbieter wie zum Beispiel Norwegian setzen kann. Norwegian befindet sich aber im Überlebenskampf und könnte die Coronakrise nicht überstehen.

Da sind die Aussichten Berlins, Drehkreuz zu werden, wohl ziemlich unrealistisch.
Generell leidet der Standort Berlin an fehlenden Business-Passagieren, was interkontinentale Anbindungen für die Airlines wenig attraktiv macht. Infolge der in der Coronazeit zwangsweise auf Videokonferenz umgestellten internationalen Geschäftsbeziehungen ist zudem mit einer dauerhaften Verhaltensänderung zu rechnen. Das heißt: Der Geschäftsreiseverkehr kommt wohl nicht auf sein früheres Niveau zurück.

Dann kommen noch steigende Flugpreise aufgrund der Klimapolitik hinzu, die das Billigfliegen für private Zwecke verteuern werden. Dieser Cocktail an Belastungsfaktoren dürfte verhindern, dass es viel Potenzial für interkontinentale Verbindungen vom BER oder gar ein Drehkreuz gibt.

Wer wird mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung stärker vom BER profitieren – Berlin oder Brandenburg?
Beide. Man muss die Wirtschaftsregion inzwischen als Einheit sehen. Dies zeigt zum Beispiel die Tesla-Ansiedlung. Aus amerikanischer Sicht ein Standort am Rand der Hauptstadt, wo ja offenbar auch ein Design- oder Forschungszentrum geplant ist, aber mit allen Vorteilen der Flächenverfügbarkeit und Investitionsförderung der ostdeutschen Peripherie sowie der Nähe zu Polen.

Direkt gewinnt aber zunächst eher Brandenburg, denn mit dem Flughafenbetrieb selbst wird schlicht ein Teil der Berliner Wirtschaftstätigkeit von Tegel nach Schönefeld verlagert. Ohne Corona stand Tegel für vier bis fünf Prozent des Berliner Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Was wird in Zukunft die größte Herausforderung für den BER sein?
Die prekäre Finanzlage und die Erholung des Luftverkehrs von Corona. Ein Problem des BER, die mangelnde Kapazität zur Eröffnung, ist dafür zunächst entfallen.

Sollte der Flughafen angesichts der schwierigen Finanzlage in Betracht ziehen, nach einem privaten Investor Ausschau zu halten?
Das wäre sicher eine Möglichkeit. Ob die in der aktuellen unsicheren Lage Schlange stehen, erscheint aber zweifelhaft.
Herr Röhl, vielen Dank für das Interview.